Abseits des Gebrabbels um den Euro-Rettungsschirm fand auch etwas anderes mit griechischer Beteiligung statt: das zweite Viertelfinale gegen die Deutschen. Bereits im Vorhinein abgeschrieben... Das war Klasse! – Deutschland besiegt Griechenland mit 4:2!

Abseits des Gebrabbels um den Euro-Rettungsschirm fand auch etwas anderes mit griechischer Beteiligung statt: das zweite Viertelfinale gegen die Deutschen. Bereits im Vorhinein abgeschrieben und ob ihrer faden Spielweise kritisiert, wollten sie der DFB-Elf ein Bein stellen. Es mündete in einer 4:2-Niederlage, die sogar etwas glücklich war. Der Favorit war von Beginn an klar besser und nur mit einer Änderung sorgten die Griechen für den zwischenzeitlichen Ausgleich, was aber zu Recht nicht lange währte. Es gab aber auch noch andere Überraschungen bei dieser Partie.

Jogi Löws Rotationsspielchen

Für viele überraschend war die Aufstellung der deutschen Nationalelf. Sie begannen in ihrer klassischen Formation, aber nicht mit der üblichen Aufstellung und mit einer erneuerten Offensive. Dreifachtorschütze Gomez musste für Klose weichen, während Podolski und Müller für die etwas agileren Schürrle und Reus aus dem Spiel gingen. Die Wechselwirkungen und Synergien, die daraus entstanden, waren hervorragend zu sehen. Schürrle konnte nicht nur diagonal gehen, wie Podolski, sondern breit bleiben und auch nach innen ziehen. Als gelernter Flügelstürmer hat er ein größeres Arsenal und passte sich mit seiner Flexibilität besser an seinen Hintermann Lahm an. Dieser lebte sich aus, konnte nach innen ziehen – und damit auch den Führungstreffer erzielen.

Bei Reus verhielt sich die Sache anders. Boateng ist ein defensivstarker Akteur, aber schnell und ausdauernd, ohne jedoch die nötige offensive Gefährlichkeit als Außenverteidiger bieten zu können. Darum konzentrierten sich die Deutschen gar nicht auf diesen Flügel, der konnte im letzten Spielfelddrittel durchaus verwaist bleiben. Reus bewegte sich immer wieder ins Zentrum und okkupierte eine Position als Mittelstürmer in einer Halbposition, gleichzeitig ließ sich Özil fallen. Teilweise wich der Real-Star sogar auf den Flügel aus, im Normalfall wurde diese Seite jedoch passiv, aber raumfüllend, von Boateng besetzt.

Um diese geballte Zentrumsorientierung der Deutschen auszugleichen, wurde Klose ebenfalls in die Sturmreihe aufgenommen. Er sollte im richtigen Moment, jenem Einrücken seiner Mitspieler, Gegner auf sich ziehen und sie weglenken, damit seine Sturmpartner größere Räume vorfinden konnten. Er ließ auch viele Bälle prallen und machte das Kombinationsspiel im letzten Spielfelddrittel schnell. Außerdem sollte er das Pressing organisieren, was aufgrund des inexistenten Spielaufbaus des Gegners nur selten zum Vorschein kann – dann aber deutlich erkennbar wurde.

Vorne das Pressing Pressing sein lassen

Wenn die Hellenen versuchten von hinten mit Pässen langsam nach vorne zu kommen, wurden sie von den Deutschen in Ruhe gelassen. Sie zeigten sich im ersten Moment, als dies vorkam, beinahe verwundert. Man hatte – wie viele Zuseher – eine aggressive Vorgehensweise der DFB-Elf erwartet. Was dann jedoch geschah, sollte diese vermeintlich risikofreie Ausrichtung der Deutschen Lügen strafen. Sie stellten nämlich lediglich das defensive Mittelfeld zu, um den Ball auf die Außenverteidiger zu lenken. Sobald dies geschah, schoben sie aggressiv auf den Ballführenden und hatten nun nicht nur eine höhere Chance auf den Ball, sondern mehr Raum nach Ballbehauptung. Die breiten Innenverteidiger mussten auf die Seite verschieben, was Klose und Özil Räume öffnete.

Kein Wunder, dass die Griechen bald auf einen geordneten Spielaufbau verzichteten. Sie versuchten das Mittelfeld mit weiten Bällen und Diagonalpässen zu überbrücken, wobei sie ohnehin selten zum Abstoß kamen – die Deutschen hatten über 70% Ballbesitz in der ersten Halbzeit und nahmen den Griechen noch vor dem Rückstand sämtliche geordneten Angriffsoptionen. Darum beschränkten sich die Griechen auf extrem schnelle und riskante Vertikalpässe, was letztlich sorgte, dass man bis zum gegnerischen Strafraum kam. Spätestens dort verloren sie dann die Bälle und fanden sich in einer klaren Unterzahlsituation vor. Wirkliche Gefahr konnten sie somit nie entfachen. Defensiv hatten sie eine Idee, die aufgrund der individuellen Qualität Deutschlands sowie deren Flexibilität scheiterte.

Griechenland – die Manndeckung kehrt zurück; und scheitert

Der Außenseiter aus Südeuropa orientierte sich in seiner Raumdeckung, besonders zu Spielbeginn, derart klar am Gegenspieler, dass die Mittelfeldreihe und die Außenspieler wie klassische Manndecker agierten. Je stärker und öfter sie mit der flexiblen Spielweise der Deutschen konfrontiert wurden, desto weniger hielten sie diese Manndeckung aufrecht. Sie ließen die Hüllen fallen und spielten eine sehr tiefe Raumdeckung,  was ein Indiz für mangelnde Adaptation der Manndeckung war – ein generelles Problem dieser Spielweise. Bereits in den fünfziger Jahren kamen die Engländer mit den Diagonalläufen und Rochaden der Ungarn nicht klar, was das Vorzeichen des Unterganges der Manndeckung war.

Durch das vorherrschende Chaos in den Deckungsauffassungen innerhalb der Mannschaft wurden mehrere Formationen gesichtet. Eine Viererkette mit Doppelsechs und davor einer Raute sowie ein 4-5-1 mit flacher Fünf und ein kompaktes 4-1-4-1, indem eigentlich drei Sechser agierten. Nach der Halbzeit agierten die Griechen kurzzeitig etwas besser, da sie nun wieder einen Konsens in ihrer Art zu verteidigen fanden. Desweiteren wurden ihre Angriffsspielzüge verbessert, die Einwechslungen kamen gelegen und die Deutschen wurden die veränderte Aufstellung in einer Abart des 4-3-3 mit extremer Kompaktheit überrascht. Nachdem sich diese Überraschung gelegt hatte, wurde Griechenland im wahrsten Sinne des Wortes an die Wand gespielt. Einen interessanten Aspekt sollte man dennoch nicht vergessen.

Hohes Pressing bei den Griechen, starkes Zurückziehen danach

Die Griechen zeigten zwei Gesichter. Einmal das ultradefensive vor dem eigenen Strafraum, das andere, wenn die Deutschen mit dem Aufbauspiel begannen. Dort pressten sie hoch und aggressiv, wollten den Ball erobern, bevor er ins Mittelfeld kam. Deutschland hatte damit einige wenige Probleme, die sich aber lediglich bei der Qualität ihrer Offensivpässe äußerte. Wirkliche Fehlpässe wurden selten begangen, allerdings mussten mehr Bälle auf die Seiten gespielt werden oder waren schwerer zu verarbeiten.

Die Gegenmaßnahme Deutschlands war ein Zurückfallen Schweinsteigers, der dann eine Dreierkette mit seinen Mitspielern bildete und die Flügelspieler nach vorne drückte. Das Spiel wurde dadurch extrem breit gemacht und man konnte hinter diese Pressingwellen der griechischen Nationalmannschaft kommen. In weiterer Folge ließ sich das gesamte blaue Kollektiv fallen und die Stürmer kehrten zurück, so dass sie effektiv zehn Mann hinter dem Ball hatten.

Fazit

Mann des Spiels dürfte sicherlich bei den Deutschen zu suchen sein. Taktisch spielte Schweinsteiger klug, machte aber einige individuelle Fehler im Offensivspiel, was seine Leistung etwas schmälerte. Özil und Reus zeigten tolle Ansätze, haderten aber gelegentlich mit sich selbst – ebenso Gomez. Hummels und Badstuber spielten konstant gut, aber waren schlichtweg aufgrund der mangelnden Forderung und den besonderen Umständen bei den wenigen gefährlichen Kontern schwer zu beurteilen. Einmal mehr dürfte dieser inoffizielle Preis an Sami Khedira gehen.

Seine Wichtigkeit als box-to-box-midfielder wird noch immer unterschätzt, doch was er an Laufarbeit, Defensivkraft und Offensivgefahr einbringt, ist phänomenal. Obwohl er nicht der technisch beste Spieler auf dem Platz ist und nie sein wird, ist er doch ein fundamentaler Bestandteil dieser Mannschaft. Offensiv durchbricht er Schnittstellen und bringt Chaos in die gegnerischen Abwehrreihen, während er defensiv immer zur Stelle ist. Einer der wenigen Vertreter eines selten gewordenen Spielertypen.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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