Zwei Tore, zwei Ausschlüsse, ein gehaltener Elfmeter – das Eröffnungsspiel der 14. Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine bot viel Brisanz und Spannung. Im... 1:1 – Polen und Griechenland bestätigen bei spektakulärem EM-Eröffnungspiel Hypothesen

Zwei Tore, zwei Ausschlüsse, ein gehaltener Elfmeter – das Eröffnungsspiel der 14. Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine bot viel Brisanz und Spannung. Im ausverkauften Nationalstadion in Warschau gingen die Gastgeber in der 17. Minute durch Lewandowski in Führung, waren lange klar überlegen, mussten aber kurz nach der Pause den Ausgleich hinnehmen. Der eingewechselte Salpingidis traf für die dezimierten Hellenen.

Eröffnungsspiele bei großen Turnieren enden oft unentschieden“, meinte Polens Teamchef Franciszek Smuda. Lange sah es allerdings danach aus als würde sich seine Mannschaft in die Siegerliste eintragen können. Die polnische Auswahl drückte von Beginn an aufs Tempo, ließ nach dem Seitenwechsel aber abreißen. Die taktische Unordnung wurde mit Fortdauer höher und die Griechen, die sich vorerst einigelten, kamen immer mehr auf. Das Fazit der Kaderanalyse traf schließlich auch bei ihnen zu.

Smuda will Kontrolle im Zentrum

Polen begann mit einem 4-2-3-1-System, das sich in vielen Fällen als sehr unausgeglichen darstellte. Piszczek spielte sehr hoch, während sich Boenisch weitestgehend zurückhielt. Rybus zog es oft in die Mitte, Jakub „Kuba“ Blaszczykowski hingegen wog die Möglichkeiten öfter ab und variierte sein Spiel. Zudem agierte Obraniak nicht ausschließlich als klassischer Zehner, sondern war auch neben Lewandowski als zweiter Stürmer zu sehen. Auf der Doppelsechs entschied sich Smuda nicht für den kampfstarken Dudka, sondern bot Murwaski neben Polanski auf, wollte damit eine weitere passstarke Komponente im Zentrum. Murawski spielte die meisten Pässe aller Spieler am Feld (63) und war in 86% der Fällen erfolgreich.

Griechenland mit defensivem 4-3-3

Griechenlands Coach Fernando Santos ist einer der wenigen EM-Trainer, die nicht auf eine 4-2-3-1-Formation bauen. Der Portugiese setzt auf ein defensiv angelegtes 4-3-3 mit zwei komplementären Flügeln. Spielmachertalent Ninis, der mit viel Technik gesegnet ist, steht dabei auf der einen Seite der hölzern wirkende Samaras gegenüber. Den gelernten Mittelstürmer zog es oft in die Mitte und er spielte im Schnitt nah neben Gekas. Das Dreiermittelfeld wurde von Maniatis, Kapitän Karagounis und Katsouranis gebildet. Letzterer ließ sich im Spielaufbau oft fallen und wechselte nach dem harten Ausschluss von Sokratis in die Innenverteidigung. Dort sollte der 32-Jährige förmlich aufblühen.

Polonia Dortmunds wechselhafte Phasen: alles im Griff in Halbzeit eins

Es war kaum anders zu erwarten als, dass die meiste Gefahr des polnischen Teams von der starken und eingespielten rechten Seite ausgehen wird. Das BVB-Tandem Piszczek und Kuba machte vor allem in der ersten Hälfte jede Menge Dampf. Der Kapitän rückte vom rechten Flügel, ähnlich wie in der deutschen Bundesliga, oft ein um von seinem Hintermann hinterlaufen zu werden. So resultierte zum Beispiel schon in der fünften Minute eine hochklassige Chance aus einem dieser Flankenläufe, als Rybus und Murawski nach einer Piszczek-Hereingabe gute Einschussmöglichkeiten ausließen. Wenig überraschend war auch, dass das Führungstor ebenfalls seinen Ursprung auf der rechten Seite hatte. Der Rechtsdrall im Spiel der Polen wurde zudem dadurch verstärkt, dass Obraniak vermehrt den Weg zu Kuba suchte um mit ihm zu kombinieren und auch Rybus in die Mitte drängte.

Griechenland aggressiv, aber unorganisiert in der Defensive und verhalten im Spielaufbau

Die Begegnung schien klar in eine Richtung zu verlaufen. Von der hochgelobten Stabilität in Griechenlands Defensive war nichts zu sehen. Beim Tor leistete sich zunächst Holebas einen Fehlpass, dann ließ man Lewandowski sowohl beim Lauf in den Strafraum als auch beim Kopfball komplett alleine.

Im eigenen Spielaufbau ließen die Griechen ebenso die letzte Konsequenz vermissen. Zwar kamen sie oft schnell über die Mittellinie, dort hatten sie gegen die aggressiv pressenden Polen jedoch meist zu wenig Spieler vor dem Ball. Außerdem fehlte ihnen manchmal die Technik um die Polen entscheidend unter Druck zu setzen. Das Spiel setzte sich auf der linken Seite der Griechen fest, die Passwege zu Ninis wurden von der polnischen Hintermannschaft zugestellt. Nur 23 Ballkontakte hatte der 22-Jährige, brachte lediglich drei Pässe ans Ziel und wurde schließlich in der Halbzeitpause ausgewechselt.

Santos‘ Wechsel zeigen Wirkung

Für den schwachen Ninis brachte Santos den quirligen Salpingidis. Dieser zog von der Seite mit Diagonalläufen immer wieder hinter die Abwehr und wurde mit Vertikalpässen angespielt. Die erste derartige Aktion wurde schon fünf Minuten nach seiner Einwechslung erfolgreich abgeschlossen, als Szczesny und Perquis eine Hereingabe nicht klären konnten und der 30-jährige PAOK-Spieler einnetzte. Auch der Elfmeter verbunden mit dem Ausschluss des polnischen Keepers entstand auf diese Art und Weise. Zu diesem Zeitpunkt hatte Santos bereits ein drittes Mal gewechselt, tauschte Fortounis für Gekas ein. Der Kaiserslautern-Kicker kam über den linken Flügel während Samaras in seine angestammte Position schlüpfte, was auch zum verbesserten Kombinationsspiel beitrug.

Direkte Pässe durch die Schnittstellen der Viererkette waren ein sehr effektives Mittel, da diese hie und da Abstimmungsprobleme offenbarten – zum Beispiel konnten sie kein einziges Mal den Gegner Abseits stellen, obwohl einige Versuche unternommen wurden. Einer, der diese Vertikalpässe in der zweiten Hälfte besonders gern spielte war Katsouranis. Der PAO-Akteur übernahm zudem zusammen mit Kyriakos Papadopoulos, der für Namensvetter Avraam in die Partie kam, die Bewachung von Torjäger Lewandowski, der in der zweiten Hälfte bedeutend weniger gefährliche Aktionen hatte. Konsequent wurde dieser auf die Seiten verfolgt, wie schon zu Beginn des Spiels von Sokratis.

Polonia Dortmunds wechselhafte Phasen: schwerer Stand nach der Pause und Rückkehr zur alten Strategie

Dass der 22-fache Bundesligatorschütze Lewandowski nicht zur Geltung kam lag aber auch daran, dass die Unterstützung aus dem Mittelfeld fehlte. Kuba spielte nach dem Seitenwechsel fast ausschließlich zentral, teilweise sogar ganz links und konnte so keine Kombinationen mit Piszczek in der Offensive aufziehen. Der Rechtsverteidiger kam daher nicht ins Laufen, konnte kein Tempo aufnehmen und weil Griechenland tief stand und keine Anzeichen zeigte nach vorne spielen zu wollen, boten ihm sich auch keine Möglichkeiten auf schnelle Umschaltmomente. Was erschwerend dazukam war, dass die Griechen auf der rechten Abwehrseite vermehrt auch auf Fouls setzten um den Spielfluss zu unterbinden. Erst eine Viertelstunde vor Schluss, als Tytoń den Strafstoß von Karagounis parierte und die Griechen immer mehr auf den Führungstreffer drängten, stellte Polen seine Philosophie wieder um. Man konzentrierte sich wieder auf das Überladen des rechten Flügels und kam so noch zur einen oder anderen Halbchance.

Wie geht es für Polen weiter?

Die Punkteteilung mag über 90 Minuten gesehen gerecht sein, dennoch hatte man das Gefühl, dass sich das polnische Team mit seinem schwachen Überzahlspiel in erster Linie selbst schlug. Unverständlich war die Maßnahme, dass der Gastgeber die so druckvolle Methode des Überladens des rechten Flügels nicht auch nach dem 1:0 fortsetzte. Denn es war deutlich, dass die Hintermannschaft in vielen Szenen ohne klaren Plan agierte. Sie wurden unter Druck nervös und machten Abspielfehler, zudem mangelte es an der Abstimmung. Gegen die offensivstarken Russen, die mit präzise vorgetragenen Angriffen Tschechien 4:1 vom Platz fegten, dürfte diese Strategie nicht aufgehen. Teamchef Smuda gibt sich dennoch kämpferisch: „Noch ist nichts verloren. Wir haben noch zwei Spiele, die wir gewinnen können. Meine Spieler standen unter großem Druck, ich habe das vor dem Spiel und in der Pause gesehen. Wir sind zufrieden mit dem Punkt, auch wenn wir Fehler gemacht haben. Unser Ziel ist es, die Gruppenphase zu überstehen und das können wir noch schaffen.“

axl, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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