Ernst Happel ist heute vor zwanzig Jahren gestorben. Mit ihm gingen einer der größten Österreicher und der wohl größte Fußballexperte seiner Zeit. Das Besondere... 20.Todestag: In Memoriam Ernst Happel

Ernst Happel ist heute vor zwanzig Jahren gestorben. Mit ihm gingen einer der größten Österreicher und der wohl größte Fußballexperte seiner Zeit. Das Besondere an Happel war aber, dass er nicht nur in puncto Kompetenz, Weitblick und Ausstrahlung einmalig, sondern auch ein waschechter Österreicher war – und dafür verehrt wurde.

Er brachte den „Wiener Schmäh“ durch ganz Europa und war ein Pionier des Verhaltens mit der Presse. Das typisch österreichische Granteln machte er salonfähig, ohne sich selbst ins Abseits zu manövrieren – stattdessen brachte er die Abseitsfalle in den modernen Fußball.

Gleichzeitig steht Happel heute auch für etwas Negatives; nämlich den Untergang dieser Zwischenkriegsgeneration, welche noch in den Wiener Kaffeehäusern über Taktik sinnierte, um am Wochenende auf dem Platz zu brillieren. Happel selbst sagte einmal, dass die „Jugend von heute“ zu viele Ablenkungen habe und der Fußball zu sehr ausgebildet wird. Dies ist nicht nur eine allgemeine Kritik, sondern gleichzeitig eine spezifisch für die österreichische Gesellschaft und die veränderte Mentalität.

Im einstigen Donaufußball der 30er oder auch Rapids Erfolgen auf internationaler Bühne stammten die Spieler von der Straße, sie spielten „mit Tennisbällen, Konservendosen und waren in der Grundschule schon beidfüßig und technisch perfekt“ (Zitat Happel), was letztlich für ihre Überlegenheit auf dem Platz sorgte. Jene Technik und Spielintelligenz, welche Österreich zu einer Führungsnation in puncto Taktik und schönem Fußball machte, kam uns wie auch Ungarn oder Tschechien abhanden.

Stattdessen lebte der im Fußball kleinere Nachbar Deutschland auf, wo Happel auch als Trainer große Erfolge feierte. Doch Happels größter Einfluss wurde in den Niederlanden am stärksten bemerkbar. Dort eroberte er mit Feyenoord die nationale und internationale Spitze, seine Taktiken sollten Rinus Michels nachhaltig beeinflussen – und seine Ajax-Mannschaft leitete aus dem Angriffspressing und dem 4-3-3 Happels letztlich den Totalen Fußball ab, welcher heute beim FC Barcelona weiterlebt; wertgeschätzt mit Titeln und Erfolgen en masse sowie der Bewunderung der Fußballwelt.

Und mitverantwortlich für all das war Happels Schmäh, seine Ruhe und sein Grantln. Er strahlte natürliche Autorität aus und seine Spieler wären für ihn durch die Hölle gegangen – was letztlich für Gehorsam, Disziplin und Konditionsstärke sorgte. Diese Punkte waren entscheidend, um diesen modernen Spielstil erfolgreich auszuführen, womit er – ein Österreicher – die Basis für sämtlichen schönen Fußball auf dem Erdball legte.

Gleichzeitig sollte sein Todestag als mahnender Zeigefinger aus dem Grab dienen. Jene Aspekte, die Happel propagierte, die er sehen wollte – Professionalismus & Fantasie, spielerische Improvisation & taktische Disziplin – gehen dem heutigen österreichischen Fußball in der Breite komplett ab. Nur wenige Trainer haben markante Züge und einen aussagekräftigen Charakter; auch wenn nie einer an den Typ Happel rankommen wird.

Der österreichische Fußball und seine Besetzung bei den Funktionären ist eine Ansammlung von Freunderlwirtschaft, welche dem Erfolgspragmatiker Happel ein Graus wären. Die „Qualität“ in der Breite des österreichischen Fußballs würde die fußballromantischen Seiten des großen Wieners wohl beleidigen. Neuerungen? Fehlanzeige. Gar eine Vorwegnahme künftiger Entwicklungen? Guter Witz.

Durch Richtlinien im Jugendtraining, unsinnige Auflagen für unterschiedlichste Trainerlizenzen für alle, außer Ex-Bundesligaprofis, und geforderte Konformität in allen Aspekten werden Schritt für Schritt alle Happel’schen Züge im österreichischen Fußball abgetötet. Gleichzeitig verliert der österreichische Fußball seine Seele, welche ihn noch vor zig Jahren einmalig gemacht hatte.

Ernst Happel war das Gesicht der letzten wahrlich großen Generation Fußballösterreichs und sein Dahinsiechen auf der Trainerbank steht sinnbildlich für den Untergang. Ein ehrliches Grantln, ein mürrisch-sein und Finger in die Wunde legen, würde uns nachhaltig gut tun.

Doch noch viel problematischer: Der Schmäh ist uns abhanden gekommen.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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