Zwischen dem Rudolf Edlinger, der am 18. November 2013 seinen letzten Arbeitstag als Präsident des SK Rapid Wien absolvierte, und jenem sechsjährigen „Rudi“, der... 4.409 Tage – Die Amtszeit des Rapid-Präsidenten Rudolf Edlinger

Rudolf EdlingerZwischen dem Rudolf Edlinger, der am 18. November 2013 seinen letzten Arbeitstag als Präsident des SK Rapid Wien absolvierte, und jenem sechsjährigen „Rudi“, der neben seinem Onkel einst erste Spiele des Hütteldorfer Klubs auf der Pfarrwiese verfolgte, liegt mehr als ein halbes Jahrhundert. Bewegte Zeiten in denen Edlinger eine Kindheit im Nachkriegsösterreich, eine erfolgreiche politische Karriere, eine bis heute andauernde Ehe, drei Kinder, sowie sechs Enkel und über ein Jahrzehnt „Regentschaft“ als „oberster“ Grün-Weißer des Landes erlebte.  

Nicht immer war es lustig. Fußball ist eine launische Geliebte, das musste „Rudi“ Edlinger in seiner Amtszeit immer wieder schmerzlich erfahren. In zwölf Jahren oder 4.409 Tage durchlebte der Ex-Finanzminister glückliche Siege (7:0 gegen Salzburg), noch glücklichere Niederlagen (1:2 gegen Aston Villa), zwei Meistertitel, keinen Cupsieg, elf Weihnachtsfeiern, elf Mal Karaoke-Gesang der Mannschaft, zahlreiche europäische Bewerbsspiele, schmerzhafte Niederlagen (3:0 für Famagusta), null Punkte in der Champions League, vier EL-Gruppenphasen, Ausschreitungen in Saloniki, Demütigungen im Cup (4:5 gegen den LASK), einen Jahrhundertspieler (S. Hofmann), warmes Bier auf der „MS Kazan“, sechs Trainer, einen Platzsturm, unzählige Schalparaden, hunderte Rapid-Viertelstunden, reichlich Gesang und vor allem gegen Ende immer wieder Proteste gegen die wirtschaftliche und sportliche Führung des SK Rapid Wiens.

Ein Herr der alten Schule

Bei seiner letzten „Amtshandlung“ als Präsident, hat er es endlich gestanden. Rudolf Edlinger wartete etwas länger als zwölf Jahre um zu erzählen, wie hoch der Schuldenstand des österreichischen Rekordmeisters war, als er den Verein am 1. Oktober 2001 übernommen hat:  70 Millionen Schilling.

Der Ex-Politiker bekam ein Jahr nach seiner Amtsniederlegung als Finanzminister gleich wieder eine Kassa anvertraut. Neben Edlinger galten damals Ex-Innenminister Karl Schlögl, Mattersburg-Obmann Martin Pucher, der damalige ÖIAG-Vorstand Johannes Ditz oder Erich Kirisits als Kandidaten für das Präsidentenamt. Jener Kirisits, der 2013 eine Abfuhr des Wahlkomitees einstecken musste.

Seit 1986 saß Edlinger im grün-weißen Kuratorium, war also mit der Materie bestens vertraut, als er in das renommierte Ehrenamt gewählt wurde. Nach formalen Kriterien passten Edlinger und der SK Rapid zusammen wie das Ei zum Salz: Edlinger entstammt einfachen Verhältnissen, machte als 14-Jähriger eine Ausbildung zum Lithographen und arbeitet sich langsam hoch. Er absolvierte auf dem zweiten Bildungsweg die Handelsschule und danach einen Lehrgang für Werbung und Verkauf an der Wirtschaftsuniversität. Sieben Jahre lang saß Edlinger für die SPÖ im Wiener Gemeinderat, zehn Jahre lang war er Stadtrat für Wohnbau und Stadterneuerung (1986–1994), sowie für Finanzen und Wirtschaftspolitik (1994–1997). 1997 wechselte Edlinger in die Bundespolitik zunächst als Finanzminister anschließend war er Nationalratsabgeordneter und „roter“ Budgetsprecher. 2003 beendete er seine politische Laufbahn.

„Edlinger galt unter Kollegen als Pragmatiker mit Handschlagqualität und ausgeprägtem sozialem Empfinden.“,  ist in der Online-Enzyklopädie Wikipedia über den Wiener zu lesen. Auf der Homepage der SPÖ-Währing wird sogar betont, dass Edlinger in einer Mietwohnung im 15. Wiener Gemeindebezirk lebe. Ein sozialdemokratischer Background wird zwar bei Rapid nicht gefordert, ist aber passend. Schließlich verkauft sich der Verein aus dem Wiener Westen seit jeher als traditionsreicher Arbeiterklub, als der „Kleine“ aus der Vorstadt, der durch Fleiß und harte Arbeit bei der Bevölkerung beliebt ist und sich zu Siegen kämpft.

Aller Anfang ist schwer

2001 war die Situation beim SK Rapid Wien wahrlich nicht rosig, nicht nur ein drückender Schuldenberg lagerte auf Hütteldorf. Der Verein war auch fremdbestimmt. Die Bank Austria hatte als Hauptsponsor sämtliche Fäden in der Hand, sie verpflichteten einen gewissen Lothar Matthäus als „Trainer“. Die Lizenz fehlte dem Ex-Abwehrchef noch, aber er sprühte vor Selbstbewusst sein: „Bei Rapid Wien hat seit vier Wochen eine neue Zeitrechnung angefangen“.

5500 Zuschauer verfolgten das Debüt von Lothar Matthäus. Und es ging erschreckend weiter: Rapid landete auf dem achten Tabellenplatz, die schlechteste Platzierung seit der Einführung der österreichischen Meisterschaft.

Der Niedergang verlief parallel zu dem des Hauptsponsors Bank Austria. Der „rote“ Edlinger und der „rote“ Bankchef Randa sollten die Grünen eigentlich gemeinsam wieder aus der Misere ziehen. Über den beiden thronte mit Rapid-Ehrenpräsident Anton Benya, dem damals fast 90jährige Gewerkschaftsboss und SPÖ-Parlamentspräsident, ein weiterer mächtiger „Roter“, der grün-weißes Blut in sich hatte. Die Beziehung SPÖ-Rapid Wien wird später noch in einer anderen Sache für Furore sorgen (Stichwort: Eurofighter).

Die Bank Austria fusionierte schließlich mit der Münchner HypoVereinsbank. Nicht nur deshalb, sondern auch durch das Engagement des ehemaligen Leitwolfs der Bayern waren Kontakte in den Freistaat geknüpft. Spekulierte das Präsidium damit, dass gute Beziehungen nach München nützlich wären?  Matthäus holte Steffen Hofmann nach Wien, Philipp Lahm wurde den Grün-Weißen später als Leihspieler angeboten.

Damit wären Matthäus Leistungen wohl gut auf einen Punkt gebracht. Im Mai 2002 musste er nach einem halben Jahr den Hut nehmen. Eine 1:6-Niederlage in Salzburg war zu viel gewesen. Außerdem warf ihm der Verein „vereinsschädigende Aussagen“ vor, Matthäus Versuch offene Prämien einzuklagen, schlug fehl.  „Alle bei Rapid – von der Putzfrau angefangen – atmen auf, dass er verschwunden ist.“, sagte der damalige Torhüter Ladislav Maier über seinen Ex-Trainer. Edlinger meinte, er habe den Ex-Internationalen „intellektuell überschätzt“. Ich habe gedacht, dass man mit einem 40-Jährigen einen reifen Mann auf die Trainerbank setzt.“

Auch die Bank Austria stieg schließlich von heute auf morgen aus, Rapid stand finanziell vor dem Nichts. Plötzlich fehlten 60% des Budgets. Harte Zeiten auch für die österreichische Sozialdemokratie, die „Roten“  überwinterten nach dem Klimawandel in der Opposition.

In einer Zeit in der es ohnehin nicht viele Höhepunkte gab, kam es im Juli 2002 zu Auseinandersetzungen beim Testspiel Rapid Wien gegen Arsenal FC. In der 69. Minute wurde das Match im Eisenstädter Lindenstadion abgebrochen, als eine Schlägerei unter den Rapid-Fans ausbrach. Einschreitende Sicherheitskräfte wurden mit Flaschen und Sitzbänken beworfen, unbeteiligte Zuschauer mussten auf das Spielfeld flüchten. „Diese Leute sind keine Rapid-Fans. Wer identifiziert werden kann, wird auf Lebenszeit mit einem Stadionverbot belegt“, kommentierte Edlinger die Vorfälle. Neun Jahre später musste er sich wieder zu ähnlichen Umständen äußern.

Es zieht!

Noch in der Ära Dokupil hatte das Präsidium die Modernisierung des Hanappi-Stadions beschlossen. Die Ost- und West-Tribünen wurden überdacht, über der Nord- und Südtribüne wurde die Abschirmung erneuert. Parkplätze, VIP-Klubs, Videowall, Rasenheizungen konnten geschaffen werden. Rapid Wien, damals wie heute, der beliebteste Verein Österreichs backte kleine Brötchen: Die Besucherzahlen waren lächerlich gering, der letzte Meistertitel stammte aus dem Jahre 1996.

Im Juli 2002 wurde Josef Hickersberger Trainer, er sollte die Grün-Weißen auf die Siegerstraße zurück führen. Ein fast zweiundzwanzigjähriger Mittelfeldmann, der Wunschspieler von Matthäus, wurde von den Bayern Amateuren geholt, heute zählt dieser junge Mann dreiunddreißig Lenze und ist wohl das Beste, das Rapid Wien in den letzen Jahren passiert ist. Sein Name: Steffen Hofmann. Sein Beiname: Fußballgott. Bis heute ist der Kapitän der Regisseur des Rapid-Spiels und einer der sich für die Mannschaft zerreißt.

Ein Jahr zuvor war schon Helge Payer von den Amateuren hochgezogen worden, Garics und Kienast kamen 2002 ebenfalls von der zweiten Mannschaft. Andreas Ivanschitz, der schon unter Matthäus spielte, stand Hofmann im Mittelfeld zur Seite, vorne werkte Roman Wallner. 2003 wurde Peter Schöttel Sportdirektor.

Der Pyrrhus-Titel

Der „Schulrat“/ die „Schulrätin“ ist ein Berufstitel für Arbeitnehmer aus dem pädagogischen Bereich. Eine Auszeichnung, die Pflichtschullehrer für „besondere Verdienste“ bekommen, die sich aber nicht in ihrer Gehaltsabrechnung auswirkt. Weder positiv noch negativ.

„Rudi“ Edlinger (kein Pädagoge) bezeichnete ironischerweise den 31. Meistertitel der grün-weißen Vereinsgeschichte als „Einen Titel ohne Mittel, der kostet nur Geld.“

Der Meisterschaftsgewinn mit einer Mannschaft, die im Kern schon Lothar Matthäus zur Verfügung gestanden wäre, war ein Wahnsinn. Einzig Hofmann, der Kapitän und die Führungsfigur im Hütteldorfer Lager, war eine starke Neuverpflichtung. Die Unglaublichkeit ging weiter: Diese Mannschaft konnte ebenso die Champions-League-Qualifikation schaffen.

Ein Erfolg, der Präsident Edlinger wieder zum Raucher machte: „Host an Tschick?“, soll der Ex-Politiker seinen Sitznachbarn gefragt haben, als das entscheidende Match gegen Lok Moskau lief.

Die Gruppenphase wurde jedoch mit null Punkten als Letzter abgeschlossen. Einnahmen: Fehlanzeige. Prämien mussten ausbezahlt werden, Geld wurde aber nur wenig in die Kasse gespült.

Ein Gespenst geht um in Hütteldorf: Angst vor dem Konkurs

Edlinger und die Angst vor dem Konkurs waren in diversen Medien immer präsent. Der Präsident wurde zum „Sparefroh“ und „Geizkragen“ gemacht. Er selbst meint, dass Rapid zweimal schwer defizitär war und jeweils fünf Jahre gebraucht hat um sich zu entlasten. In seinem Abschieds-Interview mit dem Standard gibt der Wiener folgendes zu Protokoll: Rapid ist trotzdem vor jeder Saison ein Risiko von zwei bis drei Millionen Euro eingegangen. Ich war nämlich überhaupt nicht feig.“

Edlinger schiebt einem Reporter den schwarzen Peter zu: „Das Problem hat damals ein Journalist aufgebracht, der die zum Konkurs führende Zahlungsunfähigkeit und die Tatsache, dass wir aus den laufenden Einnahmen die Kosten nicht decken konnten, verwechselt hat. Wir waren ja nicht konkursgefährdet.“

Der Wiener bemängelte immer wieder, dass der Verein schwer an Geld kommen würde, ohne Sicherheiten nicht kreditwürdig sei. Erst seit 1. Juli 2012 ist der SK Rapid Wien Pächter seiner Heimstätte.

Die Umwandlung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft soll erst jetzt mit neuem Präsidenten realisiert werden. Zu teuer war diese einst für Edlinger und sein Team.

Bis zu seinem Abschied musste sich Edlinger mit Vorwürfen herumschlagen, dass er keine finanzstarken Sponsoren an Land ziehen konnte. Besonders in der Kritik stand seit einiger Zeit Werner Kuhn, der General Manager des SK Rapid Wien. Kuhn wurde dilettantenhaftes Verhalten vorgeworfen, er soll Termine verschwitzt und teilweise nicht erreichbar gewesen sein.

Edlinger verteidigte sich und zog einen Vergleich mit dem FC Porto: […] wie (sic!) wir damals der Präsident dort gesagt hat: „Wenn es mir nicht gelingt jährlich einen aktiven Transfersaldo von etwa 15 Millionen […] zu schaffen, dann kann ich den Verein nicht führen.““

Zu seinen Standardfloskeln gehörte auch: „Es gibt niemanden der etwas herschenkt. Jedes Unternehmen will eine Win-Situation haben.“

Immer wieder betonte der Präsident die Verdienste des Werner Kuhn für den Hütteldorfer Verein. Doch Edlinger dürfte wohl vergessen haben, dass man sich im Fußball von den vergangenen Erfolgen nichts kaufen kann. Erwin Hoffer kann bei Fortuna Düsseldorf auch nicht einwenden, er habe einst Rapid zum Meister geschossen oder sei bei der U20-WM in Kanada der geniale Joker gewesen. So richtig verstand niemand, warum am immer gleichen Funktionärsteam festgehalten wurde. Zumal immer offensichtlicher wurde, dass Kuhn überlastet sei.

Die Erwartungshaltung wurde stets gedrückt, die Fanszene konnte und kann dies großteils nicht verstehen: Rapid Wien, der Mitgliederverein (5.000 ordentliche Mitglieder an der Zahl), der traditionsreiche Arbeiterklub, der österreichische Rekordmeister. Einst Heimat für einige der besten europäischen Fußballer, wie Krankl, Binder, Zeman, Jancker, Hanappi, Uridil, Hasil, Konsel, Flögel,  Körner I und II, Happel, Kühbauer, Starek und wie sie alle heißen. Ein Verein, der anerkannt war, und dessen heißblütige Anhängerschaft jedem Fußballfan ein Begriff ist.

Jene Fans, in deren Leben Rapid eine gewichtige Rolle spielt, liegt letztendlich auch die sportliche Zukunft am Herzen. Viele richten ihr Leben nach dem Verein: Ob glühende Hitze oder Schneetreiben, Birmingham oder Kazan, Schwiegermutters Geburtstag schwänzen oder Überstunden in Kauf nehmen, die Burschen von der Westtribüne sind immer dabei. Die Fans machen Rapid bekannt, die Leistungen nicht.

Für solche Anhänger ist es schwer zu begreifen, warum die nationale Spitze kein dauerhaftes Ziel der Grün-Weißen ist. Ein internationaler Startplatz wird stets als Saisonziel ausgegeben. Außerdem denken wohl viele, dass ihr Engagement kein Pendant auf Managementebene findet.

Visionen und Träumen durch handfeste Aktionen nahe zu rücken, wird scheinbar nur unter den Fans gewagt, wie man z.B. am hauseigenen Museum (Rapideum) oder am Rapid-Lauf sehen kann.

Edlinger hatte schon Recht: „Jede Vereinspolitik hat Teile die sich in der Öffentlichkeit abspielen und viele Teile die sich nicht in der Öffentlichkeit abspielen können. […] Viele Gespräche […] können sich nicht in der Öffentlichkeit abspielen.“ Ein fahler Beigeschmack bleibt trotzdem.

Nr. 32

Nach dem Pyrrhus-Titel 2005, ging es für Edlingers Grüne wieder bergab. Die Spielmacher Hofmann und Ivanschitz wurden verkauft. Hofmann kam zwar nach einem enttäuschenden Frühjahr bei 1860 München wieder zurück „nach Hause“, musste aufgrund einer Knieverletzung aber bald passen. Schöttel trat nach einer miserable Hinrunde und einer unfreundlichen Bierdusche zurück: Alfred Hörtnagl ersetzte die Rapid-Legende. Peter Pacult löste einen glücklosen Georg Zellhofer ab.

Im Mai 2008 konnte ein Steffen Hofmann mit Sommerfrisur seinen zweiten Meistertitel in die Höhe stemmen, die Fans hatten Grund zur Freude: Korkmaz, Kavlak, Boskovic, Hofmann, Maierhofer, Hoffer und vereinzelt Jelavic zeigten attraktiven Angriffsfußball. Die Titelverteidigung gelang 2009 knapp nicht. Die Dimensionen hatten sich jedoch geändert, das Stadion war fast immer ausverkauft. Karten für die Westtribüne? Unmöglich! Seit  2010 werden die nicht verlängerten Abos für die Westtribüne ausgelost. Die Fans machen Birmingham unsicher, aber nur im positiven Sinne. „Europäische Weltklasse“ nennt Verteidiger Sonnleitner die Stimmung, die sie im Stadion verbreiten. Die Mannschaft zahlt es zurück: 2009 und 2010 kann man Aston Villa ausschalten und qualifiziert sich für die EL-Gruppenphase.

Rapid, der Ausbildungsverein, musste wieder Spieler verkaufen, doch die Gegenleistung war mehr als akzeptable. Transfererlöse durch die Abgabe von Korkmaz, Hoffer, Maierhofer und Jelavic wurden in Millionenhöhe verzeichnet.

Im April 2011 trat Hörtnagel zurück, Pacult wurde wenig später wegen eines „massiven Vertrauensbruches“ entlassen. Ein „annus horribilis“ für Edlinger. Kein internationaler Startplatz, ein schmerzhaftes Ausscheiden im Halbfinale gegen die SV Ried, der Platzsturm im Wiener Derby, das darauffolgende Maßnahmenprogramm und die Proteste der Fanszene gegen dieses. Ein Stimmungsboykott, der Rapid zu einem gewöhnlichen Verein mit schlechtem Fußball machte.

Rapid unter Führung der Rapid-Legende Peter Schöttel wurde nur kurze Zeit besser: Platz 2 hinter Red Bull Salzburg 2012. Im Frühling 2013 musste Schöttel nach neun sieglosen Spielen und dem Cup-Aus gegen Pasching seinen Hut nehmen. Zoran Barisic ist Schöttels Nachfolger.

Resümierend kann man sagen, dass es Edlinger und sein Team nicht schafften Konstanz in den Verein zu bringen. Erfolge und Durststrecken lösten einander ab, auch nach dem Titel 2008, ließ Kuhn im Kurier verlauten, es sei in erfolgreichen Zeiten schwieriger Sponsoren vom Weitermachen zu überzeugen, als in mageren Jahren. Der Ausverkauf einer „Meistermannschaft“ trug Entscheidendes zu den schweren Zeiten bei. Ein österreichisches Team kommt nicht darum herum Spieler zu verkaufen, diese Tatsache konnten viele Fans verstehen. Abstrus blieb aber für viele die Tatsache, dass man sportliche Posten, wie Trainer oder Sportdirektor, oft mit ehemaligen Rapid-Spielern nachbesetzen wollte. Gerade hier wünschten sich ehrgeizige Sympathisanten lieber gestandene Manager aus dem Ausland, als Ex-Spieler, die sich als Funktionär versuchen wollten. Rapid braucht den Blick von außen und vor allem eine gute Vernetzung ins Ausland.

Time to say goodbye

Ein souveräner Herr nimmt jetzt seinen Hut. Ehrenamtlich (wie jeder Präsident) versuchte Edlinger die Geschicke des Vereines zu lenken, wer könnte ihm da vorwerfen sich nur selbst darstellen zu wollen? Bei seiner Abschiedsrede bemerkte er, dass er und sein Team immer unter dem Licht der Leistbarkeit gearbeitet hatten. „Rapid wird nicht in den Konkurs gehen und der Präsident nicht in den Häfn“ Recht hat er. Auch wenn es viele Fans nicht wahrhaben wollen, aber das ist wirklich keine Selbstverständlichkeit, wie ein Blick nach Innsbruck und Graz beweist.

Besonders beeindruckend war Edlingers ruhige und sachliche Diskussionsbereitschaft, in der er jedoch um klare Aussagen nie verlegen war. Vielleicht war er in der Vereinsführung etwas zu ruhig und sachlich. Denn die Kommunikation nach außen schien ab und an zu stocken: Als Edlinger bei „Talk und Tore“ im Herbst 2012 erstmals die weitere Stadionplanung verlautbarte, hatten sich nicht nur die Rapid-Fans schon seit einiger Zeit gefragt, wie es nun mit „St. Hanappi“ weitergehen würde. „Natürlich, wenn das einer nicht weiß (Anmerkung: Prüfzeitraum eines Neubau/einer Sanierung), denkt er sich die tun nix.“, stellte der damals 72-jährige treffend fest. Sicher gewisse Geschäftsbesprechungen müssen zunächst inoffiziell bleiben, sonst würden sie den Zweck unterlaufen: Aber hätte man nicht kommunizieren können, dass Vorbereitungen im Gange sind?

Geld war immer das leidige Hauptthema: Die Einnahmen aus den Transfers sind ebenso eine Sache für sich: Groß war das Erstaunen als die Rapid-Fans beispielsweise erfuhren, dass Hoffer für seinen Wechsel zum SSC Napoli Handgeld kassierte. Viele Fans fragten sich, wo die Euros versickerten? Transferflops à la Venegoor of Hesselink verschlangen einiges. Klar, dass der Rapid-Fan damit unzufrieden ist. Doch rational gesehen werden solche „Verlustgeschäfte“ im Fußball nicht aussterben. Es ist wie mit Popcorn: Entweder es knallt oder es knallt eben nicht. Wer hätte gedacht, dass ein Stefan Maierhofer aufblühen und gewichtiger Teil der Meistermannschaft 08 sein würde? Oder das Rapid einen „kompletten Spieler“ wie Jelavic an Land ziehen, aufpäppeln und dann teuer weiterverscherbeln kann? Auf der anderen Seite finden sich dann eben auch Flops wie Konrad oder Nuhiu.

Die Causa EADS gehört auch nicht zu den ruhmreichen Sternstunden der Edlinger‘schen Amtszeit: Die Eurofighter-Mutter wollte über spendierte Millionen bei Rapid die SPÖ kalmieren: „Die Sponsortätigkeit beim SK Rapid Wien führt zu Kontakten, die eine Entspannung des Verhältnisses EADS – SPÖ zur Folge haben werden.“, hieß es in einem Protokoll, das der Kurier veröffentlichte. Wieder einmal stand Werner Kuhn im Fokus.

Mit einer Rapid-Legende ist Edlinger nie zusammen gekommen: Krankl und Edlinger werfen sich gegenseitig vor, nur auf persönliche Eitelkeiten zu achten und nicht das Beste für Rapid zu wollen.  Nun ja, Edlinger tut dies gemäßigt: „Ich habe nichts gegen Hans Krankl. Er ist eine der wichtigsten Rapid-Ikonen der Nachkriegszeit. Aber alle im Präsidium haben ihm Positionen, die Kooperation erfordern, nicht zugetraut. Manche Aufgaben sind aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur nicht gegangen. Im Vordergrund muss das Ganze stehen, nicht das Ego.“

Viele Rapid-Fans waren seiner Meinung. Krankl konnte man sich in einer Funktionärsrolle einfach nicht vorstellen. „Er ist ein Mensch, der macht, was er will, und nicht das, was andere als seine Verpflichtung sehen.“, sagt Prohaska über seinen Ex-Nationalteamkollegen. Damit spricht er genau an, was viele denken: Mangelnde Selbstreflexion. Krankl als Stürmer maß sich an Toren, er spielte ein egoistisches Spiel.

Erich Kirisits hat das nicht so ganz verstanden, so schreibt er in seinem offenen Brief: „Ich frage die RAPID-Familie, ob jemand Zweifel an seinem „RAPID-Herz“ hat, ob es jemanden gibt, der diesem österreichweiten Rapid-Idol nicht die Fähigkeit zutraut, unsere Vereinsjugend zu motivieren?“ Krankls Liebe zu Rapid steht aber bei den meistens Fans nicht zur Debatte.

Edlingers Aussagen waren meistens treffend, auf Fan-Randale wie etwa beim Auswärtsspiel in Saloniki oder beim Derby-Abbruch im Mai 2011, analysierte er: „Die Leute kompensieren ihre Probleme auf den Zuschauertribünen. Und Fußball hat eine sehr hohe soziale Identifikationskraft. Fußball ist ein relativ einfacher Sport, leicht zu verstehen. Überall gibt es Fangruppen, dort fühlen sich viele wohl, die im Leben Probleme haben.“ Vor gewalttätige Auseinandersetzungen schob der Präsident rasch einen Riegel vor, zeigte sich aber gegenüber Demonstrationen verständnisvoll. Er wurde nicht müde zu betonen, das Rapid „den Mitgliedern gehöre“, der Verein „könne aber nicht auf Zuruf von außen geführt werden.“

Die Tatsache, dass Rudolf Edlinger dies stets betonte, ist ihm hochanzurechnen. Jeder hat seine Stärken und Schwäche und ein Neuanfang in Wien-Hütteldorf ist jetzt unbedingt zu realisieren. Bei aller Kritik darf aber eines nie vergessen werden: Edlingers Engagement als „Rapid-Regent“ ließ in wirtschaftlich-windigen Zeiten das grün-weiße Flaggschiff nie kentern.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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