Unter Paul Gludovatz schaffte die SV Ried nach dem schlechten Saisonstart die Trendwende und holte aus den letzten vier Ligaspielen sieben Punkte. Zudem wurde... Mehr Stabilität und Fluidität im Zentrum: Gludovatz adaptiert sein System

Paul Gludovatz_abseits.at Unter Paul Gludovatz schaffte die SV Ried nach dem schlechten Saisonstart die Trendwende und holte aus den letzten vier Ligaspielen sieben Punkte. Zudem wurde am Mittwoch gegen den WAC der Einzug ins Achtelfinale des ÖFB-Cups geschafft. abseits.at analysiert in diesem Artikel die Gründe für den Aufschwung.

Eine Änderung, die bereits mit dem Zeitpunkt der Wiedereinstellung von Gludovatz klar schien, war die Neuinstallation des 3-3-3-1, mit dem die Rieder in der ersten Amtszeit des Burgenländers achtbare Erfolge feierten. Doch Gludovatz bewies in den letzten Spielen, dass er trotz seines Alters bereit ist, mit der Zeit zu gehen und adaptierte sein System. Insbesondere im Zentrum wurde man dadurch stabiler.

Ziegls Stärken gezielt eingesetzt

Das Zentrum war in der 3-3-3-1-Ordnung bereits in der ersten Gludovatz-Ära eine potenzielle Schwachstelle, da man nominell nur einen Spieler dort hatte, was insbesondere die Halbräume öffnete. Diesen kam damals jedoch nicht eine dermaßen große Bedeutung zu wie es heutzutage ist und so hatte Ried stets eine gute Defensive. Mit Anel Hadzic gab es einen Sechser, der verschiedenste Aufgaben – egal ob es sich um den Spielaufbau, Kombinationsspiel, Angriffsunterstützung oder Defensivspiel handelte – gut lösen konnte.

Sein Nachfolger ist mit Marcel Ziegl ebenfalls ein äußert kompletter Spieler. Der 22-Jährige konzentrierte sich in seinen ersten Jahren vor allem auf die defensiven Aufgaben, agierte zuweilen auch in der Dreierkette, entwickelte sich aber stetig weiter. Gerade in der letzten Saison konnte er mit regelmäßigen Offensivaktionen aufzeigen und war nicht mehr ein simpler Abräumer, sondern ein Balancespieler, der mit seinen Pässen auch die Angriffe strukturieren konnte.

Aus dieser Rolle wurde er in den ersten beiden Spielen unter Gludovatz heuer jedoch gerissen, was sich negativ auf die Stabilität des Rieder Spiels auswirkte. Gerade der SV Grödig nutzte die Tatsache, dass Ziegl viel Raum alleine abdecken musste, aus. Sie überluden ständig die Halbräume und brachten eine enorme Dynamik hinein. Ried wurde so mit einer 1:4-Niederlage nachhause bzw. in die Länderspielpause geschickt.

In den beiden Spielen danach gab es Änderungen im Zentrum, die auch Auswirkungen auf Ziegls Rolle hatten. In der obigen Grafik sieht man die Gegenüberstellungen seiner kontrollierten Ballgewinne aus dem letzten Spiel gegen Altach (links) und der erwähnten Niederlagen gegen Grödig (rechts). Was auffällt: Ziegls Radius wurde eingeschränkt, sodass er seine Stärken nun auf die heikle Zone am Mittelkreis und die Halbräume fokussieren kann und die Zentralachse defensiv nicht mehr alleine absichern muss. Doch wie wurde dies möglich?

Trauners neue Rolle

Eine wichtige unterstützende Komponente für Ziegl ist die neue Rolle von Gernot Trauner. Dieser spielte bei Ried zunächst im defensiven Mittelfeld, wurde in der letzten Saison jedoch nach hinten auf die zentrale Innenverteidigerposition der Dreierabwehr gezogen. Dort zeigte der 23-Jährige ein hervorragendes Antizipationsspiel. Er agierte nicht in klassischer Libero-Manier als Absicherung für die beiden Halbverteidiger, sondern sorgte mit seinem Aufrücken für frühe Balleroberungen. Das unterstützte Ziegl, der auch unter Oliver Glasner zuweilen als alleiniger Sechser agierte, damals ebenfalls – jedoch von hinten.

In den letzten zwei Ligaspielen und dem Cup-Match gegen den WAC spielte Trauner nun nicht mehr hinter Ziegl, sondern neben bzw. vor ihm. Die Rolle, die er dabei einnahm, ist nicht wirklich kompakt zu beschreiben, da sie sehr vielschichtig und weiträumig ist. Gegen den WAC sah man ihn oft im Zehnerraum, in anderen Szenen war er jedoch auf einer Höhe mit Ziegl und gab einen zweiten Sechser.

Sehr deutlich wird Trauners ambivalente Rolle, wenn man sich die Heatmaps der letzten beiden Spiele ansieht. Gegen die Austria (rechts) pendelte er sehr stark entlang des rechten Halbraums, was nahelegt, dass er auf der rechten Position in der zweiten Linie des 3-3-3-1 spielte. Andererseits hatte er einige wichtige Aktionen auch im Sechserraum und war weit entfernt von der klassischen Interpretation dieser Rolle im Gludovatz-System.

Normalerweise spielen dort nämlich Akteure, die gegen den Ball nach hinten rücken und die Fünferkette formen, Trauner tat dies aber nicht. Außerdem agierte er in der Offensive anders: nicht zurückhaltend, wie es sonst für Spieler auf dieser Position üblich ist, sondern er erzielte mit einem diagonalen Vorstoß in den Zehnerraum sogar ein Tor. Auch gegen Altach traf er, jedoch nahm er in diesem Spiel – wie man anhand der obigen Heatmap (links) sehen kann – eine horizontale Rolle ein.

Erhöhte Fluidität im Offensivzentrum

Abgerundet wird dieses Bild vom neuen Rieder Spiel durch die Bewegungen der drei Offensivspieler. Gerade das Spiel gegen Altach war dafür ein Paradebeispiel. Mit Daniel Sikorski gab es einen Kombinationsstürmer und dahinter agierten mit Dieter Elsneg sowie Thomas Bergmann zwei weitere Gludovatz-untypische Spieler. Sie spielten nämlich nicht im Sinne einer klaren 3-3-3-1-Ordnung breit und linear, sondern eher als hängende Spitzen hinter Sikorski. Elsneg ließ sich einige Male sogar in die eigene Hälfte zurückfallen. Gemeinsam mit der erwähnten Rollen von Trauner und Ziegl ergab das eine Mischformation aus 3-4-2-1, 3-1-4-2, 3-5-1-1 und 3-1-3-2-1.

Klassische Flügelverteidiger als passende Ergänzung

Die veränderte Aufteilung im Zentrum hat zwangsweise auch Auswirkungen auf die Rollen der Außenspieler. Gegen Sturm wurden diese noch dreifach besetzt, mittlerweile gibt es nominell nur mehr zwei klassische Flügelverteidiger, die situativ von den beiden hängenden Spitzen unterstützt werden. Das hat einerseits die erwähnte Stabilität im Zentrum zur Folge. Beim 1:0-Sieg standen die Rieder in einem 5-3-2 gegen den Ball. In der Mittelfeldreihe gab es mit Patrick Möschl und Oliver Kragl jedoch unpassende Spieler für diese Rolle. Durch die personellen Umstellungen hat man nun mit vor allem Trauner und Elsneg zwei Spieler, die sich im Zentrum wohlfühlen.

Für die nun einfach besetzten Außenbahnen hat Gludovatz allerdings ebenfalls zwei sehr passende Spieler gefunden, die sich sehr ähnlich sind. Rechts hat man in Spät-Neuzugang Florian Hart jemanden gefunden, der mit Tempo die Linie entlang marschieren kann und kleinräumige Kombinationen eingehen kann. Das insbesondere deshalb wichtig, weil mit Elsneg der spielstärkste Individualist auf der gegenüberliegende Seite agierte.

Durch die Umstellung konnte außerdem Kragl wieder in seine gewohnte Rolle als Flankenmaschine schlüpfen. Dadurch erreichte der Deutsche wieder viel mehr Präsenz. Während er in den ersten beiden Spielen unter Gludovatz fünf direkte Torschussbeteiligungen hatte, waren es in den letzten beiden Partien doppelt so viele. Die erhöhte Präsenz lässt zwar auch seine Passquote in den Keller sinken – gegen Altach kamen nur 51% seiner Zuspiele an – sorgt aber durch die umgebenden Strukturen insgesamt für ein harmonisches und stabiles Bild vom Spiel der SV Ried.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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