Dieses Spiel stand im Zeichen der Statistik und dem Wechsel Paul Gludovatz‘. Nach dessen Beurlaubung und seinem bekanntgegebenen Wechsel zu den Grazern saß heute... Nullnummer in Graz: Wieso Ried den SK Sturm trotz numerischer Überlegenheit nicht besiegte

Dieses Spiel stand im Zeichen der Statistik und dem Wechsel Paul Gludovatz‘. Nach dessen Beurlaubung und seinem bekanntgegebenen Wechsel zu den Grazern saß heute Gerhard Schweitzer auf der Bank. Er traf im Trainerduell auf Franco Foda, welcher die Heimstärke seiner Grazer bewahren und unbedingt gewinnen wollte. Hierzu wollte man mit einem offensiveren und selbstbewussten Spiel die leicht kriselnden Rieder und deren Dreierkette überrumpeln. Im Prinzip änderte sich also an der Ausgangssituation nur wenig: zwei Mannschaften, etwas abgeschlagen im Titelrennen, dennoch mit Ambitionen, spielten gegeneinander. Die Systeme und Formationen blieben ebenfalls gleich, bei den Riedern konnte man lediglich kleine Adjustierungen feststellen. Diese hatten allerdings einen gewissen taktischen Effekt, welchen man nicht unterschätzen sollte.

Zu Beginn des Spiels waren es die Grazer, welche das Spiel bestimmten. Man kam zu Chancen, attackierte und die Außenverteidiger rückten auf, doch nach dem Seitenwechsel übernahmen die Rieder langsam das Kommando im Spiel. Sie verschoben besser und attackierten früher, das hatte zur Folge, dass die hoch spielenden Grazer einige Male etwas außerhalb ihrer Ordnung gefangen wurden. Auf Deutsch: man wollte von der defensiven in die offensive Formation wechseln und wurde währenddessen unterbrochen, die daraus resultierende Unordnung nutzten die Rieder, um selbst den Ball für sich zu beanspruchen.

Nach der ersten roten Karte übernahmen die Rieder gänzlich das Spiel, die Grazer stellten taktisch jedoch gut um. Die Flügelspieler rückten in Halbpositionen, die Stürmer arbeiteten mehr in der Defensive mit und bis zum zweiten Platzverweis konnte man sogar einigermaßen mithalten. Danach hatte man etwas Glück, nicht zu verlieren – über das gesamte Spiel gesehen war das Unentschieden ein verdientes für beide Mannschaften.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Die Gastgeber traten mit einem 3-3-3-1-System an. Schweitzer hatte also keine grundlegenden Veränderungen der Formation geplant und spielte auswärts mit dem eher defensivorientierten System. Nichtsdestotrotz eroberte man ein kleines Plus beim Ballbesitz, was daran lag, dass die Grazer einerseits sehr schnell umschalteten und andererseits zwei Platzverweise wegstecken mussten. Es waren insbesondere diese Platzverweise, welche die Überlegenheit der Oberösterreicher in den letzten Minuten einleiteten. Die Grazer steckten jedoch nie auf und konnten das Unentschieden wahren.

Zentral in der Innenverteidigung begannen Karner auf halbrechts und Riegler auf halblinks neben Reifeltshammer, sie standen sehr tief und rückten nur bei Kontern raumorientiert nach. Die Mittelfeldreihe wurde mit Ziegl auf der Sechs und Schreiner sowie Basala-Mazana als Flügelverteidiger gebildet. Interessant war dabei, dass Hadzic seit neuestem durchgehend auf der Zehn spielt. Die Ursache dahinter ist, dass die meisten Vereine nun versuchen, das Rieder Spiel durch die Mitte zu knacken. Man erzeugt hier eine numerische Überzahl und drängt mit den eigenen offensivorientierten Außenverteidigern die gegnerischen Außenbahnen zurück.

Dies ermöglicht eine relativ risikolose Offensive gegen die SV Ried. Denn die Außenspieler sind für die Oberösterreicher eklatant wichtig beim Angreifen. Das heißt, wenn sie sehr viel Raum nach vorne überbrücken müssen, verliert die gesamte Elf ihre größte Waffe im Offensivspiel. Der Mittelstürmer hängt in der Luft und das Zentrum ist – wie bereits erwähnt – zahlenmäßig unterlegen. Seitenwechsel mit einer Zwischenstation im Mittelfeld sind kaum möglich, Angriffe können also schnell unterbrochen werden.

Die Ursache dafür, dass man das Offensivspiel so leicht kastrieren kann, liegt auch an der Mentalität der SV Ried. Es sind nämlich sämtliche Spieler in der Defensive bis weit in die eigene Hälfte hinein verantwortlich für die Stabilität, doch im Spiel nach vorne liegt die Hauptlast der Verantwortung für eine erfolgreiche Spielweise auf nur wenigen Schultern. Die beiden Flügelverteidiger sowie der Sechser verlassen sich dazu auch zu gerne auf ihre Vordermänner, im Endeffekt kann man deswegen nur schwerlich Überzahlsituationen erzeugen. Früher funktionierte das besser, da die Gegner etwas konzeptlos auf das überraschende System der Rieder reagierten und über die Flügel ausgekontert wurden. Hinzu kommt, dass das Rieder Umschaltspiel sich in den letzten Monaten stark verschlechtert hatte und kein Vergleich zu früheren Saisons ist.

Die Gastgeber traten mit einem 4-4-2 an, wobei diese Aufteilung etwas ungenau ist. Die Doppelsechs agierte auf einer vertikalen Linie und der Begriff „Achse“ ist hier sehr passend, da sie nicht nur das Spiel organisierten, sondern sich auf dieser vertikalen Linie abwechselten. Man tauschte die Positionen und setzte die Flügelspieler sowie das Sturmzentrum ein.

Desweiteren waren die beiden Mittelstürmer etwas merkwürdig aufgeteilt. Ohne Darko Bodul rückte Okotie in die Mannschaft, der mit Imre Szabics eine sehr flexible Sturmreihe bildete. Die beiden kreuzten unentwegt und einer der beiden versuchte sich immer auf dem Flügel oder in der Tiefe anzubieten. Auffällig auch die Unterschiede in der genauen Auslegung ihrer Rochaden. Szabics bot sich zumeist in Halbpositionen oder im Mittelfeld an, was dafür sorgte, dass die Außenstürmer etwas einrücken konnten. Okotie hingegen flüchtete sich eher auf die Flügel und suchte dort Doppelpässe mit den Flügelspielern oder versuchte selbst bis zur Grundlinie durchzustoßen.

Ried in der Defensive

In der ersten Halbzeit spielte sich noch viel in der Hälfte der Rieder ab. Diese hatten eine tiefe Grundstellung eingenommen und wollten über Konter zum Erfolg kommen. Damit dies gelang, spielte man tief in der eigenen Hälfte ein aggressives Abwehrpressing, man wollte also den Ball nach Balleroberung gegen eine hoch aufgerückte Heimmannschaft möglichst schnell in deren Rücken spielen.

Damit dies gelang, spielten die Flügelverteidiger sehr weit hinten und kümmerten sich um die Außenbahnen. Mit den drei Innenverteidigern dazwischen verschloss man alle Schnittstellen – eine der Ursachen, wieso man mit so wenigen Spielern im Zentrum auflaufen kann. Die beiden Sechser in einem 4-2-3-1 oder in einem 4-4-2 sind nämlich hauptsächlich dafür zuständig, die Löcher der Viererkette zu stopfen. Die Oberösterreicher umgehen dieses Problem mit drei Innenverteidigern vor dem Sechzehnmeterraum und zwei tiefen Flügelverteidigern gleich neben dem Strafraum. Die Aufgabe von Ziegl unterscheidet sich somit durch seine Hintermänner von jeder anderen Sechs in einem gängigen System. Ziegl hat nämlich die Verantwortung dafür, dass der Ballführende im Zentrum gepresst und nach außen abgelenkt wird. Dadurch hat man mit der Überzahl auf den Flügel eine größere Chance den Ball zu erobern. Schafft der Sechser dies nicht, so muss man aufpassen, keinen Gegner in Schussposition zu lassen. Da die Rieder sehr tief agieren, bietet sich nämlich Raum genug im Zentrum für einen guten Distanzschützen. Dieser kann bei wenig Druck von Ziegl relativ einfach zu qualitativen Abschlüssen kommen.

Wird der Ball jedoch erfolgreich auf die Außenbahn abgelenkt, so  muss sich Ziegl mit Hadzic absprechen. Wenn der nominelle Zehner, in diesem Fall also Hadzic, zurückkommt, so kann Ziegl etwas in die Fünferkette einrücken. Das hat zur Folge, dass die Innenverteidiger auf den Halbpositionen und die Flügelverteidiger aggressiver entgegenschieben können. Ziegl übernimmt die Position im Zentrum, während Reifeltshammer „mitrutscht“.

Ried in der Offensive

Im Angriffsspiel fokussierten sich die Rieder wie erwartet auf die Seiten. In der Grafik erkennt man einen hypothetischen Angriff über die rechte Außenbahn. Nacho spielt hier auf einer Halbpositionen und bildet ein sogenanntes Pärchen mit dem Flügelverteidiger hinter ihm, Basala-Mazana. Als Pärchen werden zwei Spieler bezeichnet, die durchgehend gemeinsam bleiben und sich – zumindest in bestimmten Situationen – suchen.

Bei Ried machen das neben den zwei Außenbahnspielern auch die beiden zentralen Mittelfeldspieler, hierbei hat dies allerdings eher defensive Gründe. Hadzic und Ziegl müssen in einem gewissen Abstand zueinander bleiben, ansonsten könnte Hadzic unter Bedrängnis keine Anspielstation haben oder bei einem möglichen Ballverlust ohne Absicherung bleiben. Da die meisten Angriffe über die Flügel kommen, ist dies jedoch eine taktisch anspruchsvolle Aufgabe. Hadzic okkupiert im Normalfall nämlich den Raum im Rücken der Abwehr, er bietet sich für Flachpässe an, während Casanova die vorderste Front besetzt. Der Mittelstürmer soll sich viel und frei im Sechzehner bewegen, damit er Räume öffnet – einerseits natürlich für den schon erwähnten Hadzic, andererseits für den ballfernen Außenstürmer. Beichler kommt von der linken Seite Richtung Tor und bietet sich am langen Pfosten an, hinter ihm rückt sein „Partner“ nach. Schreiner bietet bei langen Bällen eine zusätzliche Option für sehr hohe Bälle oder kann zu weit geschlagene Flanken noch läuferisch abfangen, dazu verhinderte er schnelle Konter über diese offene Seite.

Die Seite ist insbesondere deswegen offen, weil die hinten verbliebene Dreierkette raumorientiert zum Ball hin verschiebt, sogar bei eigenem Ballbesitz. Die Ursache dafür ist, dass man bei einem Ballverlust sofort dagegen arbeiten und die Seite absichern kann. Wenn der Flügelstürmer oder der Flügelverteidiger den Ball verliert, so verhindert das Verschieben der Dreierkette und Ziegl in der Halbposition einen schnellen Angriff über diese Seite. Ziegl kann den Ballführenden attackieren, während sich Hadzic nach dem Partnerprinzip zurückfallen lässt. Die Dreierkette entscheidet dann: attackieren oder zurückfallen lassen?

Das Flügelspiel des SK Sturm Graz

Im Gegensatz zum Flügelspiel der Rieder stand jenes der Gastgeber. Die Grafik zeigt auch hier einen Angriff über die rechte Seite, hier bilden die Außenspieler – wie im modernen Fußball üblich – ebenfalls Pärchen.

Die Mittelstürmer teilen sich auf, einer bietet sich für einen Kurzpass mit dem Außenstürmer an, der andere lauert in der Mitte. Mit dem oftmals hinterlaufenden Außenverteidiger hat der Außenstürmer also zwei sichere Anspielstationen, hinzu gesellt sich Weber absichernd im Mittelfeld und Koch vor dem Strafraum, welche mit einem längeren Pass erreicht werden könnten.

Auf der anderen Seite positionierte sich Kainz vor Klem und die beiden kümmerten sich um die Offensive, indem sie sie sich für weite Bälle anboten. Da die Grazer jedoch nicht mit einer Dreierkette agieren, haben sie mit dem aufgerückten Klem nur zwei Innenverteidiger hinten – deshalb spielt Klem in einer Zwischenposition, etwas tiefer als sein Pendant bei den Riedern (Schreiner). Dudic und Feldhofer haben somit eine relativ schwere Aufgabe und hängen sehr von den Vordermännern ab, eine gute Idee wäre deswegen eine defensivere Positionierung Klems gewesen. Es war nur wenig verwunderlich, dass viele Torchancen nach Kontern entstanden, ein einfaches Spiel gegen die beiden Innenverteidiger alleine, welche sich nicht leicht zu helfen wussten. Die rote Karte für Koch sowie für Dudic resultierten beide aus diesem kleinen Fehler Fodas. Hinten zu offen, nach vorne mutig – gegen die SV Ried mit vielen taktischen Fouls bestraft, aber dank der hohen schematischen Position nicht total bestraft worden.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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