Am Tivoli legte Rapid gestern Nachmittag schon das vierte sieglose Spiel in Folge hin. Der Abstiegskandidat aus Innsbruck zwang Rapid ein 1:1 ab, wobei... Nur ein Punkt trotz taktischer Gastgeschenke: Rapids Lage wird nach 1:1 in Innsbruck immer ernster

Zoran Barisic (SK Rapid Wien)Am Tivoli legte Rapid gestern Nachmittag schon das vierte sieglose Spiel in Folge hin. Der Abstiegskandidat aus Innsbruck zwang Rapid ein 1:1 ab, wobei das Ergebnis eher aufs Unvermögen der Grün-Weißen zurückzuführen ist. abseits.at analysiert, wieso Rapid das Spiel nicht für sich entscheiden konnte und warum Michael Streiter Rapid eigentlich sogar Geschenke offerierte.

Rapid begann wie (fast) immer: Defensives 4-3-3, flexible rechte Angriffsseite – die einzig „auswechselbare Facette“ im Konzept Rapids ist der Angreifer. Mit Terrence Boyd spielte wieder ein Stoßstürmer und kein „falscher Neuner“, der wiedergenesene Burgstaller nahm ebenso wie Deni Alar nur auf der Bank Platz.

Innsbruck mit kompakter Startformation

Innsbruck stellte dem ein 4-2-3-1-System entgegen, in dem Stürmer Bright Edomwonyi Abnehmer für lange Pässe in die Gasse sein sollte. Der eigentliche Spielmacher war nicht Milosevic, der nominell als „Zehner“ aufgeboten wurde, sondern der „Achter“ Ji-Paraná, der für ebendiese Umschaltpässe sorgen sollte. Milosevic war viel mehr die erste Pressinginstanz, die sich dem defensiven, aufbauenden Rapid-Mittelfeld widmen sollte. Marco Kofler auf der Sechserposition sollte für die rustikalen Momente zuständig sein.

Pressing Rapids nicht konsequent genug

Rapid fand in der ersten Halbzeit nie ins Spiel, auch weil man es verabsäumte in der Anfangsphase die Fronten klar abzustecken. Innsbruck war in den ersten Minuten immer wieder gezwungen das Spiel aufzubauen, fand aber keine Struktur und versuchte es weitgehend mit langen Bällen. Und das obwohl Rapid nur punktuell presste. Zumeist wurde die Innsbrucker Abwehr von einem Akteur angelaufen (zumeist Sabitzer oder Hofmann), das Mittelfeld stand allerdings zu tief und so war das Pressing Rapids nicht als mannschaftlich geschlossen zu bezeichnen. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen Rapids waren somit immer wieder zu groß und Innsbruck bekam Luft zum Atmen.

Kaum Initiative in der ersten Halbzeit, schwache rechte Seite

Der Tabellenletzte fing sich, weil Rapid die erste Halbzeit praktisch verrinnen ließ. Spielerisch wurde man nie als Mannschaft initiativ, der linke Flügel war mit dem beweglichen Schrammel und dem gelegentlich vorstoßenden Innenverteidiger Behrendt wesentlich aktiver als der rechte. Nicht nur in der ersten Halbzeit war die rechte Seite Rapids auf der ganzen Linie enttäuschend, was auch am schwachen Christopher Trimmel lag. Bei dem hatte man das Gefühl, dass seine Maske (die er aufgrund eines gegen Salzburg erlittenen Nasenbeinbruchs trug) ihn ein wenig in Sicht und Urteilsvermögen einschränkte.

Passivität führt zum 1:0 für Wacker

Die Führung der Innsbrucker war das Resultat eines kollektiven Rapid-Blackouts und der Passivität, die Rapid in der gesamten ersten Halbzeit zur Schau stellte. Ji-Paraná konnte ungehindert aus dem Stand (!) flanken und Lukas Hinterseer wurde am langen Eck in keiner Weise am erfolgreichen Kopfball gehindert. Es wäre sogar noch ein zweiter Innsbruck-Spieler am langen Eck parat gestanden.

Bessere zweite Halbzeit, aber auch nicht konsequent genug

Erst in der zweiten Halbzeit wurde Rapid aktiver und holte sich immer wieder selbst die Bestätigung, wie es eigentlich gehen könnte. Aus den seltenen Situationen, in denen Rapid erfolgreiches Gegenpressing praktizierte, entstanden praktisch immer Chancen oder Freistöße aus gefährlichen Distanzen. Rapid verfolgte dieses Konzept aber nie regelmäßig, sondern lediglich, wenn’s gerade nicht anders ging. Der dauerhafte Fokus auf die so wichtigen Balleroberungen wurde über die vollen 90 Minuten nie gefunden.

Streiters Gastgeschenke

Dabei tat Wacker-Innsbruck-Coach Michael Streiter Rapid in der Halbzeit einen Gefallen, indem er Roman Wallner für Marco Kofler brachte. Das Innsbrucker Spiel verlor damit nicht nur einen physisch starken Akteur, sondern auch defensive Ordnung. Plötzlich spielte Innsbruck in einer Art 4-4-1-1-System.

* Edomwonyi, der kurz später durch den etwas aktiveren Gründler ersetzt wurde, spielte an vorderster Front.

* Wallner agierte als Freigeist dahinter, wobei er seine Stürmergene natürlich kaum unterdrücken konnte.

* Hinterseers Drang nach vorne sorgte dafür, dass bei Angriffen Rapids nicht mehr genügend Innsbrucker hinter den Ball kommen.

* Aufgrund des Fehlens von Kofler musste Schütz nun stärker zur Mitte einrücken, hielt seine Position nicht mehr. Innsbruck verteidigte nun nicht mehr mit neun Feldspielern, sondern zumeist nur mit sieben, in einer 4-3-Abwehrformation.

* Weil die Dichte nun nicht mehr gegeben war, verlor Innsbruck die defensive Herrschaft über die Flügel. Rapid wurde dort vor allem in personam Marcel Sabitzer gefährlicher.

* Trotz der offensiveren Spieler, die nun für den Tabellenletzten am Feld standen, gelang es Innsbruck nur selten Nadelstiche zu setzen. Die fand man erst in der Schlussphase in Form des Matchballs durch Lukas Hinterseer vor.

Zu späte Wechsel bei Rapid

Streiter machte Fehler, auf die er viel zu lange nicht angemessen reagierte. Aber Barisic nutzte diese Fehler nicht aus, weil er untätig blieb. Den ersten Wechsel vollzog der Rapid-Trainer erst in der 69.Minute – und brachte Guido Burgstaller für Steffen Hofmann. Obwohl Rapid zurücklag, obwohl andere Spieler, wie etwa der aufreizend leichtfüßige, erneut extrem schwache Dominik Wydra schon seit der ersten Halbzeit reif für eine Auswechslung waren. Dass mit Deni Alar erst in der 81.Minute ein zweiter Stürmer gebracht wurde, obwohl man Gefahr lief beim Tabellenletzten die sechste Auswärtsniederlage in Serie zu erleiden, spricht Bände über die allgemeine Unentschlossenheit in Grün-Weiß.

Auf der Suche nach Überraschungsmomenten

Warum gewann Rapid das Spiel nicht? Es wäre zu leicht, die verlorenen Punkte auf die vergebenen Chancen zu schieben. Diese gab es zwar zahlreich, aber die Chancenqualität war wie in den Spielen zuvor gering. Man kommt zwar vors Tor, zwingt den Gegner aber nicht in die Knie und erarbeitet sich zu wenige „Hundertprozentige“. Rapid spielt zu geradlinig, die Überraschungsmomente und eine gesunde Dosis Spielwitz fehlten völlig. Wie Sabitzers gute Bewegung vor der Flanke zum 1:1 zeigte, wäre ein bisschen Überraschung im Rapid-Spiel dringend notwendig. Ebenso wie Schaubs Idealpass auf Petsos, der zu einer der wenigen (herausgespielten) Großchancen durch Terrence Boyd führte.

Einfach rein machen

Bei der Gemeinschaftschance durch Schaub und Burgstaller, bei der die beiden normalerweise torgefährlichen Spieler eine 2:1-Überzahl nicht ausnützten, merkte man außerdem, dass Rapid derzeit die Leichtigkeit fehlt. Die Selbstverständlichkeit, einen solchen Ball einfach ohne viel nachzudenken, rein zu machen. Diese Leichtigkeit zu vermitteln ist in schwierigen Phasen die Aufgabe des Trainerteams. Dieses muss sich aber eingestehen, dass Rapid noch lange nicht so weit ist, wie man das vielleicht glaubt.

5 vor 12

Es zieht sich wie roter Faden durch die Saison: Immer wieder spielte Rapid starke Partien und man konstatierte danach (häufig zu Recht!), dass man „auf der Leistung aufbauen kann“. Das Wort „aufbauen“ impliziert aber, dass etwas gebaut und nicht Woche für Woche ein kleines bisschen davon wieder abgerissen wird. Auf einen Schritt nach vorne folgen bei Rapid derzeit regelmäßig zwei Schritte zurück. Auf das 3:1 im Derby folgte ein 1:2 bei der Admira und ein schwaches 0:0 gegen Grödig. Auf eine starke Leistung in Salzburg folgte eine phasenweise miserable Darbietung gegen den abgeschlagenen Letzten. Weitere Beispiele dieser Art finden sich auch in der Herbstsaison. Um den grün-weißen Killerinstinkt (zurück-)zu finden, stellt sich jetzt, wo die Lage langsam sehr prekär wird, die Frage, ob der Barisic’sche Nice-Guy-Modus nicht langsam einer etwas härteren Gangart weichen sollte. Qualifiziert sich Rapid nicht für Europa, hat der Verein ein ernsthaftes Problem. Also ist es an der Zeit derart „weiche“, fast zahme Leistungen abzustellen und ihren in der Vergangenheit oft übergelobten Protagonisten unmissverständlich klar zu machen, welches Stündlein geschlagen hat.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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