Rapid manövriert sich derzeit in eine hausgemachte Krise, deren Ursprung aus vielen verschiedenen Faktoren besteht. Die zweite Saisonniederlage gegen Altach gibt den Anstoß für... Rapid und die „fehlende Durchschlagskraft“: Von lückenhaften Konzepten und der Suche nach Plan B

SK Rapid Wien - Wappen mit FarbenRapid manövriert sich derzeit in eine hausgemachte Krise, deren Ursprung aus vielen verschiedenen Faktoren besteht. Die zweite Saisonniederlage gegen Altach gibt den Anstoß für ein schweres Match, das Trainer Zoran Barisic in den nächsten Wochen und Monaten zu bestehen hat. Denn nach einer kurzen (erklärbaren) Auferstehung des Rapid-Geistes in der vergangenen Saison, ist Zokis Elf, vor allem aber Zokis Konzept, wieder am Nullpunkt angelangt.

Rapid überzeugte in der laufenden Saison nur sehr selten. Phasenweise gegen die SV Ried, ebenso gegen Sturm Graz. Da die Hütteldorfer aber insgesamt zahnlos agieren und aktuell ein dankbarer Gegner sind, kann man aufgebaute Feldüberlegenheit und viel Ballbesitz nicht in Tore und Siege ummünzen. Nach fünf Bundesligarunden hält Rapid gerade mal bei fünf Punkten – und, was fast noch schlimmer ist, bei nur vier erzielten Treffern.

Bei Rapid kommt’s aufs „Wie“ an

Schon Ex-Sportdirektor Helmut Schulte erkannte bald: Bei Rapid kommt es nicht immer darauf an, ob man gewinnt oder verliert, sondern auch wie man auftritt und was man dem Publikum bietet. Hätte Rapid das Samstagnachmittagspiel gegen Altach mit 3:4 verloren, hätte das auf den typischen Rapid-Fan eine andere Wirkung gehabt, als das trostlose 0:1, bei dem man ein Konzept verfolgte, das mit dieser Mannschaft äußerst schwer umsetzbar ist und dessen Umsetzung durch äußerst fragwürdige Entscheidungen des Coaches erschwert wurde.

Was macht Rapid aus?

Nun kann man in der Geschichte eines der ältesten Vereine Österreichs lange zurückgehen und sich fragen, wofür Rapid und das Spiel Rapids eigentlich steht. Rapid stand immer für Dynamik und Kampf, für direktes Spiel und viele Torchancen, praktisch für 3:2 statt 1:0. Die Spieler, die Rapid in der Vergangenheit immer prägten waren etwa ballgeile Mittelfeldrackerer, blitzschnelle inverse Flügel mit starker Technik und natürlich die „Nummer Neun“, ohne der die einstige Tormaschinerie Rapid praktisch unvorstellbar ist.

Gegen Altach – und auch in den Spielen zuvor – gab es von alledem nichts zu sehen oder zu spüren. Hier beginnt nun die Fehlersuche. Das 0:1 gegen den Aufsteiger ist trotz der empfindlichen Auftaktklatsche gegen Red Bull Salzburg als vorläufiger Saisontiefpunkt zu bezeichnen und daher auch als Beispiel für den holprigen Start Rapids heranzuziehen.

Tief stehende Altacher (bzw. Gegner im Allgemeinen)

Im Spiel gegen die diszipliniert verteidigenden Vorarlberger mangelte es teilweise an Automatismen, noch viel mehr aber an Ideen und Eigeninitiative. Während sich Altach in zwei Ketten eng am eigenen Strafraum postierte, griff Rapid an und erreichte dabei über 90 Minuten beinahe 70% Ballbesitz. Die „Exil-Hütteldorfer“ hatten das Spiel im Prater klar im Griff und kamen schlichtweg zu wenigen Torchancen. Die „Durchschlagskraft“ wurde einmal mehr als Stichwort herangezogen – aber es haperte noch an viel mehr.

Mangelnde Durchschlagskraft

Die Ausfälle von Deni Alar und Robert Beric schmerzten. Zwar sind auch die beiden etatmäßigen Stürmer keine „Brocken“, aber etwas mehr Riecher als die anderen Offensivspieler im Kader haben sie trotzdem. Umso kurioser ist die Tatsache, dass Zoran Barisic nach der Partie die „fehlende Durchschlagskraft“ bemängelte, nachdem er zuvor mit Lukas Grozurek einen der körperlosesten Rapids als Solospitze aufbot. Grozurek führte elf Zweikämpfe und verlor derer zehn. Rapid wurde in der Zone der Wahrheit nie gefährlich.

Fehlbesetzung an vorderster Front

Alternativen gab es auf der Bank. Wie schon in unserem Vorbericht beschrieben, kamen der dynamische Starkl oder Target Man Prosenik für Einsätze in Frage. Selbst Stefan Schwab wäre eine probatere Option für den Sturm gewesen, nachdem dieser in der Vergangenheit bei der Admira in einem 4-4-2 als Halbspitze eine gute Figur machte. Wenn eine Mannschaft in einem so genannten 4-3-3 (das es bei Rapid nicht ist) mit einem antizipativen Stürmer und keinem Zielspieler für den gegnerischen Strafraum spielt, sind diagonal in den Strafraum stechende, torgefährliche Flügelspieler diejenigen, die für Tore sorgen sollten.

Zu viel Verkehr in der Zentrale

Diese Spieler gibt es bei Rapid allerdings nicht. Einzig Starkl und Schobesberger passen in dieses Profil, beide sind aber aktuell nur Ergänzungsspieler. Rapid agiert tatsächlich in einem 4-2-3-1-System, in dem sich die beiden „Flügelspieler“ extrem häufig auf Halbpositionen fallen lassen. Dies trifft auf Florian Kainz auf links und noch stärker auf Louis Schaub auf rechts zu. Rapid überlädt damit die ohnehin gut besetzte Zentralachse und steht sich damit selbst im Weg. Der Gegner muss somit „nur“ die Mitte zumachen, konzentriert gegen den Ball spielen und dabei nicht mal einen Stoßstürmer aus dem Spiel nehmen, sondern lediglich einen Antizipativstürmer mit Bewegungen aus der eigenen Viererkette vom Sechzehnmeterraum fernhalten. Wenn Rapid das Spiel dennoch auf die Flügel verlagert, kann der Gegner mit nur wenigen Schritten und beiden Abwehrketten von innen nach außen verteidigen und selbst wieder Überzahl am aktiven Flügel schaffen.

Schwere Zeiten für gute Außenverteidiger

Ein Nebeneffekt dessen ist, dass sich Rapid durch die einrückenden Flügelspieler extrem schwer tut, die Flügel zu überladen, um Flankenläufe zu kreieren. Obwohl Schrammel und Pavelic zu den besten Rapid-Spielern der bisherigen Saison zählen, haben sie offensiv zwei handfeste, gruppentaktische Probleme:

1.)    Wenn sie sich in Offensivaktionen einschalten, erfolgt ihr „letzter Pass“ zumeist in die Breite oder sogar vom gegnerischen Tor weg, weil ihre vorgelagerten Flügelspieler zu viel Fokus auf halbzentrale Positionen außerhalb des Strafraumes legen.
2.)    Die naheliegende Option einer Flanke auf einen kopfballstarken, robusten Zielspieler fällt praktisch komplett weg. In fünf Spielen wurde dieses Mittel sehr selten angewandt, führte lediglich gegen Sturm Graz zum Torerfolg, auch weil sich Sturm-Goalie Christian Gratzei bei Schrammels Flanke auf Beric haarsträubend verschätzte. Beric und Alar sind so oder so keine Zielspieler für Flanken, wie es in der Vergangenheit etwa Boyd, Jelavic oder Maierhofer waren. Grozurek ist dies noch weniger.

Stärke bei Standards ist dahin

Damit einhergehend: Rapid hat in der neuen Saison auch noch massive Probleme bei offensiven Standardsituationen. Die junge Mannschaft mag läuferisch zu den besten der Liga zählen und auch ballsicher auftreten, aber bei Standards ist jeder Rapid-Gegner gut beraten, wenn er auf Mannorientierungen setzt, um die wenigen potentiellen Vollstrecker kaltzustellen. Damit nicht genug erwies sich Grün-Weiß bereits mehrmals als anfällig, wenn der Gegner nach defensiven Ballgewinnen nach Standards durch die Mitte konterte.

Eigenwillige, späte Spielerwechsel

Auch Barisics Wechselkonzept wird derzeit von Fans und Experten scharf kritisiert. Der Rapid-Trainer wechselt zu spät und dann oft auf schwer nachzuvollziehende Art und Weise. Es hat den Anschein, dass dem Barisic-Konzept der Plan B fehlt, wenn das ballbesitzorientierte Spiel und die Suche nach Lücken in den zumeist engmaschigen gegnerischen Abwehrreihen keine Früchte trägt. Eine Spielphilosophie, die für das „Gesamtkonstrukt Rapid“ ohnehin sehr umstritten ist, scheitert in Wahrheit an zu hoher Flexibilität und dem wenig latenten Mangel an „Spezialisten“, wie es praktisch alle Spieler waren, die im Sommer abgegeben wurden.

Die Dreifach-Acht und der Zwischenlinienraum

Auch das inkonsequent durchgeführte, wenn auch theoretisch sehr interessante Prinzip einer „Dreifach-Acht“ im zentralen Mittelfeld bedarf Verfeinerung. Jeder von Rapids zentralen Mittelfeldspielern kann etwas mit dem Ball anfangen, nahezu alle weisen tolle Passstatistiken auf, aber gegen tiefstehende Gegner gibt es keinen Spieler oder Spielergruppen, die sich systematisch im Zwischenlinienraum bewegen, um Bälle oder vor allem Gegner anzuziehen. Rapids Gegner müssen dadurch kaum aus ihrer defensivsten Kette herausrücken und lediglich mit dem Ballbesitzspiel Rapids mitverschieben. Das Spiel gegen Rapid erfordert zwar Konzentration, aber kaum defensive Innovation, wie es noch in der Vorsaison, speziell im Frühjahr, der Fall war.

Großer Aufwand vs. Produktivitätsmanagement

Die Anzahl der guten Chancen, die Rapid tatsächlich herausspielt, ist in Relation zum durchschnittlichen Ballbesitzanteil Rapids, inferior. Aufgrund des hohen Ballbesitzes und der schwierigen Suche nach Lücken, ist dann nach dem Spiel oft von „großem Aufwand“ die Rede. Diese Floskel soll den Willen der Mannschaft loben, ist in Wahrheit aber nichts anderes, als schlechtes Produktivitätsmanagement. Praktisch jeder Gegner Rapids betreibt weniger Aufwand, zumal man sich auf Mann- und Raumorientierungen zu konzentrieren hat, aber von den Hütteldorfern keine neuen Innovationen zu befürchten hat. Banal gesagt: Rapid versucht sein nicht ausgereiftes, erneut neu konzipiertes Spiel (mit wenigen Ausnahmen, z.B. Spiele gegen RB Salzburg) immer auf dieselbe Weise aufzuziehen.

Durchhalteparolen

Die Worte der Verantwortlichen nach ernüchternden Partien wie gegen Altach sind Salz auf die Wunden der Rapid-Fans. Dass eine junge Mannschaft Zeit brauche, die Durchschlagskraft fehle oder die Spieler X,Y und Z (trotz dauerhaft schlechter Leistungen) nicht fallengelassen werden, sind nun aber mittlerweile Aussagen, die nur noch die wenigsten Fans und Beobachter stützen. Auch in der Kaderplanung gab es Fehler, die man sich vielleicht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eingestehen will, die aber schon nach wenigen Monaten nicht zu verleugnen sind.

Der konzeptionelle Holzweg

Rapid müsste keine derart junge Mannschaft haben. Rapid müsste nicht mit fehlender Durchschlagskraft hadern. In der bisherigen und laufenden Transferzeit versäumte man es jedoch, einen ausgewogenen Kader zusammenzustellen, der eine passable und im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten befindliche Mischung aus jung und alt bzw. flexibel und speziell darstellt. Rapid ist jetzt jung und flexibel. Was fehlt ist die Routine, die eigeninitiativen Spieler, die in die Presche springen, wenn die Mannschaft in der Klemme sitzt und vor allem die „besonderen Spieler“, die Spezialisten. Rapid hat 2014/15 eine gute Mannschaft mit vielen guten Spielern – und doch einen Einheitsbrei ohne Ecken, Kanten oder einem spielerischen/taktischen/konzeptionellen Plan B. Man ließ sich von der erfolgreichen Vorsaison, die von ebensolchen Spezialisten geprägt wurde, blenden und befindet sich nun mit braven, auf dem Platz wenig verantwortungsvollen Akteuren auf einem konzeptionellen Holzweg.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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