Im Rahmen der 28. Runde in der tipico Bundesliga kam es zum Gipfeltreffen zwischen dem SK Rapid Wien und Red Bull Salzburg. Die Hütteldorfer... Spektakuläres und taktisch hochklassiges Spitzenspiel: Rapid holt trotz 0:3-Rückstand Punkt gegen Salzburg

Zoran Barisic (SK Rapid Wien)Im Rahmen der 28. Runde in der tipico Bundesliga kam es zum Gipfeltreffen zwischen dem SK Rapid Wien und Red Bull Salzburg. Die Hütteldorfer hatten zunächst große Schwierigkeiten. Erst nach dem Seitenwechsel entwickelte sich ein nervenaufreibendes und taktisch gutes Spiel auf Augenhöhe.

Wie zuletzt gegen die Austria und im Cup-Viertelfinale gegen Altach startete Red Bull Salzburg auch in dieses Spiel mit einem frühen Tor. Schon in der dritten Minute brachte Valon Berisha die Gäste vor 26.800 Zuschauern in Führung. Jonatan Soriano und Marcel Sabitzer legten vor der Pause nach, sodass das Spiel früh entschieden schien. Doch Rapid schaffte nach dem Seitenwechsel die Wende und holte noch einen Punkt.

Barisic überrascht mit neuer Formation

Zoran Barisic überraschte mit neuem Personal und einer veränderten Grundordnung. Vom gewohnten 4-2-3-1 wurde auf ein 4-3-2-1 umgestellt. Als zentraler Spieler vor der Abwehr rückte Brian Behrendt neu in das Team, obwohl er erst vor kurzem von einer Verletzungspause zurückkam. Neben ihm agierten Dominik Wydra und Stefan Schwab, was gemeinsam mit der Hereinnahme von Steffen Hofmann bedeutete, dass der formstarke Philipp Schobesberger zu Beginn nur auf der Ersatzbank saß.

Bei Red Bull Salzburg war besonders die Reaktion auf die Personalsorgen in der Innenverteidigung interessant. Martin Hinteregger und Andre Ramalho fehlten verletzt, sodass erwartungsgemäß Stefan Ilsanker und Duje Caleta-Car im Abwehrzentrum verteidigten. Interessant war dabei insbesondere, wie sich die beide ergänzen würden, da sie vom Grundtyp relativ ähnlich sind: statisch, zweikampfstark und ohne besondere Fähigkeiten im Spielaufbau.

Salzburgs dynamische Doppelsechs

Derartige Fähigkeiten waren jedoch auch nicht nötig, da die Salzburger von hinten heraus meist lange Bälle schlugen. Ilsanker spielte in der ersten Halbzeit 38,9% lange Bälle und Caleta-Car sogar 55,6%. Die Salzburger wollten also schnell viel Raum überbrücken und fokussierten sich auf das Pressing auf zweite Bälle. Das passte auch zur Besetzung auf der Doppelsechs. Christoph Leitgeb und Naby Keita sind sehr dynamische und technisch gute Spieler, positionieren sich vor allem im zweiten Drittel sehr gut und gehören gegen den Ball zu den besten Spielern der Liga.

Andererseits ergeben sich Probleme, wenn die beiden abkippen und das Spiel flach aufbauen müssen. Mit den frühen langen Bällen brachte man so die Stärken der beiden ins Spiel. So konnten sie entweder direkt selbst ins Gegenpressing gehen oder waren nach Balleroberungen sichere Anspielstationen, die sofort weiter in die Tiefe spielten bzw. dem Ball selbst nach vorne dribbelten. Aber auch beim gegnerischen Aufbauspiel hatten die beiden eine tragende Rolle inne und erfüllten diese gut.

Hier sieht man die gewohnte hohe horizontale Kompaktheit der Salzburger. Während bei vielen österreichischen Teams oft die erste Pressinglinie nicht genügend Rückedeckung erfährt, sicheren die Salzburger hier durch ihre Staffelung sogar die zweite ab. Durch Leitgebs Aufrücken hat man gegen die ballnahe Anspielstation eine Überzahl, dahinter lauern Berisha und Keita. Entscheidend ist dabei, dass Letzterer nicht zu sehr aufrückt, sodass er im Falle eines langen Balls auch nach hinten pressen kann.

Rapids instabile Dreifachsechs

Dass sich Rapid in der obigen Szene vom Druck der Salzburger nicht lösen konnte und in weiterer Folge das 0:2 kassierte, lag aber auch an den schlechten Positionierungen der drei Sechser. Sie stehen nämlich diagonal in einer Linie, sodass sich Schwab – sollte er den Ball nicht ohnehin sofort verlieren – erst drehen müsste um weiter zu passen. So konnte Rapid die nominelle Überzahl im Zentrum nicht ausspielen. Grundsätzlich war die Idee gegen das Salzburger Pressing nämlich durchaus gut.

Salzburg hat in dieser Szene die drei Sechser an und für sich gut im Griff, kann jeden einzelnen bei Bedarf mit zwei Spielern attackieren. Zudem erkennt man, dass auch die Außenverteidiger hoch stehen um ihre grün-weißen Pendants stellen zu können. Dennoch gelingt es Rapid, sich vom Druck zu lösen und einen potenziell gefährlichen Angriff zu starten. Hofmann ist nämlich von außen zentral zwischen die Linien gegangen und wird dort in weiterer Folge von Robert Beric unterstützt.

Derartige Situationen ergaben sich für die Gastgeber jedoch äußerst selten. Auch aus der ersten Szene hätte sich eine passende Staffelung entwickeln können, Salzburg gab Rapid aber schlicht nicht die Zeit, um sich zu ordnen. Die Bullen pressten nämlich wie gewohnt hoch und zügig, sodass die Sechser nicht schnell genug ihre Positionen einnehmen konnten. So wurde aus der an und für sich guten Grundidee ein instabiles Gerüst, das unter dem Druck des Gegners einbrach.

Kein Zugriff trotz Überzahl im Zentrum

Auch im Spiel gegen den Ball war die Wahl einer 4-3-2-1-Orndung durchaus nachvollziehbar. Der SV Grödig holte beispielsweise damit in der laufenden Saison auch einen Punkt gegen die Bullen. Das primäre Ziel ist naheliegend: Salzburg hat in seinem Spiel einen hohen Fokus auf das Zentrum und will dieses bzw. die Halbräume überladen. Dementsprechend versucht man selbst, den Raum vor der Abwehr zu verdichten. Sturm Graz tat dies beispielsweise mit einem 5-4-1.

Rapid hatte einen anderen Ansatz. Einer der beiden äußeren Mittelfeldspieler orientierte sich an einem gegnerischen Sechser, seine Nebenmänner verschoben geschlossen zum Ball. Zudem rückten die Außenverteidiger ein, um entweder die Flügelspieler zu attackieren oder die Innenverteidiger nicht in eine Gleichzahlsituation mit den Stürmern zu bringen. Vereinzelt gab es zudem Unterstützung von einem der beiden offensiven Mittelfeldspieler. Dadurch sorgte man zwar immer wieder für lokale Überzahlen, bekam aber keinen dauerhaften Zugriff. Nachstehend eine Beispielszene.

Die Salzburger bespielten dies mit Verlagerungen in die freien Räume auf den Seiten. Entweder schoben sie die Wiener von einer Seite auf die andere um dann schnell und diagonal wieder zurückzuspielen – wie beispielsweise beim ersten Tor – oder sich brachen direkt durch. Andererseits hatte Rapid durch die teilweise chaotische Staffelung im Zentrum eine schlechte Ausgangsposition für das Gegenpressing – vor allem dann, wenn der Ball nach außen sprang. So fand sich Mario Pavelic vor dem 0:3 in einer eins-gegen-zwei-Unterzahl und verlor den Ball.

Rapid kehrt zum 4-2-3-1 zurück …

Ein Wendepunkt in diesem Spiel war die umstrittene rote Karte gegen Andreas Ulmer am Ende der ersten Halbzeit. Hütter zog daraufhin Valentino Lazaro nach rechts hinten und Sabitzer spielte am Flügel. Salzburg war aber nach dem Seitenwechsel keinesfalls passiv, sondern presste lediglich erst ab kurz vor Mittellinie in einem 4-2-3 oder 4-1-3-1. Barisic stellte in der Halbzeitpause ebenfalls um und brachte Schobesberger für Wydra. Rapid spielte fortan also wieder in der üblichen 4-2-3-1-Formation und hatte naturgemäß wieder mehr Breite.

… und dreht den Spieß um

Zurück ins Spiel kamen die Hütteldorfer aber aufgrund einer anderen Maßnahme, die wohl auch dem Umstand des Rückstands und der nahezu aussichtslosen Situation geschuldet war. Es wurde nicht mehr geduldig, monoton in die Breite gespielt und auf die Ballsicherheit geachtet, sondern man fokussierte sich auf lange Bälle – wie die Salzburger in der ersten Halbzeit. Gemeinsam mit der weiterhin reaktiven Spielweise der Salzburger ergaben sich dadurch Vorteile.

Hier sieht man einerseits die 4-2-3-Pressingordnung der Salzburger, die horizontal wie gewohnt eng stehen. Erzwungen wird dies jedoch auch von den beiden Sechsern Rapids. Normalerweise kippt einer der beiden weit ab, was oft Probleme mit sich zieht. So wird dies beispielsweise auch dann praktiziert, wenn der Gegner gar keinen Druck auf das Aufbauspiel ausübt, was in einer wirkungslosen Überzahl in der ersten Aufbaulinie und einer Unterzahl weiter vorne mündet.

Dies sah man auch in diesem Spiel das eine oder andere Mal, jedoch wurde es mit Fortdauer immer seltener. Die Sechser standen höher, positionierten sich zwischen Stürmer und Flügelspieler, sodass diese zentral gebunden wurden. Die Außenverteidiger bekamen folglich Platz nach vorne. Unterstützend hinzu kamen die sonst problematisch hohen Positionen der Offensivspieler, die in der obigen Szene sogar teilweise nicht im Bild sind.

Fazit: Spektakulär und auf hohem taktischen Niveau

Die Überzahl in der zweiten Hälfte spielte Rapid zwar ohne Frage in die Karten, dennoch verdient die taktische Kurskorrektur von Barisic Lob. Nicht nur weil er rechtzeitig zurück auf die gewohnte Formation wechselte, sondern vielmehr weil Rapid seinen Spielstil grundlegend veränderte und mit mehr Risiko agierte. Dies betraf nicht nur den vermehrten Einsatz von langen Bällen, sondern auch von Vertikalpässen am Übergang ins Angriffsdrittel. Ein Paradebeispiel dafür war Schwabs Pass vor dem 2:3.

Auf der anderen Seite überrollten die Salzburger ihren Gegner in der ersten Hälfte einmal mehr mit ihrem starken Pressing. Trotz personeller Probleme schaffte es Hütter, die Stärken seines Teams gleichermaßen einzubinden wie auf die Schwächen des Gegners einzugehen. Obwohl Rapid eine Passquote von lediglich 66% hatte und Salzburg sogar nur 56% der Zuspiele an den Mann brachte, war dieses Duell also auch auf taktischer Ebene ein Spitzenspiel. Der dramatische Spielverlauf tat sein Übriges.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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