Spieleranalyse: Darum war Michael Liendl das Um und Auf im Spiel des Wolfsberger AC
Bundesliga 2.Februar.2014 Alexander Semeliker 0
Am letzten Tag der Wintertransferzeit wechselte Michael Liendl vom Wolfsberger AC in die zweite deutsche Bundesliga zu Fortuna Düsseldorf. Der Abgang des 28-Jährigen trifft die Kärntner hart, denn er war das Um und Auf in ihrem Spiel. Die Auswirkungen dieses Wechsels und Lösungsansätze haben wir bereits an anderer Stelle ausgeführt. In diesem Artikel wirft abseits.at einen Blick zurück und erläutert, warum Liendl so wichtig für den WAC war.
Alleine, dass sich der WAC bei diesem Transfer lange querlegte und damit eine Schadenersatzklage in Kauf nahm, zeigt wie wichtig Liendl für die Lavanttaler in den letzten eineinhalb Jahren war. Obwohl im Vertrag des ehemaligen Nachwuchsteamspielers eine Ausstiegsklausel verankert war, wollte ihn sein Verein nicht gehen lassen.
Statistik unterstreicht Ruf als „One-Man Team“
Um den Einfluss von Liendl auf das Spiel des WAC greifbarer zu machen seien zu Beginn ein paar Fakten angeführt. Mit elf Toren und fünf Vorlagen war er im Herbst der fünftbeste Scorer der Liga, wobei berücksichtigt werden muss, dass er im Spitzenfeld dem vermeintlich schlechtesten Klub angehörte. Um den Einfluss auf das Team messbarer zu machen, kann man die Scorerwerte auch in Bezug mit den vom Team insgesamt erzielten Toren bringen.
Dabei erzielt Liendl den höchsten Wert aller Bundesligaspieler, denn er war an exakt der Hälfte aller WAC-Tore direkt beteiligt. Doch der Einfluss eines Spielers lässt sich auch anhand anderer Daten messen. Zum Beispiel anhand der Anteile an Ballkontakten oder der Schussbeteiligungen. In beiden Kategorien (41,7% bzw. 13,1%) führt Liendl die Rangliste an. Bei den Zweikämpfen kommt er hingegen auf niedrigere Werte. Gleich sieben Mitspieler bestreiten pro Spiel mehr Zweikämpfe als der scheidende Spielmacher – ein erster Hinweis auf seine Spielweise.
Scorerpunkte meist über „Cutbacks“ und Standards
Obwohl Liendl verglichen mit seinen Mitspielern mehr individuelle, technische Klasse mitbringt, sind es weniger Einzelaktionen oder Dribblings, mit denen er dem WAC-Spiel Leben einhaucht. Die 16 Scorerpunkte verteilen sich vielmehr auf Abschlüsse nach Kombinationen oder Standardsituationen. Vier seiner elf Saisontore resultieren aus ruhenden Bällen, der Rest in erster Linie aus sogenannten „Cutbacks“, Pässen in den Rückraum der Abwehr, die Liendl dann direkt verwerten kann.
Für die Abwehrspieler sind derartige Aktionen sehr schwer zu verteidigen, da es ein hohes Maß an Antizipationsvermögen braucht. Es ist schwer vorauszusehen, ob und wann ein Angreifer seinen Sprint nach vorne stoppt. Gleichzeitig müssen die Verteidiger auch einen möglichen Querpass auf den zweiten Pfosten abdecken. Diese Fähigkeiten bringen weltweit nur sehr wenige Verteidiger mit, man kann sich daher vorstellen, welchen Vorteil Liendl dadurch in der österreichischen Bundesliga hat.
Noch empfindlicher für den Gegner ist dabei, dass Liendl mit seinem linken Fuß äußerst präzise schießen kann, wenn er genügend Platz bekommt. Das erklärt bzw. sieht man auch bei seinen Standardsituationen. Besonders für ein Team wie den WAC, der im Allgemeinen als Außenseiter in eine Partie geht, ist dies von großer Bedeutung, da dabei der Unterschied in der individuellen Klasse minimiert wird. Außerdem kann Liendl Tore mit Freistößen und Eckbällen nicht nur direkt vorbereiten, sondern nach deren Weiterleitung auch zahlreiche Assist-Assists verbuchen.
Erstklassiges und variables Verbindungsspiel
Wichtiger für das allgemeine Offensivspiel seines Teams und aus taktischer Sicht interessanter sind Liendls Fähigkeiten im Verbindungsspiel. Er kommt im Allgemeinen im zentralen offensiven Mittelfeld, meist als Zehner in einer 4-2-3-1-Grundordnung, zum Zug und ist dadurch permanent am Spiel seiner Mannschaft beteiligt. Seine Aufgabe besteht primär darin, das Spiel zu beschleunigen, was er mit seinem präzisen Passspiel äußert gut beherrscht. Besonders seit Dietmar Kühbauer das Traineramt im Lavanttal übernommen hat, kann Liendl dort seine Stärke ausspielen.
Die Philosophie des Burgenländers baut beim WAC, wie schon zuletzt bei der Admira, auf dem Umschaltspiel auf. Mit Liendl als Zentrumspieler verfügt er dabei über jemanden, der präzise Steilpässe durch die Schnittstellen des im Allgemeinen ungeordneten Gegners spielen kann. Zugute kommt Wolfsbergs Nummer zehn dabei fraglos seine technische Klasse und Pressingresistenz. Ein Paradebeispiel für dieses Verhalten ist etwa das 1:1 in der 12.Runde gegen den SC Wiener Neustadt.
Neben diesen Vertikalpässen kann Liendl das Spiel aber auch mit horizontalen Pässen lenken und beschleunigen. Dabei ist insbesondere sein Zusammenspiel den Spielern auf der rechten Außenbahn hervorzuheben. Mit Manuel Kerhe und Joachim Standfest hat der WAC dort zwei Spieler, die geradlinig agieren und gerne flanken. Auch über diese Abläufe konnte Liendl in der laufenden Spielzeit den einen oder anderen Assist-Assist verbuchen, beispielsweise gegen Wacker Innsbruck.
Mängel im defensiven Antizipationsspiel
So sehr Liendl im zweiten Drittel im Offensivspiel brilliert, so sehr hat er dort im Spiel gegen den Ball seine Probleme. Hier wirkt er phasenweise etwas teilnahmslos und zu wenig engagiert. Er verschiebt nicht konsequent, lässt ballferne Räume offen, in die der Gegner kombinieren und Tempo aufnehmen kann. Erst wenn es wirklich brenzlig wird, greift er aktiv in die Situation ein. Man sah das zum Beispiel am vierten Spieltag beim 1:1 gegen Wacker Innsbruck.
Es ist dies auch der Hauptgrund dafür, dass Liendl als Teil einer Doppelsechs in einer 4-4-2-Grundformation nicht die perfekte Besetzung ist. Aufgrund der zentralen Position ist es äußerst wichtig, ständig in Bereitschaft zu sein, um den Gegner entlang der Zentralachse das Leben so schwer wie möglich zu machen. Es ist aber nicht nur der offenbar fehlende Einsatz, der Liendl defensiv als Schwäche auszulegen ist. Seine Antizipation ist nämlich meist zu offensiv ausgelegt, weshalb er zuweilen am falschen Fuß erwischt wird und einfach umspielt werden kann.
Im Angriffspressing ist er hingegen effektiver, da dort die Möglichkeit auf eine direkte Torchance greifbarer ist. Ein gutes Beispiel dafür ist das 1:0 gegen Wacker Innsbruck am 13. Spieltag, als Liendl gut rückwärtspresste und anschließend mit einem Steilpass das Tor einleitete. Auch im Abwehrpressing wirkt sein Auftreten aufmerksamer, sodass er die eine oder andere brenzlige Szene im eigenen Strafraum klären konnte.
Das erwartet Liendl in Düsseldorf
In Düsseldorf wird Liendl auf einen vollkommen neue Welt stoßen, sowohl was die Umgebung als auch die sportlichen Aspekte anbelangt. Am interessantesten wird dabei sein, wie er mir der neuen Aufgabe zurechtkommen wird. Sowohl beim WAC als auch während seiner Zeit in Kapfenberg war der gebürtige Grazer die wichtigste Stütze seines Teams. Mit dem Wechsel zur Fortuna wird sich das wohl ändern und ist daher mit seiner Austria-Ära vergleichbarer. Drei Jahre war Liendl in Wien-Favoriten, war dabei aber eher Ergänzungsspieler.
Nach dem Bundesliga-Abstieg lieferte Fortuna Düsseldorf eine höchst turbulente Herbstsaison ab, befand sich zwischendurch gefährlich nahe an den Abstiegsrängen. Aktuell rangieren sie im dichten, breiten Mittelfeld auf Platz zehn, sechs Punkte hinter dem dritten Platz, der für die Aufstiegsrelegation berechtigt, vier vor einem Abstiegsrang. Mit Lorenz-Günther Köstner wird im Frühjahr zudem ein neuer Trainer auf der Bank sitzen. Betrachtet man die Probleme, die es im Herbst gab, ist Liendl eine nachvollziehbare Verstärkung.
Im Spiel der Fortuna fehlte oft die Struktur. Sommerneuzugang Levan Kenia, der dafür in erster Linie zuständig gewesen wäre, enttäuschte und ÖFB-Legionär Christian Gartner, der aus ähnlichen Gründen geholt wurde, konnte sich erst kurz vor der Winterpause etablieren. Ansonsten besteht das zentrale Mittelfeld aus Spielern, die weniger mit technischen Fertigkeiten überzeugen als mit ihrer Physis. Insofern darf man dem Transfer von Liendl durchaus positiv gegenüberstehen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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