Der SK Rapid Wien kann weiterhin nicht gegen den SV Grödig gewinnen. Beim dritten Aufeinandertreffen dieser beiden Teams am Samstagabend war Rapid statistisch betrachtet... Wenn die Architekten fehlen: 0:0 gegen Grödig oder warum Hofmann und Boskovic sehr wichtig für Rapid sind

Branko Boskovic (SK Rapid Wien)Der SK Rapid Wien kann weiterhin nicht gegen den SV Grödig gewinnen. Beim dritten Aufeinandertreffen dieser beiden Teams am Samstagabend war Rapid statistisch betrachtet in allen Belangen die bessere Mannschaft, hatte mehr Ballbesitz, mehr Torschüsse, mehr Ecken und Flanken. Doch die Zuschauer sahen nur ein torloses Remis.

Zoran Barisic lobte seine junge Mannschaft nach dem Spiel und machte die fehlende Effizienz für das erfolglose Spiel verantwortlich. Klar, das Durchschnittsalter der Rapid-Feldspieler war mit 22,8 Jahren sehr niedrig und man kann von einer derart jungen Mannschaft keine durchwegs gefestigte Leistung erwarten. Jedoch machte Grün-Weiß einige schwerwiegende taktische und auch individuelle Fehler und kann ein markantes Problem in der Kaderstruktur nach diesem Spiel nicht verleugnen.

Anfangs gut über rechts

Grödig spielte ein aggressives Pressing und platzierte sich sehr gut als Block, wodurch Rapid in zahlreichen Szenen im Spielaufbau sehr wenig Platz vorfand. Während in der ersten Halbzeit noch einige Torchancen über gute, wenn auch einfache Kombinationen auf der rechten Angriffsseite herausgearbeitet wurden, entstanden die Torchancen in der zweiten Halbzeit eher durch Zufälle, Querschläger oder Abpraller. Rapid war bemüht viel für die Offensive zu tun und feuerte 26 Schüsse auf das Tor der Grödiger – auf den Kasten von Cican Stankovic kamen davon aber nur sechs.

Außenverteidiger zu tief

Eine Sache, die Rapid verabsäumte und die für die Herausarbeitung von mehr klaren Torchancen wichtig gewesen wäre, war das mannschaftlich geschlossene Pressing, wie es eben Grödig vormachte. Die Außenverteidiger Trimmel und Schrammel standen über weite Strecken des Spiels viel zu tief und verloren phasenweise über lange Zeit die Bindung zu ihren Vorderleuten. Sie hinterliefen zu selten bzw. zu langsam, wirkten auch im Kopf nicht immer frisch und schienen eher Angst vor dem schnellen Umschalten der guten Kontermannschaft aus Salzburg zu haben. Überraschenderweise traf dies sogar eher auf den offensivfreudigen Trimmel, als auf Schrammel zu.

Boyd und das „flüssige Antizipieren“

Zudem ist Terrence Boyd als Speerspitze gegen eine defensiv kompakte Mannschaft wie Grödig, die versucht ihre Viererkette auch während des Spielaufbaus des Gegners weit nach vorne zu schieben, ungeeignet. Dies ist seinen technischen Schwächen und den zahlreichen, damit einhergehenden individuellen Fehlern geschuldet. Boyd hat große Probleme in der Ballweiterverarbeitung und ist kein Stürmer, der schon vor der Ballannahme einen 360-Grad-Überblick über das Geschehen rund um ihn hat. Eben weil Boyd zahlreiche Bälle nicht präzise genug weiterverarbeitet, kann er im Anschluss an diese kurzen Aktionen nicht die richtigen Meter in die direkte Gefahrenzone zurücklegen, sondern muss zumeist abbremsen und neu antizipieren – eben weil seine Ballweiterverarbeitungen das Spiel der Mannschaft bremsen.

„Gefühlt einer weniger“

Nachdem Deni Alar als hängende Spitze bzw. Zehner eingewechselt wurde, wurde das Offensivspiel Rapids etwas strukturierter, weil sich Boyd guten Gewissens in seinem natürlichen Habitat, dem Strafraum, aufhalten konnte. Das Antizipationsspiel übernahm über weite Strecken Alar und Boyd wurde dadurch technisch ein wenig entlastet. Dass der US-Amerikaner kurz vor Schluss den Sitzer zum 1:0 ausließ, ist zwar Pech, passt aber in das insgesamt „patscherte“ Bild des athletischen Stürmers. Natürlich hat Boyd seine Qualitäten und 30 Pflichtspieltore für Rapid in 1 ½ Jahren sprechen eine deutliche Sprache, allerdings spielt Rapid gegen bestimmte Gegner im Aufbau- bzw. offensiven Kombinationsspiel gefühlt mit einem Mann weniger, wenn Boyd auf dem Platz steht. Ein ähnliches Problem hatte Rapid einst mit dem ebenfalls treffsicheren Hamdi Salihi, der jedoch weniger physische Stärke als Boyd mitbrachte.

Das Fehlen der Mittelfeldarchitekten

Das größte Problem Rapids war aber das Fehlen von Nadelspielern im Mittelfeld, die sich nach vorne orientieren, das Spiel verlagern und für kreative Momente sorgen können. Louis Schaub versuchte dies gegen Grödig immer wieder, blieb aber glücklos. Thanos Petsos hatte alle Hände voll zu tun, seine Rolle als etatmäßiger Sechser auszuüben und konnte dadurch kaum spielerische Akzente sitzen. Der Deutsch-Grieche wies eine negative Zweikampfbilanz und eine (angesichts der Dominanz Rapids) eher durchschnittliche Passquote von 78,8% auf.

Wydra zu leichtfüßig und mutlos

Etwas bessere Passwerte und etwas schlechtere Zweikampfwerte als Petsos hatte Dominik Wydra. Der 19-Jährige muss in naher Zukunft einen merklichen Schritt nach vorne machen, um sein Talent nicht zu vergeuden. Allerdings nützte Wydra auch gegen Grödig seine großen Anlagen nicht aus, spielte nicht mutig genug und bremste sich selbst mit seiner leichtfüßigen Spielweise bzw. aufrechter Körperhaltung. Wydra fehlt es nicht nur an Dynamik, sondern auch am Mut zum Risiko, wenn es darum geht das Spiel zu verlagern oder zu gestalten. Der junge Mittelfeldspieler spielt weiterhin eher den einfachen Pass und macht das Spiel dadurch eng – obwohl er aufgrund seiner technischen Fähigkeiten und seiner Übersicht für etwas komplexere Spielzüge prädestiniert wäre.

Zu wenig Ordnung und Weitblick, weil die Routiniers fehlten

Bei Rapid machten sich demnach vor allem die Ausfälle von Boskovic und Hofmann bemerkbar. Auch wenn die beiden Oldies – die einzigen im Team – immer wieder gescholten werden und ihnen nachgesagt wird, dass ihre Zeit vorbei ist, sind sie weiterhin enorm wichtig für den SK Rapid. Hofmann macht zwar mehr Fehler als in seinen besten Zeiten, verleiht Rapid dennoch Überraschungsmomente. Boskovic, der gerne als Schönwetterfußballer verschmäht wird, ist einer der passsichersten Spieler der Liga und beherrscht Spielverlagerungen und das präzise Wechseln des aktiven Flügels wie kein anderer im Team. Wenn beide Routiniers fehlen, vermisst man im Spiel Rapids die Ordnung – speziell im Mittelfeld. Wenn die jüngeren Kicker gleichzeitig nicht ihre vollen dynamischen Fähigkeiten ausspielen, wie in den vorherigen Beispielen beschrieben, ist es sehr schwer ein Spiel zu gewinnen.

Grün hinter den Ohren

Zurück zum Stichwort Kaderstruktur: Der Jugendwahn bei Rapid wird fortgeführt, was als positiv zu bewerten ist. Diese Idee des Trainerteams harmoniert auch mit einer uralten Vereinsphilosophie, die etwa vor der Ära Pacult für lange Jahre in Vergessenheit geraten schien. Aber nur mit Jungen geht’s nicht und die Rapid-Spieler im besten Fußballeralter (Burgstaller, Trimmel, Schrammel, Sonnleitner) haben zwar ihre Vorzüge, sind aber alles andere als Architekten. Im Sommer wird es bei Rapid keinen Umbruch geben, Sportvorstand Andreas Müller wird eher punktuell reagieren. Aber bei aller Liebe zur Jugend darf man in Hütteldorf nicht davor zurückschrecken auch wieder den einen oder anderen Routinier mit Spielverständnis zu holen, auch wenn der Boskovic-Transfer im Jänner letzten Jahres nicht jeden Fan glücklich machte. Barisic holte gegen Grödig alles aus seiner Mannschaft heraus, was möglich war – aber wenn die einzigen beiden Takt- und Strukturgeber gesperrt sind, ist es sehr schwer gegen eine clevere Mannschaft wie Grödig zu bestehen.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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