Hier prämieren wir die schlagfertigsten und  einfallsreichsten Sager von Kickern, die nicht nur auf dem Platz sondern auch verbal Spielwitz zeigten. Sprüche à la... Der “Willi-”Ente”-Lippens-Preis” oder “Frechheit siegt” (5) – Max Merkel

Wien LandeswappenHier prämieren wir die schlagfertigsten und  einfallsreichsten Sager von Kickern, die nicht nur auf dem Platz sondern auch verbal Spielwitz zeigten. Sprüche à la „Der FC Tirol hat eine Obduktion auf mich.“ oder „Wir dürfen nicht den Sand in den Kopf stecken.“ bleiben außer Konkurrenz. In unserer achtteiligen Serie stellen wir euch Herren vor, die auch als Satiriker gute Figur gemacht hätten. Prickelnde Spitzzüngigkeiten haben schließlich immer Saison.

Wer hat sich „Ente“ Lippens zum Vorbild genommen? Der „Urvater“ der ballesterischen Schmähbruder schleuderte dem Schiedsrichter einst auf dessen Drohung: „Ich verwarne Ihnen“ ein geistreiches „Ich danke Sie“ entgegen. Lippens flog daraufhin vom Platz, aber auch direkt in die Geschichtsbücher der kecksten Fußballeraussprüche. Viele andere folgten. Nachstehende Herren lieferten mitunter das Beste, das die deutschsprachige Kickerwelt je gehört hat…

Teil 5 unserer Serie behandelt ….

Max Merkel – Der Mann, der dem „merkeln“ seinen Namen gab

Hans Moser hat mit dem Zeitwort „mosern“ nichts zu tun. Letzteres lässt sich vom jiddischen bzw. rotwelschen gleichbedeutenden „mossern“ ableiten und bedeutet „klagen“ oder „jammern“. Das, für den Stereotyp des Ur-Wieners charakteristisch misanthropische, aber auch liebenswürdige „Alles Scheiße, alles Oasch“– Raunzen würde gut zu den von Hans Moser dargestellten Figuren passen. Der Volksschauspieler verkörperte mit seiner kauzigen Art und nuschelnden Sprechweise bevorzugt lebensnahe Typen wie Dienstmänner, Fiaker, Betrunkene oder Kellner. Max Merkel, ebenfalls ein waschechter Wiener – obwohl oder gerade weil er für Deutschland ein Länderspiel bestritt –  war zwar hauptberuflich Fußballer und anschließend Fußballtrainer, wurde aber ebenso wie Hans Moser zu einem Original. Obwohl sein Aufgabenbereich eher nicht in der rhetorischen oder dialektischen Abteilung lag, schaffte er es seinen Nachnamen zum „Merkeln“ zu verballhornen. Jenes „Merkeln“ wurde zum Synonym für poltern, kritisieren und angreifen.

Das Handwerk selbst beherrschte der Meister persönlich am Besten. In den 80ern „zerpflückte“ er nach der „Merkel-Methode“ Trainer, Spieler und Funktionäre in seiner Kolumne „Max merkelt wieder“. Nicht selten agierte der ehemalige Verteidiger dabei verletzend und polemisch.

Wiener Blut

Geboren wurde der „Maulheld“ am 7. Dezember 1918 in Wien. Seinen Geburtstag teilt sich die Kickerlegende mit dem bekannten Volksdichter Johann Nestroy – ebenfalls ein „Weaner Bazi“. Der Biedermeier-Komödiant und Stückeschreiber erblickte 117 Jahre früher als Merkel das Licht der Welt.

Nestroy selbst ein „Sprachspieler“, war auch kein Kind von Traurigkeit und scheute sich nicht die Gesellschaft durch den Kakao zu ziehen. Wie Merkel wurde auch das „Allround-Genie“ (Sänger,  Schauspieler, Bühnenautor) hin und wieder persönlich: So musste der Schriftsteller fünf Tage im Arrest verbringen, weil er in einem seiner Stücke den Theaterkritiker Franz Wiest mit den Worten: „An dem Tisch wird Whist gespielt – ’s is merkwürdig, dass das geistreiche in England erfundene Spiel den gleichen Namen mit dem dümmsten Menschen von Wien hat!“ beleidigt hatte.

Schwedische Gardinen blieben Max Merkel rund 150 Jahre später erspart, obwohl er Christoph Daum (Daum ernährt sich fast ausschließlich von Makkaroni – weil er so beim Essen ungestört durch die Löcher weiterreden kann.“) oder Mario Basler (Basler ist die teuerste Parkuhr der Welt. Er steht rum – und die Bayern stopfen das Geld rein.“) und viele mehr auf ebenso intensive, wenn nicht intensivere Art, verbal „liebkoste“.

Merkel war der Sohn eines deutschen Offiziers und einer Wienerin. Ein Zeitungsinserat brachte den Burschen im Jahre 1933 zu Rapid Wien, er absolvierte ein Probetraining und wurde engagiert. Sein Wunsch Stürmer zu werden, erfüllte sich bei den Hütteldorfern jedoch nicht. Merkel wurde als Verteidiger eingesetzt und debütierte vier Jahre später in der Kampfmannschaft. Danach ergab sich für ihn keine reale Chance auf einen Stammplatz und so wechselte er zum Wiener Sportclub. Leider trat der Fußball in jenen Jahren als der zweite Weltkrieg begann, aber sowieso in den Hintergrund. Auch Merkel musste sein Fußballtrikot gegen den Landser-Dress eintauschen. Zeitweise spielte er noch beim LSV Markersdorf an der Pielach, während er auf dem nahegelegenen Luftwaffenstützpunkt seinen Dienst versah. Im Krieg verlor Merkel seinen Vater, der als Soldat bei Stalingrad fiel. Nach einem erneuten kurzen Intermezzo beim Wr. Sportclub, kehrte der Wiener nach dem Krieg zurück nach Hütteldorf. 145 Spiele und neun Jahre später beendete er seine erfolgreiche Karriere bei den Grün-Weißen. Merkel, der nebenbei Maschinenbau studiert hatte, konnte mit seinem Stammverein vier Meistertitel erringen. Das wohl schönste Tor seiner sieben erzielten Treffer, schoss er in seinem Abschiedspiel: Einen Eckball zirkelt der Abwehrspieler, der eher als Raubein bekannt war, direkt ins Goal. Danach wechselte Merkel auf die Trainerbank und verdiente sich erste Sporen in Holland.

Einen Jux will er sich machen

Seine schroffe Art und seine markanten Sprüche bescherten Merkel bald breite mediale Aufmerksamkeit, als er nach Trainerstationen in den Niederlanden und bei Rapid Wien 1958 in Dortmund anheuerte.

„Die wissen nicht einmal, dass im Ball Luft ist. Die glauben doch, der springt, weil ein Frosch drin ist.“, so schätzte er das Fachwissen deutscher Fußballfunktionäre ein. Bei 1860 München gewährte der Vorläufer des Magathschen Trainertypus Einblicke in seinen Alltag: „Im Training habe ich mal die Alkoholiker meiner Mannschaft gegen die Anti-Alkoholiker spielen lassen. Die Alkoholiker gewannen 7:1. Da habe ich gesagt: Sauft’s weiter!“ In Wahrheit war Merkel als Übungsleiter gefürchtet. „Zuckerbrot und Peitsche“ „taufte“ er selbst sein Konzept, „Spieler vertragen kein Lob und müssen täglich die Peitsche im Nacken spüren.“, war eines seiner Leitmotive. Doch der ehemalige Verteidiger blieb lebensnah und meinte einmal, in Anlehnung an seinen „Sauft’s weiter!“-Sager, dass er einen Spieler, der regelmäßig zum Heurigen gehe und gut spiele, einem Milchtrinker, der „einen Topf’n zamspielt“, vorziehen würde.

Merkel war sich recht bald bewusst: „Keiner mag mich – und alle wollen mich.“ Denn der Erfolg gab dem gebürtigen Wiener Recht: 1966 wurde er mit den „Löwen“ Meister und Pokalsieger, zwei Jahre später holte er mit dem 1. FC Nürnberg ebenfalls die Schale. Kurioserweise stiegen die Mittelfranken in der Folgesaison ab,  ihr streitbarer Trainer hatte das sinkende Schiff schon im März gen Spanien verlassen.

Sowohl in Dortmund, als auch in München und Nürnberg leistete Merkel tolle Arbeit: Er übernahm schwache Mannschaften, päppelte sie auf und führte sie in himmlische Höhen. Die „Schwarz-Gelben“ mussten sich erst im Endspiel um die deutsche Meisterschaft geschlagen geben, die „60er“ führte Merkel über den Gewinn der (letzten) süddeutsche Meisterschaft in die Bundesliga und auch in Nürnberg übernahm er einen Verein, der durchschnittlich nur 13 000 Zuschauer anzog und auf dem vierzehnten Tabellenplatz stand. Doch das Merkel’sche Glück war stets nur von kurzer Dauer. Der Trainer überwarf sich nach einer durchschnittlichen Halbwertszeit von 1 ½ Saisonen mit seiner Mannschaft. Vielleicht war es auch sein radikales Konzept (Alte Stars raus, neue, hungrige Spieler rein!) mit dem kein dauerhafter Erfolg zu erzielen war. „Fußballspieler sind Artisten und müssen sich quälen können.“, meinte Merkel und legte viel Wert auf körperliche Arbeit. Für die Vereine war ein Merkel-Engagement ein wirtschaftlicher Erfolg und auch er selbst kassierte beim 1860 München mehr als der damalige deutsche Bundeskanzler. „Geld ist die beste Psychologie.“, wusste der Wiener und gründete sein oben schon erwähntes „Zuckerbrot und Peitsche“- Konzept auf gestaffelte Prämienauszahlungen. Obwohl er bei taktischen Vorbesprechungen stark auf die Mannschaft einging und den Kickern viel Freiheit ließ, überwarf er sich bei all seinen Stationen über kurz oder lang mit „seinen“ Burschen. Die Kicker der Münchner Löwen wählten ihn beispielsweise ab.

Ein Herz und eine Seele ?

Ein klassischer „Grantler“ wie Ernst Happel war Merkel nicht ganz. Er würzte seine Aussagen mit viel Sarkasmus und legte auch sein Wiener Idiom nie ab. Gut für ihn, den viele seiner pointierten Aussagen hätte man auf Hochdeutsch als Beleidigungen auslegen können. Geflötet und mit weicher, österreichischer Färbung blieb Merkel nur ein Querkopf „mit großer Schnauze“, wie der Preuße sagen würde. Happel war ein anderes Kaliber. Auch er war als „sturer Hund“ verschrien und legte sich gerne mit Journalisten an. „Aschyl“ war aber nicht so eloquent wie Merkel, sondern schien Gefechte mit Medienvertretern, Spielern und Funktionären bitterernst zu nehmen. Über seinen „Intimfeind“ Merkel ließ er 1982 verlautbaren: „Wir kennen alle unseren „langen Max“, wir müssen den nicht so tierisch ernst nehmen!“

Dabei bildeten die beiden einst ein kongeniales Innenverteidigerduo. „Der Ernst war das Genie, ich der Roboter“, gab „der lange Max“ ehrfurchtsvoll zu Protokoll. Happel zauberte und der körperlich robustere Merkel räumte eisenhart alles aus dem Weg. Ihre fußballerischen Eigenschaften ergänzten sich perfekt, doch ihre ähnlichen Persönlichkeiten führten dazu, dass sie sich abstießen wie zwei gleichpolige Magneten. Immer wieder gerieten sich Max und Ernst in die Haare. Bei einem Spiel der Grün-Weißen in Paris räumten sie nach einem heftigen Streit beide zeitgleich das Feld. Während Happel eine erfolgreiche Länderspielkarriere (51 Spiele/5 Tore) erlebte, absolvierte sein Kontrahent zwei Länderspiele für zwei verschiedene „Nationalmannschaften“: 1939 lief er einmal für „Großdeutschland“ auf, 1952 debütierte er für Österreich beim Länderspiel gegen die Schweiz.

Obwohl sie als Spieler vier Mal zusammen Meister wurden und 1957 mit Merkel als Sektionsleiter, Robert Körner als Trainer und Happel als Abwehrchef den Titel einfuhren, blieb ihre Beziehung voller Spannungen. Merkel bezeichnete seinen früheren Mitspieler sogar als „Beethoven in der Endphase“, lange bevor Happel an einer Lungenkrebserkrankung starb.

1969 heuerte der merkelnde Max in Spanien an, obwohl er bald wusste: „In Spanien gibt’s für eine Niederlage drei Gründe: Entweder war der Wind zu stark oder die Sonne zu heiß – oder die gestifteten Kerzen in der Kirche waren zu kurz.“ Nach dem FC Sevilla, trainierte er Atletico Madrid und konnte mit den Madrilenen Pokal, Meisterschaft und Ligapokal holen. Sein Engagement fand ein typisches „Merkel-Ende“: Er wurde noch am Tag des Titelgewinnes entlassen. Angeblich hätte er die Lorbeeren für die Triumphe alleine eingesteckt. „Spanien ist ja ganz schön, aber da sind so viele Spanier da.“, fasste das Lästermaul seine vier Jahre auf der iberischen Halbinsel zusammen. Nach einem kurzen Engagement wieder bei den Münchner Löwen, sollte der Wiener Schalke 04 aus der Krise führen. Eine wahre „Liebesheirat“ war die Verpflichtung der Hütteldorfer Spielerlegende für die „Königsblauen“ aber nicht. Max Merkel wäre nicht Max Merkel gewesen, wenn er dies nicht auch verbal kundgetan hätte: „Das Schönste an Gelsenkirchen war schon immer die Autobahn nach München.“ Zumindest in die Nähe von München führte ihn sein Engagement bei Augsburg. Danach wurde aus Merkel, ein Bayern-Trainer, der kein einziges Training leitete und kein einziges Spiel auf der Bank coachte.

Das Notwendige und das Überflüssige

Der damalige Bayern-Präsident Neudecker hatte seinen Spielern, unter denen Stars wie Breitner, Maier und Rummenigge waren, 1979 in die Hand versprochen, dass Trainer Pal Csernai bei einer bestimmten erreichten Punkteanzahl bleiben durfte. Hinter deren Rücken verpflichtete er aber dann doch „Peitschenknaller“ Merkel. Die Spieler drohten daraufhin mit Streik. Neudecker trat angesichts der geplanten Arbeitsniederlegung zurück, Merkel, der das „Bauerntheater“ wohl so erwartet hatte, war Montagmorgen erst gar nicht zum Training erschienen. Die eingegangenen Verpflichtungen aus dem Zwei-Jahres-Vertrag erfüllten die „Roten“ dem Wiener gegenüber aber ohne Murren.

Kurz vor der WM 1978 war Merkel auch kurz für den ÖFB tätig. Doch was er von dem Verband hielt, war wieder einmal typisch: „Das einzige, was beim ÖFB funktioniert, ist die Mittagspause.“ Den Nationaltorwart Friedl Koncilia „kritisierte“ er auch unverhohlen: „Der sollte von der Innsbrucker Universität ausgestellt werden. Einen Menschen mit so wenig Hirn gibt‘s ja net.“

Ein Kurzengagement beim FC Zürich 1983 wurde die letzte Trainerstation für den Vater eines Sohnes und einer Tochter (nicht Angela!). Als er sich dort in gewohnter Manier äußerte („Die hätten statt mir auch einen Medizinmann aus Afrika engagieren können.“), wurde er ein letztes Mal entlassen.

„Ich will nimmer länger daneben sitzen und warten, ob so ein Trottel den Ball trifft oder nicht.“, begründete er seinen Abschied vom Trainergeschäft und zog sich in sein Haus in Putzbrunn bei München zurück. Max „merkelte“ fortan via Zeitung. Beim bekanntesten deutschen Boulevard-Blatt sorgte er mit seinen Saisonvorschauen für allgemeine Heiterkeit. Vielen war bald klar, dass es weniger um Fußball als um Unterhaltung ging.  Tatkräftig unterstützt wurde Merkel von Bernd Stubmann. Böse Zungen behaupten sogar, der Redakteur hätte die Rubrik weitgehend selbstgestaltet.

Die Welt dreht sich verkehrt

Ob Stubmann oder Merkel, bald hatte der Autor der Kolumne seine unverwechselbare „Pranke“ gefunden und schoss in alle Richtungen. „Das Intelligenteste am Bruno ist sein Weisheits-Zahn.“ musste sich Bruno Labbadia anhören. „Ich fürchte, der Vogel denkt nur von der Tapete bis zur Wand.“ widmete Merkel (oder Stubmann) Marcelinho. Auch Otto Rehhagel wurde nur bedingte Weiterentwicklung zugestanden: „Früher hatte er Mühe, Omelett von Hamlet zu unterscheiden.“ Bis in die 2000er-Jahre tobte sich Merkel aus, seine Spitzzüngigkeiten verflachten aber zusehends. Schließlich führte die Modernisierung des Fußballes dazu, dass Beleidigte immer öfter mit dem Anwalt drohten. Amerikanische Zustände (Verklag‘ mich doch!) erreichten die deutsche Bundesliga und Merkels „belle époque“ war vorbei. Dabei hatte er sich nebenbei auch an Büchern versucht. Schon 1968 veröffentlichte der Wiener sein erstes Werk, fünf weiter folgten. Inhalt: Merkels „Merkeleien“.

In seinen letzten Lebensjahren lebte Merkel zurückgezogen in Putzbrunn. Er verstarb im November 2006 nur neun Tage vor seinem 88. Geburtstag. Es trat aber wohl nicht ein, was man in Wien „Maulhelden“ seines Kalibers droht: „Wenn du einmal stirbst, muss man dein Mundwerk extra erschlagen!“

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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