Am Samstag empfängt das österreichische Nationalteam im Rahmen der Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich die Auswahl aus Russland – eine richtungsweisende Partie.... Einfache Abläufe im Aufbau, beim Pressing anfällig im Zentrum: Das ist die Spielweise des russischen Nationalteams

Russland - FlaggeAm Samstag empfängt das österreichische Nationalteam im Rahmen der Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich die Auswahl aus Russland – eine richtungsweisende Partie. Die Russen stehen nach einem 1:1 gegen Moldawien etwas unter Druck, könnten aber mit einem Sieg in Wien den Druck in Richtung Österreich verschieben.

Nachdem wir im letzten Artikel den Kader des russischen Nationalteams genau vorgestellt haben, wollen wir uns in diesem Artikel mit der Spielweise beschäftigen. Ein besonderes Augenmerk sei dabei auf die Abläufe im Aufbau und im Pressing sowie möglicher Schwachstellten gelegt.

Aufstellungen in den bisherigen EM-Qualifikationsspielen

Nachdem das russische Team bei der Europameisterschaft 2012 in Vorrunde ausschied übernahm Fabio Capello das Traineramt von Dick Advocaat. Der Italiener ließ sein Team zunächst in einer 4-3-3-Grundformation spielen, die er mehr oder weniger bis zur Weltmeisterschaft in Brasilien beibehielt. Dort wurde die Ordnung dann zunächst eher als 4-1-4-1 interpretiert, bevor für das letzte Gruppenspiel gegen Algerien auf ein 4-2-3-1 umgestellt wurde. Auch in den bisherigen drei EM-Qualifikationsspielen wechselte Capello viel.

Beim 4:0-Auftaktsieg gegen Liechtenstein spielten die Russen in einem nominellen 4-4-2 mit einer klaren Aufgabentrennung im zentralen Mittelfeld. Denis Glushakov hatte die defensivere Rolle inne und war vor allem für die Absicherung zuständig, während Alan Dzagoev vor allem in Ballbesitz höher spielte. Davor gab es mit Aleksandr Kokorin und Aleksandr Kerzhakov eine bewegliche Doppelspitze.

Im Auswärtsspiel gegen Schweden traten sie in einer 4-2-3-1-Grundordnung an, wobei es einige personelle Wechsel gab. Viktor Fayzulin ersetzte den defensiv anfälligen Dzagoev, am linken Flügel kam Oleg Shatov neu ins Team und im Sturm spielte Artem Dzyuba. Kokorin agierte folglich tiefer.

Beim 1:1 im letzten Spiel gegen Moldawien rotierte Capello erneut, sodass nur Torhüter Igor Akinfeev, die beiden Innenverteidiger und Glushakov auf der Sechserposition in jeder Partie zum Anpfiff am Feld standen. Wie schon zum Quali-Auftakt spielte Dzagoev im zentralen Mittelfeld, allerdings weniger als Achter sondern mehr als Zehner. Davor gab es eine klare Staffelung zwischen den beiden Stürmern. Die Grundformation ist also als 4-1-3-2 bzw. 4-1-3-1-1 aufzufassen.

Das Zusammenspiel der Angreifer

Aufgrund der dargelegten Rotationsfreude von Capello ist es recht schwer eine seriöse Prognose für die russische Startaufstellung in Wien zu geben. Die Grundordnung wird dabei vor allem von der Wahl der Angriffspositionen abhängen. Kerzhakov und Kokorin sind zwei bewegliche und technisch beschlagene Angreifer, die immer wieder Räume für Mitspieler freiziehen. Insbesondere der aufrückende Achter profitiert davon. Stehen die beiden gemeinsam am Feld, wird der zentrale Defensivblock des ÖFB-Teams immer wieder vor der Aufgabe stehen, die richtigen Zuordnungen zu finden.

Aber auch Dzyuba kann die Abwehr als Prellbock beschäftigen. Er bewegt sich einerseits für seine Statur oft auf die Seiten und sorgt mit seiner körperlichen Präsenz in hohen Zonen dafür, dass die Innenverteidiger hinten gebunden werden, wandelt oft an der Abseitslinie. Dieses „passive Raumöffnen“ im Verbund mit einem beweglichen Neben- bzw. Hintermann erfordert ebenfalls eine gute Abstimmung innerhalb der gegnerischen Defensive.

Hier sieht man ein Beispiel aus dem Spiel gegen Moldawien. Dzagoev orientiert sich in die Tiefe, öffnet damit den Passweg für den Ballführenden ins Zentrum. Kerzhakov lässt sich dorthin zurückfallen und wird dabei aber nicht vom Innenverteidiger verfolgt, weil dessen Nebenmann dadurch in eine eins-gegen-eins-Situation gegen den kopfballstarken Dzyuba kommen würde.

Früher Fokus auf die Außenbahnen

Im obigen Bild erkennt man im Ansatz auch eine weitere Charakteristik im Ballbesitzspiel des russischen Teams: es spielt sehr früh auf die Seiten. Das ist eine Vorgehensweise, die im modernen Fußball mittlerweile eher unüblich ist, da man auf der Außenbahn aufgrund der Spielfeldbegrenzung eingeschränkt ist und dadurch im Allgemeinen leicht zu pressen ist. Erst am Übergang ins Angriffsdrittel, wie in der obigen Szene, suchen die Russen wieder den Weg ins Zentrum. Andererseits ist diese Variante aufgrund der offensivstarken Außenverteidiger eine durchaus nachvollziehbare Variante. Ermöglicht wird ihr Aufrücken in erster Linie durch die Bewegungen der Flügelspieler.

Hier rückt der linke Flügelspieler, Shatov, sehr weit diagonal ein und zieht dadurch seinen Gegenspieler mit ins Zentrum. Warum dieser mitgeht ist aus dem obigen ebenfalls ersichtlich. Würde er diesen Weg nicht machen, hätten die Russen eine Überzahl im Zentrum und könnte über dieses schnell nach vorne kommen. Ein Teil der situativen Raute ist Fayzulin, der hier der tiefste Mittelfeldspieler ist. Wie in der Teaminfo bereits erwähnt, ist Fayzulin aufgrund seiner weiträumigen Spielweise ein wichtiger Spieler.

In dieser Szene ist die Raute nicht mehr gegeben, da Fayzulin sich hier nach vorne orientiert – ein kleiner, aber wichtiger Unterschied zur Szene davor. Dadurch ist es nämlich er, der den Rechtsverteidiger des Gegners nach innen zieht. Shatov lässt sich wieder nach hinten fallen und bindet damit den rechten Flügelspieler, sodass der Linksverteidiger in die Tiefe gehen kann. Man beachte hier, wie der rechte Sechser der Schweden Fayzulin nach hinten übergeben möchte, damit er Druck auf den Ball ausüben kann.

Ähnliche Abläufe erkennt man in diesem Beispiel aus dem Spiel gegen Liechtenstein. Hier rückt erneut der linke Flügelspieler ein und verschafft seinem Hintermann Platz. Zudem orientieren sich die beiden Stürmer nach vorne und erweitern so den Zwischenlinienraum, sodass der Linksverteidiger mit Denis Cheryshev im Halbraum kombinieren kann.

Phasenweise schlechte Staffelung im zweiten Drittel

Die Abläufe im Aufbauspiel der Russen sind also nicht wirklich komplex. In vielen Fällen erreichen sie damit zwar ihr Ziel, haben aber Probleme dann wieder gefährlich in die Mitte zu spielen. Der Gegner lässt sich einfach zurückfallen und steht dann in einem kompakten Block vor der Abwehr. Häufig suchen sie dann ein in der heutigen Zeit weiten teils ebenfalls verpöntes Mittel: Flanken aus dem Halbfeld. Mit Dzyuba und Kokorin haben sie durchaus brauchbare Abnehmer, konnten aber auf diese Weise in den bisherigen Qualifikationsspielen keine nennenswerte Gefahr erzeugen.

Den Russen fehlt generell die Durchschlagskraft im Kombinationsspiel, was auch die Tatsache, dass sie bisher die meisten Tore in der Gruppe G am Konto haben, nicht verschönern kann – vor allem wenn man bei diesen genauer hinsieht. Zwei der vier Treffer gegen Liechtenstein waren Eigentore, das dritte ein Elfmeter – ebenso wie der Führungstreffer gegen Moldawien. Gegen diese beiden tiefstehenden Mannschaften sah man aufseiten der Sbornaja auch immer wieder schlechte Staffelungen, die ein zielgerichtetes Kombinationsspiel durch das Zentrum bzw. Halbräume grundlegend verhinderten.

Am Übergang ins Angriffsdrittel stehen die Russen hier prinzipiell sehr gut und könnten wohl über das Passdreieck der beiden Achter und dem zurückfallenden Stürmer gefährlich werden. Sie könnten beispielsweise die Außenspieler mit Pässen in die Tiefe einsetzen. Andererseits ist der Abstand zu den aufbauenden Spielern, insbesondere dem ballführenden Sechser, sehr groß, sodass schon zu diesem Zeitpunkt auf die Seite gespielt werden muss. Dadurch verlieren die Russen das große Dynamikpotenzial der Außenverteidiger beim Hinterlaufen und man steht vor den oben genannten Problemen.

Teils ungesicherte Zentralachse im Pressing

Wenden wir uns nun dem Spiel gegen den Ball zu. Die Russen spielen im Wesentlichen ein Mittelfeldpressing, weshalb es nur selten zur weit verbreiteten 4-4-2-Pressingormation kommt. Der hängende Stürmer bzw. Zehner fokussiert sich weniger darauf Druck auf die aufbauenden Spieler auszuüben, sondern schließt den Weg ins Zentrum. Die wichtigsten Rollen im Spiel gegen den Ball übernehmen die beiden Sechser, insbesondere Glushakov ist ein elementarer Baustein.

Glushakov ist ein guter Zweikämpfer und sein Herausrücken baut meistens viel Druck auf, wie man anhand dieser Beispielszene sieht. Gemeinsam mit dem rechten Flügelspieler und dem Zehner stellt er ein Pressingdreieck her, wodurch dem Ballführenden sämtliche Optionen genommen werden. Wichtig dabei ist auch, dass das Herausrücken von Glushakov abgesichert wird, was jedoch ab und zu nicht der Fall ist.

Um den Ball haben die Russen hier zwar eine Überzahl, jedoch fehlt der Druck auf den Ballführenden – lediglich Glushakov attackiert von hinten. Dadurch kommen die Liechtensteiner in der Folge in den großen Raum hinter ihm, den sein riskantes Herausrücken öffnete. Der Fehler liegt hier jedoch weniger beim Sechser, sondern vielmehr hätte der ballferne Flügel einrücken müssen. Die mangelhafte horizontale Kompaktheit sieht man auch im nächsten Beispiel.

Glushakov ist wieder weit herausgerückt um zu attackieren. Hier fällt zunächst der große Abstand zum zweiten Sechser Fayzulin auf, der an und für sich aber richtig steht. Unter Umständen könnte auch er stärker zum aktiven verschieben. Der Grund dafür, dass dies nicht der Fall ist, ist wie im obigen Beispiel die zu breite Position des ballfernen Flügelspielers. Würde Fayzulin ebenfalls zur rechten Seite schieben, wäre die Zentralachse offen und die beiden Schweden wären direkt anspielbar. So können sie jedoch über die Seite durchbrechen, was uns zum nächsten Problem der Russen bringt.

Tiefe Viererkette möglicher Angriffspunkt für ÖFB-Team

In der obigen Szene könnten theoretisch auch die Innenverteidiger den Angriff bremsen, indem sie den Pass in die Tiefe antizipieren bzw. etwas höher stehen würden – etwas, das aufgrund der Konstellation des Abwehrduos aber generell äußerst selten vorkommt. Mit Sergei Ignashevich und Vasili Berezutski hat Russland zwar ein körperlich sehr starkes Gespann, das jedoch Abstriche in der Schnelligkeit machen muss und sich daher tendenziell tiefer positioniert. Man erkennt dies auch im nächsten Bild.

Auch hier sind die ballnahen Russen bemüht, den Ball zu erobern, aufgrund der tiefen Stellung der Viererkette fehlt aber der Zugriff und Liechtenstein kann sich befreien. Abschließend sei noch eine Szene gezeigt, in der man diesen letzten Punkt und die Folgen des mannorientierten Herausrückens von Glushakov gleichzeitig sieht. Auch in diesem Fall konnte der Gegner schnell in eine gute Abschlussposition kommen.

Die konservative Ausrichtung der Innenverteidiger ist aufgrund der physischen Gegebenheiten zwar nachvollziehbar, bringt aber gerade dann Probleme mit sich, wenn der Gegner über ein gutes Umschaltspiel verfügt. Jenes des ÖFB-Teams unter Marcel Koller ist dabei ohne weiteres in diese Kategorie einzuordnen, weshalb dieser Punkt am Samstag verstärkt ins Auge gefasst werden sollte. Eventuell gibt es hier sogar Anpassungen an den Gegner, etwa in Form einer neuen Sturmspitze.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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