„Ich bin mein Leben lang genug gelaufen!“ Aufgrund der Aufteilung Österreichs in Besatzungszonen und der damit einhergehenden eingeschränkten Reisefreiheit wurde für die erste Nachkriegsmeisterschaft... Der Schütze vom Dienst –  Franz „Bimbo“ Binder wäre 105 Jahre alt (2)

Rapid retro_abseits.at

„Ich bin mein Leben lang genug gelaufen!“

Aufgrund der Aufteilung Österreichs in Besatzungszonen und der damit einhergehenden eingeschränkten Reisefreiheit wurde für die erste Nachkriegsmeisterschaft eine 12er-Liga mit traditionsreichen Wiener Klubs zusammengestellt. Zum Jahreswechsel übernahm der heimgekehrte Binder neben seiner Fußballkarriere auch das Amt des Sektionsleiters. Er war nun 34 Jahre alt und wollte sich langsam aber sicher aus dem aktiven Sport zurückziehen. Kurz nach dem Krieg musste Rapid eine Mannschaft aus hochtalentierten Anfängern und soliden Altstars zusammenstellen: Die Karriere von Zeman, Happel und den Körner-Brüder begann. Sie holten sich Ezes von verdienten Spielern wie Aurdenik, Schors und natürlich Binder. Alfred Körner erinnert sich, wie rührend sich der Star um die jungen Spunde gekümmert hat: „Wir wurden langsam und behutsam in die Mannschaft eingebaut und Franz schaute darauf, dass keiner „verbrannt“ wurde.“

Ex-Förderer Edi Bauer, der Neo-Teamchef des neu erstandenen Österreichs, ließ den Torjäger die Nationalmannschaft im ersten Länderspiel nach dem Krieg auf das Feld führen. Mit einem Punkt Vorsprung auf die Austria konnte Rapid am Ende der Saison die Meisterschaft holen und setzte sich auch im Cup durch. Die Sportschau titelte: „ Also doch Rapid!“ und zeigte einen stolzen Binder bei der Siegerehrung durch Bürgermeister Körner. Am 14. Juli 1946 wurde der Kanonier erneut Vater: Franz Xaver Leopold Binder junior war eine echte Heimkehrüberraschung. Fast ein Jahr darauf holte der Stürmer seinen fünften Meistertitel mit Rapid. Im Herbst 1947 machte er sein letztes Länderspiel: Am 5. Oktober traf er in Prag auf seinen Freund und Ex-Kollegen Pepi Bican, mit dem er sich 1939 beim legendären Spiel gegen Slavia Prag, das 7:4 für Rapid ausging, ein heißes Duell geliefert hatte. Auch in Hütteldorf war sein Abschied nahe, das Publikum forderte jedoch weiterhin die Aufstellung des Angreifers, auf dessen Tore sie kriegsbedingt dreieinhalb Jahre lang verzichten mussten. 1948 gelang der Meistertitel-Hattrick. Ströll löste Binder intern als bester Rapid-Torschütze ab, doch für seine Nachfolge hatte „Bimbo“ einen anderen Kandidaten im Visier: Gemeinsam mit Trainer Hans Pesser trachtete er danach Robert Dienst, einen bulligen Mittelstürmer vom Floridsdorfer AC, zu verpflichten.

1947 pachteten die Eheleute Binder die Kantine auf der Pfarrwiese um mehr Zeit miteinander zu verbringen. Während Tochter Elisabeth als Gymnasiastin immer selbständiger wurde, erlebte Sohn Franz so eine richtige Fußballer-Kindheit am Rande des Platzes. Einmal streckte ein abgerissener Schuss des – nicht für seine Zielsicherheit bekannten – Verteidigers Max Merkel den Stöpsel nieder. Der Dreijährige hatte Glück im Unglück: Die Wucht des Aufpralles ließ ein schmerzhaftes Furunkel, das sich auf seiner Wange gebildet hatte „natürlich“ platzen, ein Arztbesuch blieb Binder junior so erspart.

Am 17. April 1949 verabschiedeten 28.000 Fans ihren langen Franz aus St. Pölten offiziell. Der Kanonier aus Hütteldorf hängte die Fußballschuhe anlässlich eines internationalen Turniers gegen Partizan Belgrad an den Nagel: Selbstverständlich sagte er mit einem Treffer Adieu. Der fleischgewordene Rapid-Geist, der nie aufsteckende Mittelstürmer, der Angreifer, der Netze zerrissen und Torhüter k.o. geschossen hatte, dankte ab. Sein letztes, wirklich allerletztes Spiel, sollte Bimbo Binder jedoch tausende Kilometer von Wien-Penzing entfernt spielen.

1949 wurde Rapid nach Südamerika eingeladen. Vor dem Match gegen Vasco da Gama bat der Präsident der Gastgeber Binder Rapid noch einmal als Kapitän aufs Feld zu führen. Eine Einladung, der der Herr Sektionsleiter nur zögernd nachkam. Die nächsten 45 Minuten lang bereute er seine Entscheidung, denn nicht nur der lange Angreifer, sondern auch die ganze Rapidmannschaft war gegen die Zuckerhut-Kicker machtlos. Der brasilianische Meister war den Europäern beim 5:0-Sieg in allen Bereichen überlegen. Binder und Pesser wussten:  „Mit der Wiener Schule kann man hier keinen Stich machen.“ Enttäuscht warf der 38-jährige nach dem Spiel seine Schuhe aus dem Hotelfenster, als ob er sichergehen wollte, sich wirklich nie wieder zu einem Comeback überreden zu lassen. Er blieb eisern. Kein Freundschaftsspiel, kein Benefizkick, kein Training – Bimbo spielte nie wieder. Mit 1155 Toren in 797 Spielen liegt er nach den Brasilianern Pelé und Friedenreich auf Platz drei der Torjäger-Weltrangliste der FIFA. Bei der Interpretation dieser Statistik muss allerdings berücksichtigt werden, dass Binder mit 19 Jahren die kürzeste Spielerkarriere besitzt – Pelé und Friedenreich halten bei 21 bzw. 26 Jahren. Ebenso war es Franz Binder während seiner 3 ½ Jahre im Krieg nicht vergönnt gewesen, regelmäßig Matches zu bestreiten. Mit einem Torquotienten (Pflichtspiele/Tore) von 1,24 ist der Niederösterreicher jedoch alleiniger Weltrekordhalter in dieser Disziplin.

Das neue System und die alten Neider

Die Vorkommnisse in Brasilien führten dazu, dass Binder und Pesser fieberhaft ein neues Spielsystem für Rapid entwickelten. Zunächst tauschten sie die Positionen der Spieler: Merkel ersetzte Gernhardt als Vorstopper, Happel wurde zum Ausputzer, dazu kam ein bewegliches Dreier-Mittelfeld. Die Körner-Bruder behielten ihre Position auf den jeweiligen Flügeln bei, in ihrer Mitte spielten Dienst und Probst. Bereits während den letzten Spielen in Brasilien wurde das neue  System erprobt und bis in die Saison hinein modifiziert. Der Herr Sektionsleiter und sein Trainer trichterten den Spielern ein, dass sie nun immer gemeinsam angreifen und gemeinsam verteidigen müssen. Diese Ziehharmonika-Taktik erfordert von den Spielern höchste Konzentration. In der Meisterschaft bewährte sich die neue Spielanalage prinzipiell, doch Rapid fehlte die Konstanz, sodass der so sicher geglaubte Meistertitel doch nicht errungen werden konnte.

Der Zurückgetretene gewann zum dritten Mal in Folge die „Sportfunk“-Wahl zum beliebtesten Fußballer und war auf der Suche nach einem Regisseur für seine Rapid, sowie einem adäquaten Sturmpartner für Robert Dienst. Da beobachtete er am Wacker Wien Platz einen gewissen Gerhard Hanappi und wusste, was seinen Grün-Weißen gefehlt hatte. Das Tauziehen um den Wiener zog sich über Monate hinweg. Hanappis Stammverein zeigte Rapid und seinen Sektionsleiter sogar wegen Kaperei an. Binder sorgte dafür, dass der „G’schropp“ im Salzkammergut untertauchte, während er mit den Meidlinger verhandelte. Fünf Punkte vor eben diesen Meidlingern krönte sich Rapid am Ende der Saison zum Meister. 1951 wurde Rapid Zentropacupsieger. Jene Mannschaft mit Zeman, Golobic, Happel, Merkel, Gernhardt, Hanappi, Gießer, Probst, Riegler, Dienst und den Körner-Brüdern gehörte zu diesem Zeitpunkt zu den besten Vereinsmannschaften Europas. Für viele ist sie die beste Rapid aller Zeiten.

Doch ein Zerwürfnis mit Podl Gernhardt beendete die Zusammenarbeit zwischen Rapid und Franz Binder. Gernhardt war auf Hanappis Rolle als Spielmacher aus und begann sich mit der Vereinsführung anzulegen. Die Spieler bekamen dies mit und forderten Gernhardts Absetzung als Kapitän. Binder versuchte die Wogen zunächst zu glätten, als dies nicht gelang, beschloss das Präsidium sich von Gernhardt zu trennen. Dieser ging zur Presse und machte Druck. Überraschenderweise drehten sich die Vereinsverantwortlichen um 180 Grad und drängten nun Binder den Forderungen des Fußballers nachzukommen. Vermehrt wurde Kritik am St. Pöltner laut, so warf man ihm vor schlecht zu wirtschaften. Nach 21 Jahren endete Franz Binders Karriere bei den Grün-Weißen abrupt. Der Kern „seiner“ Rapidmannschaft feierte mit wechselnden Sektionsleiter-Trainer-Paaren noch fünf Meistertitel und einige internationale Achtungserfolge.

Wurstfabrikant Ostermeier verfolgte selbst aus dem fernen Regensburg Binders Karriere, die Laufbahn jenes Stürmers, den er anlässlich der Meisterschaft ’41 ins Herz geschlossen hatte.  Als Bimbo arbeitslos war, reiste der Förderer von Jahn Regensburg nach Österreich um den „Langen“ nach Bayern zu lotsen. Im April 1952 trat Franz Binder sein erstes (offizielles) Engagement als Trainer an. Liesl, die ihre Ballettkarriere wegen der Größe – Papas Erbe – aufgeben musste, hatte kein Problem damit nach Süddeutschland zu übersiedeln. Der kleine Franzi wurde in Regensburg eingeschult. Mit harter Hand bewahrte der Niederösterreicher seine Mannschaft vor dem Abstieg und auch abseits des Fußballgeschäftes lebten er und seine Familie sich bestens ein. Sie genossen die neue Wohnung mit Badewanne, Kühlschrank und verspeisten Delikatessen, die nach dem Krieg in Österreich noch nicht zum Alltag gehört hatten, wie Bananen oder Streichkäse. Bald erstand der Neo-Trainer auch sein erstes Auto.

Zweieinhalb Jahre später warb der 1. FC Nürnberg Bimbo ab. Der Ex-Stürmer war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, da er Jahn Regensburg zwar stabilisiert hatte, für höhere Weihen die Mittel jedoch nicht reichten. Mitten in die Aufbruchsstimmung  platzte dann ein schreckliches Drama: Liesl Binder kam eines Tages vom Handballtraining mit angeschwollenem Knie nachhause. Diese harmlos wirkende Verletzung entpuppte sich nach der Konsultation einiger Ärzte in München, Italien und der Schweiz als Knochen-Sarkom. Liesl war schwer krebskrank, ihr Bein musste sofort amputiert werden. Die 17-jährige erholte sich gut von der Operation, bald war jedoch klar, dass die Ärzte nichts mehr für sie tun konnten. Als sie ihren 18. Geburtstag feierte, wussten alle, dass sie nur mehr wenige Jahre zu leben hatte. Ihrem Frohsinn tat dies nur wenig Abbruch: Liesl machte als erste behinderte Frau in Deutschland den Führerschein. Um sich abzulenken stürzte sich Bimbo in die Arbeit: 1957 holte er mit dem Club den Meistertitel der Oberliga Süd. In den Finalrunden um die deutsche Meisterschaft hatte sein Verein jedoch kein Losglück und brachte schlussendlich gegen Hamburg nicht die beste Saisonleistung. Das Finale gewann Dortmund gegen den HSV. Die Binders verbrachten danach einen erholsamen Urlaub mit Ernst Happel, seiner Frau und seinem kleinen Sohn am Mondsee in Oberösterreich. Rudern und segeln am See, Ausflüge auf den Schafberg oder in die Stadt Salzburg waren eine paradiesische Abwechslung zu dem stressigen Alltag in Nürnberg, wo Liesls Erkrankung immer im Zentrum stand. Liesl bemühte sich zwar um Zuversicht, doch die Eltern waren von der Last schwer gezeichnet. Im Salzkammergut herrschte für kurze Zeit ausgelassene Stimmung und die Binders waren einfach nur eine ganz normale Familie. Niemand ahnte jedoch, dass es Elisabeths letzter Urlaub sein würde.

Während seiner Zeit in Nürnberg arbeite Binder intensiv mit Schuhausrüster Adidas zusammen. Lange diskutierten sie über Stollen, Elastizität und Gewicht – dank seines tollen Fußgefühls war Binder ein beliebter Kooperationspartner für den Fabrikanten Adi Dassler. Dassler wollte den einstigen Kanonier sogar zum Vertriebsleiter für Österreich befördern. Tochter Liesl, die trotz des Krebses die Handelsakademie fertig absolviert hatte, war ob dieser Idee hellauf begeistert. Leider machte es ihre Krankheit unmöglich regelmäßig zu arbeiten, so musste dieser Traum begraben werden.

1958 schied Nürnberg in den Finalrunden der deutschen Meisterschaft früher als im Vorjahr aus. Bereits im Mai stand mit Schalke 04 der neue Meister fest. Elisabeth Binder konnte im Frühsommer  kaum mehr atmen, die Metastasen, die ihre Lunge befallen hatten, belasteten sie sehr. Eine letzte Behandlungsmethode mit radioaktiven Medikamenten konnte aufgrund der zu geringen gesunden Lungenmasse nicht mehr ausprobiert werden. Liesl fügte sich ihrem Schicksal und hatte nur noch einen letzten Wunsch: Im Kreise der Familie die Weltmeisterschaft verfolgen. Bald nach dem Endspiel, am 3. Juli 1958, verließen sie ihre Kräfte. Elisabeth Binder schloss für immer die Augen. Die Familie sollte sich nie von diesem schrecklichen Schock erholen. Bimbo stürzte sich in die Arbeit, Erna fand vor allem in Liesls bester Freundin Paula Trost, deren Freundschaft ihr Halt gab. Im Sommer 1960 endete Binders Vertrag mit Nürnberg nach sechs erfolgreichen Jahren. Es war an der Zeit nachhause zurückzukehren.

Der alte neue „Chef“ amtiert in Hütteldorf

Der längsdienende Trainer der Franken wurde von einigen Vereinen umworben. Rapid hatte seinen erfolgreichen Stürmer nie ganz vergessen, doch Bimbo war auf Präsident Schwarzl wegen der Gernhardt-Affäre nicht gut zu sprechen und schlug dessen Vertragsangebot aus. PSV Eindhoven lockte mit einem fantastischen Gehalt und Franz Binder sagte zu. Er brauchte Geld, denn Liesls Behandlungen hatten seine finanziellen Reserven aufgefressen. Franz junior wurde in Philips-Elektronikwerkschule zum Ingenieur ausgebildet, Erna erfreute sich an preiswerten, guten Lebensmitteln, übersetzte österreichische Ausdrücke wie Wadschunken gekonnt ins Holländische: „Vlees van de been“. Die Trainingsbedingungen in den Niederlanden waren zwar gut, doch Binder wollte den Verein auf eine andere Ebene heben. Die Vereinsleitung lehnte seinen Vorschlag, die Kaderspieler sollen zweimaltäglichen trainieren, allerdings ab. 1962 war der Werksklub des Elektronikherstellers trotzdem drauf und dran die Meisterschaft zu gewinnen. Auswärts gegen Feyenoord ging es im direkten Duell um Platz Eins. Beim Stand von 1:1 lief in der Nachspielzeit der letzte Angriff. Piet van der Kuil schob nach einem Solo den Ball am Tormann vorbei. Als die Kugel die  Fünf-Meter-Linie passiert hatte und unaufhaltsam in Richtung Torlinie rollte, pfiff der Schiri überraschend ab und „stahl“ Eindhoven so den Sieg. Es war wohl das einzige Mal, dass der so besonnene Binder außer sich war. Diese Episode läutete das Ende seines Gastspieles beim PSV ein. Als sich die Klubführung erneut seiner Forderung nach zweimaltäglichem Training widersetzte, verlängerte er seinen Vertrag nicht. Nach zwei Jahren in den Niederlanden, reisten die Binders zurück nach Wien und ließen sich in der Nähe der Pfarrwies’n ein kleines Bungalow errichten. Franz junior absolvierte die Hälfte seiner Lehrzeit bei Philips in Wien und spielte bei den Rapid-Amateuren. Franz senior ließ sich breitschlagen noch einmal als Sektionsleiter für die Grün-Weißen zu arbeiten. Mit Hasil, Grausam oder Torwart Pichler betätigte er sich dieses Mal vorwiegend als Talentsucher und Talentverbesserer. Besonders beliebt war sein Schusstraining von dem vor allem Gustl Starek profitierte. Starek spricht nur in höchsten Tönen über seinen Förderer: Er sei immer fair und gerecht gewesen. Bei Siegen überließ er es der Mannschaft sich feiern zu lassen und ging meistens früh in die Kabine um in Ruhe eine Zigarette zu rauchen. 1964 wurde Binder das erste und letzte Mal als Sektionsleiter mit seiner Rapid Meister, in der Folgesaison wurde der Titel nur knapp verpasst. Erneut führten Unstimmigkeiten mit der Vereinsführung dazu, dass der 54-jährige sein Amt niederlegen musste. Die „Rapid-Zwillinge“ Grassi und Holzbach machten seine Entlassung während eines Auslandsaufenthaltes spruchreif. Erneut meldete sich Jahn Regensburg um Binder nach Deutschland zu lotsen.

Bimbo leistete wieder gute Arbeit, doch die Zukunftsperspektive war in Bayern immer noch schlecht. Er sah kein Potenzial die Mannschaft weiterzuentwickeln. Nur immer gegen den Abstieg zu spielen, war ihm als ehemaligem Stürmer zu wenig. Trotzdem spielte er 1969 wieder den Feuerwehrmann: Der Rettungsversuch bei Schwarz-Weiß Bregenz misslang allerdings. Im Oktober unterschrieb er  schließlich bei den Münchner Löwen und die Mission Klassenerhalt scheiterte erneut. Binder kehrte nach Wien zurück und machte sich Gedanken um seine Zukunft. Sohn Franz spielte damals neben seiner beruflichen Tätigkeit in der Reserve der Vienna.

Saft und Kraft

1972 war Bimbo Binder 60 Jahre alt und beschloss – mangels attraktiver Trainerangebote und wegen seines fortschreitenden Alters – in Pension zu gehen. Einmal trainierte er noch mit seinem Freund Robert Körner die Amateure des 1. FC Nürnbergs, dann schlug er endgültig wieder in Wien Wurzeln. Bimbo verbrachte seine Zeit nun mit Gartenarbeit, Kaffeehausbesuchen und Kartenspielen. Er dachte nicht daran einen dritten Versuch bei Rapid zu starten oder überhaupt wieder professionell mit dem Fußballsport zu tun zu haben. Doch im August 1975 war in Hütteldorf Feuer am Dach: Vizepräsident Eichelberger gab die Parole aus den „Retter“, die namhafteste Legende der Wiener zurückzuholen. Der gutmütige Binder kehrte also entgegen aller Beteuerungen nach Hütteldorf zurück. Er wünschte sich Robert Körner als Trainer und gemeinsam coachten sie die Grün-Weißen auf den dritten Tabellenrang vor. Der Meisterteller war zwar unerreichbar, im Cup hatten die Wiener allerdings noch alle Chancen. Tatsächlich qualifizierten sie sich für das Endspiel gegen Innsbruck. Vor dem Finalhinspiel wurden in Kufstein die Zelte aufgeschlagen und Binder tätigte während einer gemütlichen Kaffeepause jenen Menüvorschlag, der jedem Sportmediziner die Haare aufstellt, aber Einzug in die Rapid-Wuchtel-Sammlung genommen hat: „Robert, gib ihnen an Schweinsbratn mit Kraut und Knedl damits morgen a Kraft ham!“  Körner selbst, der eigentlich zwischen Kalbsbraten Steak und Palatschinken geschwankt war, nickte. Die gut gestärkten Rapidler verloren das Hinspiel zwar mit 1:2, konnten aber im Rückspiel einen 1:0-Sieg erspielen. Pawlek war mit einem Flugkopfball in Binder-Manier der Matchwinner und der legendäre Bimbo hatte endlich als Sektionsleiter einen Cupsieg mit seinem Herzensverein eingefahren.

Danach begann Binder ein ganz normales Pensionistendasein zwischen Legendenklub und Billardspielen zu führen. Sein Sohn setzte ab 1979 die Funktionärslaufbahn des Vaters fort. Franz Binder junior, der zwar keine große Spielerkarriere hinter sich hatte, aber jahrelang für Elektronikfirmen im Vertrieb tätig war, über Fremdsprachenkenntnisse, internationale Vernetzung und Marketingkenntnisse verfügte, überzeugte das Präsidium des SK Rapids beim Hearing. 1982 konnte Franz senior Franz junior in den Katakomben des Hanappi-Stadions zurufen: „Na, hob i dir’s net g’sogt, drei Jahr braucht’s für a neue Mannschaft und an Titel!“  Der Meistertitel war wieder in Hütteldorf. Die Erfolgsgeschichte der Grün-Weißen ging mit Otto Baric noch weiter: Pokal und Teller trudelten beinahe abwechselnd ein. Binder behielt durch seinen Sohn und Alfred Körner, der die Kontakte der verdienstvollen Spieler zum Verein aufrechthielt, sein grün-weißes Herz bei. Regelmäßig war er bei Fanklubtreffen zu Gast. Im April 1989 erlitt er einen Lungeninfarkt und fiel im Hanusch-Krankenhaus ins Koma. Franz Binder lebte noch zehn Tage lang, ehe er am 24. April 1989 verstarb. Er wurde im Grab seiner Tochter am Baumgartner Friedhof beigesetzt. Nicht weit davon findet sich Schöneckers letzte Ruhestätte. Schießt man im Rapid-Stadion ein Tor, ist der Jubel manchmal bis dorthin zu hören. Ehre wem Ehre gebührt.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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