In Wien waren es die britischen Gärtner des Baron Rothschild, die 1894 den neuesten Inselsport in ein formelles Kleid gossen: Auf den First Vienna... Die Prä-Bosman-Zeit: Österreichs vergessene Legionäre (2)

Retro Fussball_abseits.atIn Wien waren es die britischen Gärtner des Baron Rothschild, die 1894 den neuesten Inselsport in ein formelles Kleid gossen: Auf den First Vienna FC sollten viele weitere Vereine folgen. Als der Fußball noch nicht einmal ganz Österreich erobert hatte, zogen schon die ersten Einheimischen aus um ihr Können in die Welt zu tragen. Die österreichischen Legionäre wirkten als Entwicklungshelfer in Ländern, die uns heute fußballtechnisch den Rang abgelaufen haben. Hier wollen wir einige – oft vergessene – von ihnen nun präsentieren:

Senekowitsch unterwegs

Ein Stürmer ist nie glücklich, wenn ihm ein Kollege den Erfolg wegschnappt. Hans Krankl war sogar richtig grantig, wenn ein Mitspieler in einem Match öfter als er scorte. Im Juni 1978 hatte Hanse-Nationale keinen Grund zu klagen. Nach seinem Tor-Toar-Toaaar zum 3:2-Jahrhundertsieg über Deutschland schwebte die Rapid-Legende auf Wolke 7. Ein anderer Ex-Stürmer nahm den Treffer befriedigt zur Kenntnis: Helmut Senekowitsch, damaliger Teamchef der Österreicher. Bis ins hohe Alter blieb er dank Krankls Treffer, DER Teamchef von Cordoba. „Kurioserweise sprechen mich sehr viel auf ’78 an, eigentlich fast jeder.“, meinte er einmal. Dabei standen die Österreicher schon vor dem Spiel gegen den Lieblingsnachbarn als ausgeschiedenes Team fest und hatten die Tickets für den Heimflug in der Tasche. Die Endrunde verlief für Senekowitsch nicht nach Wunsch, wobei in der Endtabelle doch der beachtliche 7. Platz stand.

Wie Krankl, Edi-Finger-Seniors-Jubelschrei und die argentinische Stadt, wird auch Helmut Senekowitsch für immer mit dem vermeintlichen Mythos verbunden bleiben. Kaum einer dagegen weiß, dass der gebürtige Steirer einst der erste Österreicher war, der sich in der Primera División durchsetzen konnte. Senekowitsch wurde am 22. Oktober 1933 in Graz geboren und spielte bei sämtlichen Grazer Kultclubs, ehe er als 24-jährige zur Vienna kam. Als Jugendlicher schwankte er lange zwischen Fußball und seiner zweiten Leidenschaft Bergsteigen. Der tödliche Absturz seines Bruders Hans im August 1945 veranlasste ihn jedoch seinen Fokus aufs Kicken zu legen. Aufgrund seiner kämpferischen Einstellung bekam er in seiner Zeit bei Sturm den Spitznamen „Zeki“ – eine Verballhornung von Zecke – verpasst. Das lange, blonde Laufwunder wurde 1957 als erster Schwoarzer ins Nationalteam einberufen. Sein stärkstes Spiel machte er drei Jahre später beim überraschenden 2:1-Sieg über Italien: „Wer ist die Nummer 10?“, fragte ein erstaunter Giovanni Trapattoni nach dem Schlusspfiff. Der spätere Kultcoach hatte als Verteidiger an diesem Dezemberabend seine liebe Mühe mit dem lästigen „Zeki“. Er war jedoch nicht der einzige Ausländer, der sich für die Leistungen des Stürmers zu interessieren begann: Betis Sevilla fragte an und Senekowitsch wechselte daraufhin nach Spanien. 1961 erzielte der „g’standene Steirerbua“ (Eigenbezeichnung!) in 29 Einsätzen vier Tore, eine Saison später sah sein Schnitt bei weniger Spielen schon besser aus: In 15 Matches, netzte er sechs Mal. Nach einem weiteren Jahr,war Senekowitsch Spanienabenteuer jedoch beendet. Die Liga erließ ein Legionärsverbot und der Stürmer heuerte bei Wacker Innsbruck in der Heimat an. Seine Zeit in Andalusien kann durchaus positiv bilanziert werden: Senekowitsch war ein verlässlicher Joker, die Grün-Weißen spielten oben mit und wurden sogar einmal Meisterschafts-Dritter. In Innsbruck verbrachte der Offensivspieler die letzten sieben Jahre seiner Karriere, wobei er immer weiter zurückwanderte und schließlich fix im Mittelfeld eingesetzt wurde. Am Ende seiner Laufbahn durfte er mit Wacker den ersten Tiroler Meistertitel feiern.

Der Trainer Senekowitsch erwies sich als noch wanderfreudiger als der Spieler. „Meine Antworten hab‘ ich immer am Platz gegeben“, stand er selbstbewusst zu seinen Leistungen. Zwei Jahre lang spielte er mit dem GAK um die Meisterschaft, dann verschaffe er VÖEST Linz 1974 den bisher einzigen Meisterteller. „Zeki“, der Kumpeltyp, wusste sich mit subtilen Methoden Erfolg zu verschaffen: So ließ er den Deutschen Michael Lorenz wissen, dass er ihn eigentlich gar nicht verpflichten habe wollen. Lorenz kochte vor Wut, spielte groß auf und hatte mit 17 Toren maßgeblichen Anteil am Linzer Triumph. Nach einer Zwischenstation in Mödling, wollte der ÖFB den Meistermacher unbedingt als Nationalteamtrainer haben. Auf Anhieb konnte sich Senekowitsch mit Krankl, Prohaska und Co. für die argentinische Endrunde qualifizieren. Der Rest: Siehe oben. Nach dem Scheitern in der Gruppenphase, ging der dreifache Familienvater nach Mexiko und begann seine Wanderjahre. Der Steirer beehrte Griechenland, Spanien und Deutschland, ehe er wieder heimatlichen Boden betrat. Mit Omonia Nikosia wurde er 1989 Cupsieger. Die kleinen und großen Erfolge des Trainers Senekowitsch werden durch den ewiggleichen Refrain von Cordoba leider meist vergessen, dabei stand „Seki“ bei respektablen Klubs wie der Frankfurter Eintracht oder Athletic Bilbao an der Seitenlinie. Er selbst wäre nie auf die Idee gekommen mit seiner Karriere zu prahlen: Senekowitsch blieb nach dem Ende seiner Laufbahn als Trainer 1997 ein stiller Beobachter des österreichischen Fußballs und war engagierter Seniorensportfunktionär. Er verstarb 2007 an Speiseröhrenkrebs.

Die „subtile Kleinarbeit“ des „Ra“

„Ra!“, raunte es im Publikum. „Ra!“, „Ra!“, stimmten die übrigen Zuschauer zunächst schüchtern, dann bestimmt ein. Schließlich verwandelte sich der (vermeintliche) Lautgesang zu einem kollektiven Kampfschrei der Anhänger mit dem sie von ihrem Superstürmer den Sieg forderten: Der „Ra“ sollte es wieder einmal richten. Jener Adolf Fischera, genannt „Ra“, war einer der besten Stürmer seiner Zeit. Bereits im Oktober 1906 wurde er in einer Zeitungskritik als „unglaublicher Künstler am Ball“ bezeichnet. Der damals gerade 18-jährige zauberte mit außergewöhnlicher Beweglichkeit und Ballbehandlung gesegnet am linken Flügel des WAC. Bald kamen die Zuschauer nur um ihn zu sehen. Zwar spielte der Wiener mitunter eigensinnig und erledigte die Kür vor der Pflicht. Training und Anstrengung waren ohnehin nie seines. Über diese Makel sahen Medien und Fans allerdings großzügig hinweg: Fischeras Dribbelläufe waren einfach unwiderstehlich.

Sein „Rufname“ wurde 1912 anlässlich einer hitzigen Partie Österreichs gegen den ungarischen Rivalen geboren. Die Österreicher waren in diesem Match spielbestimmend, rannten gegen die Magyaren an, aber trotz Hexenkessel auf der Hohen Warte wollte ihnen kein Treffer gelingen. Die Gäste führten mit 1:0 und verteidigten mit Mann und Maus, bis sich Fischera knapp vor Schluss in der eigenen Hälfte die Kugel erkämpfte, mit einem kraftvollen Solo sechs, sieben Gegner aussteigen ließ und aus dreißig Metern halbhoch ins Eck abzog: So glückte doch noch der Ausgleich und die letzte Silbe von Fischeras Nachname war als Kampfruf geboren. Der 1888 geborene Wiener verließ 1910 nach Unstimmigkeiten mit der Vereinsführung den WAC und gründete gemeinsam mit seinen Mitspielern Andres und Little den Wiener Associations-Football-Club (WAF). Dort erlebte er mit dem Meisterschaftsgewinn 1913/1914 seinen Karrierehöhepunkt. Im Mai 1914 machte der „glanzvollste Spieler Wiens“ auch eines seiner besten Länderspiele – erneut gegen Ungarn: Er schoss beim 2:0-Sieg beide Tore. Danach wechselte Fischera nach Teschen (Österreich-Schlesien), das heute zu Polen gehört. Nach einem erneuten Engagement beim WAF, wurde der Angreifer 1920 von Borussia Neunkirchen ins deutsche Saarland gelockt. Der „Wunderstürmer“ führte die Schwarz-Weißen als Spielertrainer in nur zwei Jahren in die oberste Spielklasse, wurde mehrmals Regionalliga-Erster und 1922 sogar westdeutscher Meister. Hugo Meisl berief mit „Ra“ erstmals einen Legionär für den Länderwettkampf gegen Italien ein und sorgte so für ein Novum, denn bis zu diesem Zeitpunkt waren Legionäre in keiner Nationalmannschaft gesetzt. 1923 kehrte Adolf Fischera nach Österreich zurück, wo er zuletzt für Germania Schwechat aktiv war. Die Wiener Fußballfans verhielten sich kratzbürstig, der „Valutaflüchtling“ Fischera bekam aufgrund seines Auslandengagement Unfeines zu hören. 1936 musste er wegen eines Nervenleidens seinen Beruf als Telegraphenbeamter aufgeben und zog sich in sein Haus bei Greifenstein (heute: Gemeinde St. Andrä-Wördern) zurück. Er erholte sich jedoch gut und dachte an eine Fortsetzung seiner Laufbahn im administrativen Sportbereich, bis ihn eine schwere Lungenentzündung ans Bett fesselte. Während er im Klosterneuburger Spital behandelt wurde, fragte sein alter Verein Borussia per Telegramm an, ob Fischera nicht erneut ins Saarland kommen wolle – zuerst zur Erholung, dann als Trainer. Doch Adolf Fischera konnte kein Engagement mehr antreten: Er verstarb 50-jährig an einem Herzinfarkt. Auf dem Klosterneuburger Friedhof gaben ihm – dem Vorläufer von Uridil und Sindelar – nur wenige das letzte Geleit.

Fußballtier in Floridsdorf, Fußballtier in Holland

Schon als 15-jähriger erspielte er sich einen Stammplatz in der Kampfmannschaft. Im Dezember 1921 widmet das Illustrierte Sportblatt dem „Fall Hummenberger“ eine mehrseitige Geschichte: Karl Hummenbergers Sperre wurde als Ausgangspunkt genommen um die mangelnde Objektivität des Strafausschusses der Liga in Zweifel zu ziehen. Der FAC-Mittelfeldspieler, bei dem unklar ist, ob er „Humenberger“ oder „Hummenberger“ hieß, gehörte trotz seiner Frühreife nicht zu den ganz populären Spielern seiner Zeit. Das liegt vor allem daran, dass er sich im Nationalteam leider nicht durchsetzen konnte. Unter vielen guten Spielern blieb für den Wiener meist nur ein Platz in der Stadtauswahl bzw. in der B-Elf übrig. 1931 wurde er jedoch als einer der besten Centerhalfs der Admira gepriesen.

Karl und Bruder Ferdinand – der auch Fußballer war – stammten aus dem Wiener Arbeiterbezirk Floridsdorf und machten beim FAC ihre ersten Schritte. 1928 kam Karl zu seinem ersten und einzigen Nationalmannschaft-Einsatz, danach wurde Pepi Smistik und Hansi Mock der Vorzug gegeben. Noch in der Blüte seiner Karriere sammelte er bereits als Spielertrainer erste Auslandserfahrungen, als er zum ältesten Fußballklub des europäischen Festlands, Kobenhavn Bold Club, wechselte. Nach einem halben Jahr kehrte Hummenberger nach Wien-Floridsdorf zurück und ging zum Großklub Admira. Bei den Jedleseern erspielte er sich einen Stammplatz und der FC Zürich meldete Interesse an dem verlässlichen Mittelfeldakteur an. Zunächst verweigerte der ÖFB die Freigabe des Spielers, der gelegentlich durch ausgeprägte Raunzereien auffiel. Hugo Meisl persönlich vermittelte zwischen den beiden Vereinen. Hummenberger musste zunächst bleiben und gehörte so zu jener Admira-Mannschaft die 1932 das Double holen konnte. Danach durfte der Wiener gemeinsam mit seinem Kollegen Josef Chloupek in die Schweiz ausreisen. Wieder war das Engagement nicht von langer Dauer, Hummenberger setzte sich nicht durch und kam mit einem Börsl voller Franken nach sechs Monaten zurück nach Wien.

1934 demütigte die Admira Rapid mit 8:0 im Cupfinale wurde zudem erneut Meister. International bot sich das Triple an, denn im Mitropacupendspiel stand man dem FC Bologna gegenüber. Durch eine 1:5-Niederlage im Rückspiel musste dieser Traum jedoch begraben werden. Weil alle guten Dinge drei sind, wagte Karl Hummenberger 1936 erneut den Sprung ins europäische Ausland und diesmal sollten seine Bemühungen Früchte tragen: Zwar verletzte er sich kurz nach seinem Wechsel zu Racing Strasbourg schwer und musste in Wien operiert werden, danach gehörte er jedoch bald zum festen Mannschaftskern der Elsässer und wurde auch in die Ostfranzösische Auswahl einberufen. Nach dem verlorenen Cupfinale 1937 ging Hummenberger zu Saint Etienne. Seine letzten Fußballerjahre verbrachte er anschließend bei unterklassigen Vereinen in Wien. Danach begann seine zweite Karriere auf der Trainerbank. Rund ums Wiener Becken lernte der Floridsdorfer das Geschäft von der Pike auf. Seine erste Auslandsstation führte ihn nach Belgien, die zweite nach Schweden. Und wie auch schon als Spieler brachte ihm erst Nummer Drei Glück: 1954 begann Hummenbergers Liebesgeschichte mit Ajax Amsterdam. Die Mentalität des schlitzohrigen Weaner Bazis passte perfekt zu Ajax. Der ehemalige Spieler Anderiesen bezeichnete ihn als „Fußballtier“. Drei Jahre nach dem Beginn seiner Arbeit bei den Niederländern wurden sie Meister und spielten erstmals im Europacup. Hummenberger ließ seine Mannen defensiv und überlegt agieren. Nach einem Intermezzo bei Austria Salzburg blieb er noch mehrere Saisonen beim FC Antwerpen, wobei ein zweiter Platz zum größten Erfolg avancierte. 1964 kehrte er in seine Heimatstadt zurück und verbrachte seine letzten Jahre auf der Donauinsel, wo er für den ÖFB unter den kickenden Burschen nach Talenten Ausschau hielt. Karl Hummenberger – Mittelfeldmotor und Meistermacher mit oder ohne Doppel-M – starb im Dezember 1989.

Altmeister, Schraub’n, Schweiz – Das war Johann Studnicka

Knapp vor seinem neunzehnten Geburtstag schoss sich Johann Studnicka mit drei Toren beim ersten Ländermatch außerhalb Großbritanniens zum Wiener Fußballstar. 5:0 besiegte Österreich am damaligen WAC-Platz im Prater Ungarn. Das Ergebnis geriet jedoch zur Nebensache, denn der neue, englische Sport hatte seit diesem Oktobertag im Jahre 1902 seinen ersten Botschafter. Der 1883 geborene Wiener kickte als einer der ersten Profis in Österreich, gefährdete so seine Teilnahme am Olympischen Fußballturnier 1912 und wurde quasi zum Vorläufer Karl Schranz – mit dem Unterschied, dass es für Studnicka letztendlich ein Happy End gab.

Die Erscheinung des Fußballkapazunders war genauso besonders, wie seine Fähigkeiten: Der Blondschopf mit Henkelohren und O-Beinen erzielte 1902 und 1903 die meisten Länderspieltore. Posthum wurde er rund 25 Jahre nach seinem Tod dafür als Welttorjäger geehrt. Der Linksstürmer, der wegen seiner gedrungenen Gestalt, „der G’stutzte“ gerufen wurde, wurde jedoch zu früh geboren. Da der Fußballsport selbst noch in den Windeln lag, wurden die Geschichten von seinen Glanzpartien nicht einmal mehr in St. Pölten erzählt. Dabei war Studnicka einer der ersten, der aufgrund seiner Dribbelkünste zum Sololäufer avancierte und so die zukünftige Wiener Schule prägen sollte. Seine Schüsse nannte man „Schraub’n“, da er dem Ball mit der Außenseite einen derartigen Drall verlieh, dass sie zum Albtraum jedes Torhüters mutierten.

Der Österreicher mit tschechischen Wurzeln begann als 13-jähriger mit dem Kicken. Da fußballverrückte Mittelschüler damals noch mit Karzerarrest bestraft wurden, spielte er viele Partien unter dem Pseudonym „Jan“. Kurz nach seinem ersten Vereinsengagement, trat der gelernte Justizsekretär gemeinsam mit vielen seiner Mitspieler dem WAC bei. Bei den Athletikern agierte er zunächst in der Verteidigung und rückte erst nachdem seine hervorragenden technischen Fähigkeiten und seine Fußballintelligenz festgestellt wurde, in den Angriff vor. 1901, 1903 und 1904 konnte der WAC den ältesten Pokalbewerb Österreichs, den heute nicht mehr existierenden Challenge-Cup gewinnen. Die Teilnahme am Challenge-Cup stand allen Vereinen der Monarchie offen und trug so zur Verbreitung des Fußballsports in den Kronländern bei. Studnicka blieb seine gesamte Spielerkarriere dem WAC treu, verließ den Verein selbst dann nicht, als ein Großteil der Spieler gegen die administrative Führung rebellierte und austrat. „Jan“ wollte sich in dieser Zeit schon als aktiver Kicker zurückziehen, spielte aber unter diesen Umständen noch einmal für die Erste. Aus diesem status quo sollten noch mehrere Saisonen als aktiver Stürmer werden.

International machte der „G’stutze“ beim Olympischen Fußballturnier in Stockholm 1912 sein bestes Spiel: Es war Studnicka, der den Ausgleich gegen Deutschland erzielte. Am Ende siegten die Rot-Weiß-Roten noch mit 5:1. Zwei Jahre später gab „Jan“ seinen Posten am Handelsgericht auf und wurde als „Jean Studnicka“ Leiter der Fußballabteilung im Sporthaus Westend in Mariahilf. Der vierfache Meister beendete 1920 seine torreiche Karriere: Er erzielte als Flügel- und Mittelstürmer rund 90 Tore in 122 Erstligaspielen und scorte sogar beim letzten seiner 30 Nationalteam-Einsätze. Danach wurde Studnicka endgültig Trainer und verließ seinen Heimatverein.

Nach zwei Jahren bei der Vienna, ging der Wiener Fußballpionier in die Schweiz. Die Eidgenossen lechzten nach Fußball-Know-How aus Österreich. So war der legendäre Rapid-Funktionär Schönecker bei Luzern aktiv, Huber von Wacker Meidling war Trainer von Concordia Basel, Lang – ehemaliger Cricketer – coachte den FC Neumünster. Die Schweizer wollten einen Kombinationsfußball ähnlich der Wiener Schule praktizieren und setzten so auf Trainer aus der ehemaligen Monarchie, die ihre Philosophie wie Sachertorte und Strauß-Walzer exportierten. Auch Johann Studnicka versuchte die Schweizer Version des „Kick-and-Rush“ bei miserablen Bodenverhältnissen dem formvollendeten Scheiberln anzugleichen.

Im Februar 1923 vermeldete die Zeitung, dass der Wiener, „der durch sechs Monate hinweg mit großem Erfolg in Zürich beim dortigen Fußballklub tätig“ war, wieder in seiner Heimat sei. Erneut zog es den Ex-Stürmer nach wenigen Monaten aber zum FCZ zurück. Seine Mannschaft verpatzte zwar den Meisterschaftsstart gehörig, konnte jedoch zwischenzeitlich tüchtig Punkte sammeln und so ein Endspiel um Platz drei erzwingen. Die Young Fellows wurden nach einem erneuten Unentschieden schließlich besiegt und Zürich stand mit Servette Genf und Nordstern Basel in den Endspielen um die Schweizer Meisterschaft. Servette verlor zweimal und schied aus. Basel galt als haushoher Favorit gegen die Nordschweizer und führte im letzten Spiel lange mit 1:0. Studnickas Mannen schafften es jedoch die Partie zu drehen und gewannen noch 3:1. Johann-Jan-Jean Studnicka kehrte schließlich nach Wien zurück und der FC Zürich verschwand bald wieder in der sportlichen Bedeutungslosigkeit. Fast 45 Jahre nach diesem Meistertitel starb einer der ersten bedeutenden Wiener Fußballer in seiner Heimatstadt. Er wurde 84 Jahre alt.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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