ArsAufgrund der heutigen Partie in der Champions League zwischen dem Arsenal FC und dem FC Barcelona war eine Retro-Analyse fällig. In der Saison 1999/2000... Nostalgie: Arsenal FC – FC Barcelona (19. Oktober 1999)

Arsene Wenger_abseits.atArsAufgrund der heutigen Partie in der Champions League zwischen dem Arsenal FC und dem FC Barcelona war eine Retro-Analyse fällig. In der Saison 1999/2000 trafen die beiden Mannschaften in der Champions League aufeinander.

Arsenal mit Anlaufschwierigkeiten, Barca defensiv konsequent

Wenger gegen van Gaal ist für Ballbesitzfetischisten ein traumhaftes Duell. Beide Mannschaften agierten mit einer breit aufgefächerten Viererkette im Aufbau und wollten diesen mit flachen, kurzen Pässen gestalten. Bei Barcelona stand bei eigenem Ballbesitz Guardiola im Fokus, auf der Gegenseite war es Vieira. Zwar war auch bei der katalanischen Mannschaft, so wie heute, das Kurzpassspiel die vornehmliche Art und Weise den Ballvortrag zu gestalten, jedoch agierte man deutlich direkter als zum Beispiel unter Trainer Guardiola. Luis Enriques Barcelona der letzten zwei Jahre ähnelt in der Vertikalität jenem von Van Gaal. Zielspieler für Bälle in die Spitze war vor allem Patrick Kluivert, der mit seiner Physis unter Bedrängnis Bälle behaupten und ablegen konnte und dies mit seinem guten Bewegungsspiel verband. Er beschränkte sich primär auf Ablagen, nach denen er dann in freie Räume startete. Flankiert wurde er von Rivaldo links und Figo rechts, die mit ihren Fähigkeiten im Dribbling aus ihren sehr breiten Positionen Hereingaben für den holländischen Strafraumstürmer bewerkstelligen sollten. Raumschaffend hinter ihnen waren die sehr vertikalen Außenverteidiger Reiziger und Sergi, die immer wieder durch Sprints in die Tiefe für Platz sorgen sollten. Guardiola, Cocu und Luis Enrique bildeten das Mittelfeldzentrum. Durch diagonale Bälle in die Formation der Londoner konnte vor allem Guardiola seine Mitspieler immer frei spielen, die dann meist die Halbräume mit Kluivert überluden.

Das Prinzip der breiten agierenden und dribbelstarken Flügelspieler verwendete Arsenal ebenfalls. Overmars und Ljungberg, der etwas diagonaler von links agierte, fanden in der erstemn Halbzeit jedoch kaum ins Spiel. Dies lag vor allem daran, dass Arsenal als Mannschaft schon Aufbauprobleme gegen das Angriffspressing des FC Barcelona hatte, sodass oft der hohe Ball geschlagen werden musste. Zwar hatte man vor allem mit Kanu, aber auch mit Bergkamp durchaus fähige Zielspieler, die Folgeaktionen waren jedoch oft unsauber, das Gegenpressing der Gäste griff zudem ebenfalls gut. Durchbrüche erzielten die Gunners vor allem nach kurzen Kombinationen zwischen Parlour und Bergkamp. Ersterer war sehr dynamisch und tororientiert, was die katalanische Abwehr manchmal in Bedrängnis brachte.

In Führung gingen die Gäste aus Barcelona mit einem Doppelschlag: zuerst durch einen Elfmeter, der einer Schwalbe von Cocu entsprang, und nur eine Minute später nach einem Konter, der von Luis Enrique abgeschlossen wurde. Das oben bereits erwähnte Pressing Barcelonas war darauf bedacht die Zentrale zu versperren, was exzellent gelang. Kluivert agierte als Keil zwischen den Innenverteidigern, Cocu und Lucho schoben beide ballnah und sehr kompakt, während Guardiola absichernd agierte und Bälle „aufklaubte“.

Arsenal agierte im Pressing in einem 4-4-2 mit flexiblen Mannorientierungen, Vieira war mit seiner harten Zweikampfführung das Gegenstück zu Guardiola. Die vertikale Kompaktheit ließ jedoch oftmals bei Arsenal zu wünschen übrig, Vieira musste einige Male im Rückwärtspressing in seiner typischen Art mit Todesgrätsche dazwischen gehen und Tony Adams vor einem Laufduell mit Kluivert retten. Gegen Ende der ersten Halbzeit wurde Arsenal stärker, die Flügelspieler wurden besser eingebunden und Vieria, Kanu und Bergkamp konnten immer wieder mit Dribblings den Ball in aussichtsreiche Zonen bringen. Die Strafraumverteidigung der Katalanen war jedoch sehr konsequent, sodass die Schüsse selbst dann aus eher ungünstigen Positionen kamen. Kurz vor Pausenpfiff konnte Bergkamp jedoch nach Hereingabe von Kanu und einer einmal mehr genialen Mitnahme im Strafraum den Anschlusstreffer erzielen.

Van Gaal passt an, Arsenal mit technisch angehauchter Aggressivität

Van Gaal stellte zur Halbzeit auf ein 4-4-1-1 um, Figo agierte nun teils hinter, neben oder vor Kluivert, man versuchte mehr Präsenz im Strafraum zu generieren und Abnehmer für Hereingaben, vor allem vom fokussierten Rivaldo auf links, zu haben. Die Zentrumsüberlegenheit war nun nicht mehr gegeben und die körperliche Überlegenheit im zentralen Mittelfeld der Londoner machte sich bemerkbar. Vieira und Parlour kamen immer mehr in die Zweikämpfe, bei welchen Barcelona Probleme hatte. Arsenal brach Angriffe der Gäste entweder durch Fouls ab oder konnte nach gewonnenen Duellen mehrmals Konter einleiten. Obwohl die Gunners nach Wiederanpfiff die etwas bessere Mannschaft waren konnte Barcelona auf 3:1 erhöhen. Nach einem hohen Ball von Guardiola auf Kluivert konnte dieser den Ball kurz behaupten, ein Londoner grätschte den Ball unglücklich auf Figo, der schneller war als sein Gegner und Seaman aus kurzer Distanz überwand. Figo übernahm nun auch wieder die Position des rechten Flügels, es bildeten sich 4-5-1 Staffelungen.

Arsenal versuchte es nun mehr mit hohen Bällen in die Spitze, wo sich auch die einrückenden Flügelstürmer befanden, zu Chancen zu kommen. Wengers Truppe legte eine interessante Kombination aus Brechstange und extremer Qualität im offensiven Eins-gegen-Eins an den Tag, Barcelona hatte zudem Glück bei gleich vier strittigen Entscheidungen des Schiedsrichters in Bezug auf Fouls/Handspiel im Strafraum als Bevorteilter zu enden. Die Innenverteidiger Abelardo und Bogarde waren bei Barcelona jedoch durchaus physisch ebenbürtig, sodass diese Herangehensweise zwar Probleme bereitete, aber selten in Großchancen endete. Durch die wie erwähnt weit einrückenden Flügelstürmer, deren Positionen von den Außenverteidigern eingenommen wurden, hatte man nun mehr Anspielstationen und belagerte immer wieder den katalanischen Strafraum. Die Gäste wollten nun über schnelle Konter die Engländer für das weite Aufrücken bestrafen, was um Minute 70 auch gelang. Nach einem weiteren genialen Pass von Guardiola durch das gegnerische Mittelfeld konnte Cocu aus 16 Metern den Ball ins Tor befördern.

Wenig später kamen Suker und Henry ins Spiel, doch mehr als ein Treffer von Overmars nach genialer Fersenauflage von Suker, schaute nicht mehr heraus.

Fazit

Van Gaals Vorliebe für direkten Ballvortrag fand seine Kulmination in Guardiola, der immer wieder mit starken Pässen die individuell sehr guten Stürmer der Katalanen einsetzen konnte. Die langsame Viererkette rund um den bereits alternden Tony Adams war diesem Dreiersturm nicht gewachsen. Arsenal fehlte der letzte Durchbruch vor dem Tor, wobei man aufgrund der Schiedsrichterentscheidungen auch enormes Pech hatte. Das Spiel war die meiste Zeit über auf Augenhöhe, zwei der besten Teams ihrer Zeit lieferten sich ein spannendes und qualitativ hochwertiges Duell.

David Goigitzerm, abseits.at

David Goigitzer

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