Unter der Lupe: Chelseas Defensivprobleme gegen Paris Saint-Germain
Champions League 11.März.2016 David Goigitzer 0
Der FC Chelsea, der eigentlich für „parking the bus“ im Mainstream und eine hohe Kompaktheit im Pressing bei Taktik-Nerds bekannt ist, hat in dieser Saison einige Probleme in der Defensive. Auf diese wollen wir in dieser Analyse näher eingehen.
Sechserkette und Unterzahl im Zentrum
Um die Viererkette so eng wie möglich beieinander zu halten verfolgen die Flügelspieler Chelseas ihre Gegenspieler mannorientiert. Durch das prinzipiell gute Positionsspiel der Pariser, die stets mit den sehr hoch agierenden Außenverteidigern auch ballfern Breite gaben, wurden gleich 6 Spieler in einer Linie gebunden. So entstanden aus dem 4-4-1 oft 6-2-1-1 Staffelungen gegen die im Aufbau in einem 2-5-3 agierenden Gäste. Vor allem im Zentrum war man somit in Unterzahl, obwohl diese durch relativ weites mannorientiertes Verfolgen von den Verteidigern balanciert werden konnte. Durch die Unterzahl bekam man kaum Druck auf den Gegner, die Pariser spielten den Ball meistens im richtigen Moment weiter. Man provozierte das Rausrücken der Londoner, um dann im letzten Moment weiter zu spielen. Das passsichere Mittelfeld rund um Rabiot, Motta und den stets weit einrückenden Di Maria spielte sich mit den überforderten Fabregas, Willian und Mikel.
Gute Verbindungen der PSG Spieler zueinander, Pedro und Hazard (nicht im Bild) verfolgen mannorientiert, die Halbräume sind offen.
Durch eine raumorientiertere Interpretation der Defensive lassen sich solche Bindungen leichter verhindern. Die Staffelungen sind nicht so flach und können nicht so leicht überspielt werden. Denn mit einem Pass ist fast die gesamte Chelsea Mannschaft ausmanövriert, bei dicht gestaffelten, kompakten Reihen voreinander ist dies nicht so einfach möglich.
Woran liegt das also, dass Chelsea so verteidigt, es ist doch scheinbar offensichtlich, dass dies nicht funktioniert, oder? Nun, auch unter Mourinho gab es (u.a. auch beim Spiel gegen PSG in der CL letztes Jahr) immer wieder Sechserketten-Staffelungen, dies ist also nichts Neues, hat jedoch schon damals nur bedingt funktioniert. Vermutlich ist Hiddink, der ja selbst mit Mannorientierungen arbeitet, gar nicht darauf aus, diese Ausrichtung zu ändern. Er ist ja unter anderem auch nur als Schadensbegrenzer engagiert worden, vielleicht ist es sein Ziel einfach mit so wenig stilistischen Änderungen wie möglich, so viele Punkte wie möglich zu ergattern, damit die Saison nicht komplett verloren geht. Denn Änderungen im Spielstil würden Arbeit und Zeit bedeuten, die Hiddink ja nicht hat.
Abstimmung
Dass in der Defensive viel kommuniziert werden muss ist weit bekannt. Die Basis-Kommunikation bezieht sich vor allem auf Hinweise über Gegenspieler außerhalb des Sichtfeldes und Rausrücken aus der Formation. Vor allem bei Letzterem ist die Abstimmung sehr wichtig, denn das Rausrücken sollte immer passend abgesichert werden. Diese Mechanismen müssen jedoch vor allem im Training eingeübt werden. Wer rückt auf wen wann heraus? Dies muss nicht nur klar sein, sondern fast zum Instinkt gehören. Bei Chelsea greifen diese Mechanismen in diesem Jahr nicht ganz, was immer wieder zu einigen Problemen führt. Das erste Gegentor ist das beste Beispiel für diese fehlende Abstimmung: Fabregas‘ Attackieren auf Motta erfolgt zu spät, di Maria hat im Halbraum unendlich viel Platz. Ivanovic und Kenedy rücken gleichzeitg auf, Cahil lässt sich von Ibrahimovic nach hinten ziehen und hebt das Abseits auf.
Für derartig raumbewusste Spieler, wie sie PSG hat, ist dies natürlich ein Leckerbissen. Dies war nicht die einzige, jedoch die markanteste Szene, in der solche Abstimmungsprobleme vorkamen. Solche Probleme liegen zwar auch an den Spielertypen und wie diese zusammenpassen, jedoch ebenfalls sehr am Training. Auch hier scheint nicht genug oder unpassend gearbeitet worden zu sein.
Fazit
Zwar konnte man mit etwas mehr Intensität nach dem Gegentor die Probleme etwas kaschieren, prinzipiell ist Chelsea jedoch bei weitem nicht mehr das Defensivbollwerk vergangener Tage. Vielleicht ist Mourinho auch zu früh gegangen worden. Dies ist nur Spekulation, aber dieses Szenario eines Kollegen könnte durchaus zutreffen: Mourinho habe etwas später und weniger oft trainieren lassen, um mögliche Verletzungen zu verhindern, da vor allem in der Offensive die Kaderdichte zu wünschen übrig lässt. Bei einem dichten Spielplan wie man ihn in England als europäisch spielende Mannschaft zusätzlich hat, ist es schwer den Spielstil richtig auszuarbeiten. Unter der Saison ist dies dann nur begrenzt möglich und dauert lange, weshalb aber die Formkurve gegen Ende unter Mourinho vielleicht auch nach oben zeigte. Man hatte sich über den Sommer schlicht und einfach nicht weiterentwickelt, und Stagnation bedeutet selbst in der taktisch schwächeren Premier League, und auf europäischem Boden sowieso, einen Rückschritt.
David Goigitzer, abseits.at
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