Seit etwas mehr als drei Monaten ist Peter Stöger in Deutschlands zweithöchster Liga Trainer. Er hat sich nicht irgendeinen Verein ausgesucht; der 1. FC... 100 Tage Peter Stöger beim 1.FC Köln – ein erster Überblick

Peter Stöger - 1.FC KölnSeit etwas mehr als drei Monaten ist Peter Stöger in Deutschlands zweithöchster Liga Trainer. Er hat sich nicht irgendeinen Verein ausgesucht; der 1. FC Köln ist ein Name mit dem jeder Fußballbegeisterte umzugehen weiß. Acht Spieltage sind gespielt, das Transferfenster geschlossen und die ersten 100 Tage sind um.

Die Ausgangslage

In den Nachkriegswirren aus Vorgängervereinen zusammengeschlossen ist der 1. FC Köln nicht nur Gründungsmitglied der Bundesliga – er hatte mit dem Präsidenten Franz Kremer einen der wichtigsten Protagonisten für die Schaffung derselbigen in seinen Reihen. Zugleich war der Verein bereits in dieser Zeit in der Gesamtausrichtung auf einem professionellen Level wie wenig andere.

In eben jener neu geschaffenen Bundesliga war der 1. FC Köln zugleich erster deutscher Meister, wurde 14 Spielzeiten später noch einmal Meister; war fünf Mal Vizemeister, vier Mal Pokalsieger und belegt in der ewigen Bundesliga-Tabelle aktuell Rang 8.

Köln ist die viertgrößte Stadt Deutschlands, kulturelles Zentrum des Rheinlands und verfügt über eine Medienlandschaft wie kaum eine andere Metropole.

Kurz – in Köln kommen Tradition, Menschen und Massenmedien in gleich mehreren Bereichen zusammen. Entsprechend schwierig ist die Ausgangslage zu betrachten; aber genauso interessant sind die sich ergebenden Möglichkeiten.

Vor 15 Jahren erstmals abgestiegen hat sich der Verein zu einem Fahrstuhlklub entwickelt dem leider auch viel zu oft die Attribute Chaos, Intrige und Misswirtschaft angedichtet wurden.

In der letzten Saison kam der „Effzeh“ nur sehr langsam aus dem Starthaus und so verwunderte esauch nicht, dass zur Saisonhalbzeit lediglich der zehnte Platz zu Buche stand – mit dem desatrösen Torverhältnis von 20:19 nach 17 Runden.

In der Rückrunde wurde dann phasenweise groß aufgespielt, es gelang ein Lauf der allerdings jäh durch ein 0:3 gegen Kaiserslautern gestoppt wurde. Platz zwei in der Rückrundentabelle lautete das Zwischenergebnis; im Endklassement wurde Rang fünf ergattert. Mit 33 kassierten Toren war man auf Platz drei in dieser Wertung; allerdings war die mehr als mangelnde Torausbeute (43) wohl Hauptgrund warum man schlussendlich doch nie richtig um den Aufstieg mitspielte.

Seit der Jahrtausendwende (Ewald Lienen) waren nicht weniger als 17 Trainer oder Interimstrainer beschäftigt diesen Verein wieder in die Spur zu bekommen. Daher war es auch nur bedingt verwunderlich, dass Holger Stanislawski nach dem Verpassen des Aufstiegs im Juni das Handtuch warf.

Einmal mehr war ein neuer Trainer gefragt. Nach einigen Tagen Hängen und Würgen wurde es schließlich Peter Stöger.

Anforderungsprofil: Der Mannschaft Struktur und Taktik vermitteln; junge Spieler einbauen, zur bestehend guten Defensive eine aufstiegswürdige Offensive formen und – die Herausforderung in der Medienstadt Köln – das alles möglichst schnell, weil Geduld ist nicht mehr.

Die Transfers

Köln hat sich in den letzten Monaten auf allen Ebenen neu aufgestellt. Als Königstransfer dürfte allerdings in diesem Sommer noch vor allen anderen der neue Geschäftsführer Sport Jörg Schmadtke zu sehen sein. Führte er doch als Sportdirektor Alemannia Aachen bis in die Bundesliga und in den Europacup. Anschließend konnte er Hannover 96 von der unscheinbaren grauen Maus zu einem regelmäßigen Europacup-Starter entwickeln. Seine ruhige und sachliche Vorgangsweise sollte diesem durchaus hektischen Verein auch in schwierigeren Zeiten als Anker dienen.

Peter Stögers Assistenten sind neben dem ohnehin bekannten Manfred Schmid, der Athletiktrainer der deutschen Nationalmannschaft und kurzzeitige RB Salzburg Athletikcoach Yann-Benjamin Kugel sowie Tormanntrainer Alexander Bade.

Auf dem Spielermarkt wurde trotz des Umstands eines enormen Schuldenbergs kräftig zugelangt. Mit Marcel Risse (23, RA) hat sich ein gebürtiger Kölner quasi auf eigenen Wunsch aus Mainz angeboten; mit Anthony Ujah (22, MS) wurde der letztjährige Toptorschütze der Kölner ebenfalls fix aus Mainz verpflichtet. Daniel Halfar (25, ZM, LA) war der dritte ablösepflichtige Spieler; er kam vom TSV 1860 München. Für diese drei Spieler wurden etwa 3,5 Millionen Euro ausgegeben.

Slawomir Peszko (28, LA) war die Leidensgeschichte des Sommers. Er war Spieler von Köln, wurde verliehen, gehörte einem Investor, war geleitet von einem Spielerberater und in diesem Interessenskonglomerat drohte er auf der Strecke zu bleiben. Nach einem wochenlangen Hin und Her und der fixen Absage von Schmadtke wurde es dann doch noch – mit dem Umweg Parma – etwas.

Die Überraschung schlechthin war die Verpflichtung von Patrick Helmes (29, MS). Aus der Kölner Jugend schaffte er es aus der zweiten Liga bis ins Nationalteam, fiel jedoch anschließend durch seinen Wechsel über den Rhein zum Lokalrivalen Bayer 04 Leverkusen bei Verein und Fans in Ungnade. In weiterer Folge von Felix Magath zum VfL Wolfsburg transferiert, wurde Helmes‘ zweiter Kreuzbandriss und der während seiner Verletzung erfolgte Trainerwechsel sein sportliches Ende beim Verein. Diese Chance wurde nun von Schmadtke aufgegriffen und er konnte sich mit Wolfsburg-Manager Allofs – ironischerweise beide gebürtige Düsseldorfer die im allgemeinen Kölner Herzen schwärzen – auf diesen für Köln kostengünstigen Deal einigen.

Komplettiert wird das Ganze mit einer äußerst jungen Riege. Maurice Exslager (22, MS) kam aus Duisburg, Román Golobart (21, IV) von Wigan Athletic, Maximilian Thiel (20, LA) von Wacker Burghausen sowie Yannick Gerhardt (19, DM, ZM) aus der eigenen Jugend. Letzterer erhielt vor kurzem die Fritz-Walter-Medaille in Silber.

Der Kader

Die Mannschaft des 1. FC Köln ist mit einem Durchschnittsalter von knapp über 24 Jahren eine der jüngsten der Liga, verfügt allerdings mit Dominic Maroh (26/56 Bundesligaeinsätze, IV), Kevin McKenna (33/112, IV), Kapitän Miso Brecko (29/142, RV), Matthias Lehmann (30/80, DM), Adam Matuszczyk (24/42, DM), Patrick Helmes (29/98, MS), Mato Jajalo (25/61, ZM), Daniel Halfar (25/62, ZM, LA), Marcel Risse (23/79, RA), Slawomir Peszko (28/43, LA) und Adil Chihi (25/55, RA) über einen Bundesliga-erprobten Stamm die alle mehr als 40 Einsätze in der ersten Liga aufweisen.

Im Tor verfügt man über drei Goalies aus der eigenen Jugend: Timo Horn (20), Marcel Schuhen (20) und Thomas Kessler (27). Horn hat sich bereits im letzten Jahr mehrfach ausgezeichnet und ist ganz klar die Nummer eins. In der Verteidigung stehen noch der junge Österreicher Kevin Wimmer (20, IV, LV), Bruno Nascimento (22, IV), Jonas Hector (23, LV) und Koray Kacinoglu (19, RV) zur Verfügung.

Das Mittelfeld wird komplettiert mit Sascha Bigalke (23, ZM, OM) und Fabian Schnellhardt (19, OM). Im Sturm sind nebst den bereits genannten noch Kacpar Przybylko (20, MS) und Thomas Bröker (28, MS).

Bisheriger Saisonverlauf

Die ersten Spiele der Saison waren ein wenig durchwachsen. In der ersten Runde war man zu Gast bei Dynamo Dresden. Zehn Minuten vor Ende machte ein ungewohnt schwerer Bock von Torwart Horn (20) den Auswärtsdreier zu einem X. (1:1)

In Runde zwei folgte das Prestigeträchtige Derby gegen Absteiger Fortuna Düsseldorf. War man in Hälfte eins noch deutlich zu ängstlich und entsprechend unterlegen wurde es – auch dank geschickter Wechsel – in Hälfte zwei deutlich spannender. Schlussendlich remisierte man auch in diesem Spiel. (1:1)

Die bisher schlechteste Saisonleistung zeigte man am dritten Spieltag, als in Paderborn der Ausgleichstreffer erst in der letzten Spielminute erkämpft wurde. (1:1) Nach diesem Spiel kamen die ersten kritischen Meldungen bezüglich Aufstellung und Taktik.

Stöger erkannte sie und stellte für das Heimmatch gegen Sandhausen vom bisherigen 4-3-3 auf ein 4-4-2 um. Der Pflichtheimsieg gelang, allerdings war gegen die betonierenden Kurpfälzer weder spielerischer Glanz noch Kreativität im Aufbau zu erkennen. (2:0)

In Runde fünf kam es zum Auswärtsduell mit der Spielvereinigung Greuther Fürth. Der Bundesligaabsteiger konnte seine bisherigen Spiele alle gewinnen und entsprechend vorsichtig war das Kölner Spiel in Halbzeit eins. Nach dem Seitenwechsel wurde die Ausrichtung offensiver und man konnte Fürth deutlich mehr zusetzen, allerdings blieb es beim schlussendlich gerechten Remis. (0:0)

Am sechsten Spieltag zeigte Köln seine bis dahin beste Saisonleistung. Gegen Erzgebirge Aue stellte Stöger taktisch erneut um – auf ein 4-2-3-1. Mit technisch sauberem Fußball wurde im Mittelfeld das Spiel zu Gunsten von Köln entschieden. Aue wurde in Hälfte Eins spielerisch zerlegt; Köln zeigte Biss, Konsequenz und Präzision im Kurzpassspiel. Mit vier Toren aus dem Mittelfeld wurde zudem erstmal auch bestätigt was sich mit den Transfers bereits anbahnte. Die Torgefahr und Kreativität hinter den Spitzen wurde massiv erhöht. (4:1)

In der vorletzten Runde wurde erstmals ein Auswärtsdreier eingefahren. Gegen die Heimstarken Cottbuser setzte Stöger auf volle Offensive und stellte wieder auf ein 4-4-2 um. Rückkehrer Helmes gelang nach 100 Sekunden bereits sein erster Treffer und in weiterer Folge spielte der „Effzeh“ die Cottbuser – zumindest in der ersten Halbzeit – förmlich an die Wand. Der Österreicher Kevin Wimmer spielte in dieser Partie erstmals für den erkrankten Hector. Mit zwei Assists – einen volley übernommenen Ball spielte er auf Ujah der aus 30 Metern traf sowie eine 50-Meter-Flanke auf den eingewechselten Peszko – zeigte er auch entsprechend auf. (4:0)

Am bisher letzten Spieltag ging es gegen den 1. FC Kaiserslautern. Nach dem Rauswurf von Franco Foda ist nun Kosta Runjaic Übungsleiter der Roten Teufel. Das Spiel war beidseitig offensiv geführt, die Abwehrreihen ließen einiges zu, doch am Ende stand ein torloses Remis zu Buche.

Taktische Möglichkeiten

Die Abwehr – obwohl mit lediglich vier Gegentreffern die statistisch beste der Liga – scheint derzeit noch der größte Unsicherheitsfaktor zu sein.

Gesetzt sind Kapitän Brecko und Maroh. Bruno fehlt noch ein wenig die Erfahrung und er gibt sich manchmal unkonzentriert bzw. streut leichtsinnig Fehler ein. Auf links hat derzeit Hector die Nase vorn, aber wenn man Wimmers Offensivspiel letzten Montag sah, scheint hier schon der Konkurrenzkampf auszubrechen. Allerdings ist er nominell wohl weiter als Innenverteidiger vorgesehen und macht auch Bruno Feuer. Golobart ist ein äußerst kräftiger und großer Innenverteidiger, ist aber derzeit noch bei der Reserve im Einsatz. Wenn der langzeitverletzte McKenna zurück kommt, wird es richtig eng in der Innenverteidigung.

Im defensiven Mittelfeld ist Lehmann gesetzt. Letztes Jahr noch weit entfernt von herausragenden Leistungen ist er bisher der Gewinner der Saison. Der 30-Jährige ist in Übersicht und Antizipation derzeit nicht ersetzbar. Sein Nebenmann ist der junge Yannick Gerhardt. Wohl neben Torwart Horn die Zukunftshoffnung der Kölner. Der Jugendnationalspieler wird von Stöger forciert, bekam nach einer schlechten Leistung eine Nachdenkpause, wurde aber rasch wieder eingesetzt. Gegen Aue und Cottbus konnte er in Ansätzen sein unglaublich hohes strategisches Verständnis unter Beweis stellen und lieferte absolute Topleistungen ab.

Auf der Außenbahn spielte sich Risse sofort in den Vordergrund und glänzte bereits mit zwei Doppelpacks. Auf der anderen Seite ist Halfar gesetzt, wenn er auch auf einer zentralen Position deutlich besser zur Geltung kommt. Peszko markiert derzeit noch den Edeljoker, ist aber jederzeit einsetzbar und bringt mächtig Schwung von der Bank.

Im Sturm wird wohl Helmes zur Dauerlösung; allerdings scheint Ujah hervorragend mit ihm zu harmonieren und ebenfalls die Mehrzahl der Spiele bestreiten.

4-4-2 (4-2-2-2) mit Doppelsechs

Horn – Brecko, Bruno, Maroh, Hector – Lehmann, Gerhardt – Risse, Halfar (Peszko) – Ujah, Helmes

Derzeit die favorisierte Lösung mit zwei Sechsern und zwei Flügeln; wobei Gerhardt in die Achterposition wandert und Halfar gerne nach innen auf seine angestammte Position zieht.

4-2-3-1

Horn – Brecko, Bruno, Maroh, Hector – Lehmann, Gerhardt – Risse, Halfar, Peszko – Helmes (Ujah)

Die gesicherte Offensivvariante mit lediglich einer Spitze. Hier kommt Halfar besser zur Geltung und die Außenverteidiger werden stärker ins Spiel integriert. Dies klappte bereits sehr gut gegen Aue, allerdings gab es da noch keinen Helmes im Kader.

4-1-3-2 Offensive pur

Horn – Brecko, Wimmer, Maroh, Hector – Lehmann – Risse, Halfar, Peszko – Ujah, Helmes

Wenn der Gegner gerne betoniert ließe sich diese Offensivvariante durchaus ausgestalten.

4-4-2 mit Raute

Horn – Brecko, Bruno, Maroh, Hector – Lehmann – Gerhardt, Risse – Halfar – Ujah, Helmes

Auch diese Möglichkeit ließe sich mit dem bestehenden Spielermaterial ohne weiteres Umsetzen. Hierbei würde wiederum Halfar den Freigeist hinter der Doppelspitze stellen. Auf den Halbpositionen verfügen Gerhardt und Risse über die entsprechende Übersicht.

Köln konnte das letztjährige Manko der mangelnden Gefahr aus dem Mittelfeld mehr als vergessen machen und verfügt in der Offensive über eine durchaus bundesligataugliche Mannschaft. Wenn sich dieses Gefüge einspielt und Stöger mit den Wechseln alle zum Zug kommen lässt, scheint darin das Potential zum Aufstieg zu liegen.

Der größte Vorteil dürfte in der Breite des Kaders liegen. Wenn man auf die Bank blickt und noch das ewige Talent Jajalo, Abräumer Matuszczyk und den verletzten Chihi dazurechnet, den ebenfalls zurück kommenden McKenna und die junge Riege, scheint hier auf jeder Position adäquater Ersatz vorhanden zu sein. Formschwankungen und Verletzungen sollten spätestens mit einer taktischen Umstellung problemlos bewältigt werden.

Die Qualität des Kaders lässt nun nichts anderes mehr zu als den Aufstieg. Allerdings hat Stöger die Qual der Wahl. Schafft er es alle bei Laune zu halten, wäre alles angerichtet für eine erfolgreiche Saison.

Köln gehört in die Bundesliga. Nach abgehalfterten Stars (Petit, Maniche,…) und alleinigen Heilsbringern (Podolski) scheint hier wiedermal ein Team heranzuwachsen. Mit sieben Kölnern gespickt, einer guten Mischung aus Jung und Erfahren, technisch versierten Spielern findet Stöger alles vor um erfolgreichen Fußball zu präsentieren. Kann er seine gruppendynamischen Fähigkeiten entsprechend ausspielen, scheint der Aufstieg von Köln wahrscheinlicher als sein Rauswurf.

Florian Bauer, abseits.at

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