Wie schon in der vergangenen Sommertransferperioden gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, und beleuchten die Hintergründe und... Eine Win-Win-Win-Situation: Der „Kampl-Son-Tausch“

Kevin Kampl - Red Bull Salzburg_abseits.atWie schon in der vergangenen Sommertransferperioden gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, und beleuchten die Hintergründe und Motive. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?

Diese Fragen sollen beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls erläutert werden sollen.

Dieses Mal geht es um zwei Transfers von Bayer Leverkusen, welche kurz vor Transferschluss für Aufsehen sorgten. Für 30 Millionen € wurde Heung-Min Son in die englische Premier League zu Tottenham verkauft, dafür kam vom BVB Kevin Kampl, der schon bei Red Bull Salzburg unter Roger Schmidt gespielt hatte.

Sons kritischer Abgang

Mit einem unangenehmen Beigeschmack ging der Abgang Sons vonstatten. Kurz vor Ende des Transferfensters verlangte Son nach einem Abgang – so schreiben zumindest die Medien. Das Interesse und darauffolgende Angebot der Spurs war schlichtweg zu gut für den Südkoreaner, um es abzulehnen. Mitspieler wie Hakan Calhanoglu beschwerten sich sogar öffentlich darüber, dass Son die Kontakte zum Verein abbrach und auf Anrufe nicht reagierte, um seinen Wechsel zu forcieren.

Dabei war Son durchaus ein wichtiger Spieler im System der Leverkusener. 2013 war er als großes Talent vom HSV für 10 Millionen gekommen und in der vergangenen Saison unter Roger Schmidt steigerte er sich weiter. Der erst 23jährige Son erzielte letztes Jahr immerhin 17 Tore und vier Vorlagen in allen Wettbewerben. Allerdings sei dazu gesagt, dass Son nicht ganz so kreativ war wie erhofft und 30 Millionen € trotz all seines Talents ein sehr guter Deal für die Leverkusener ist. Der Transfer ist jedoch eine Win-Win-Win-Situation

Tottenham und Son profitieren

Son besitzt natürlich einige beeindruckende Fähigkeiten, die den Spurs ins Auge stachen und diese Transfersumme in deren Augen rechtfertigen. So ist Son enorm dribbel- und abschlussstark, außerordentlich schnell und – für englische Verhältnisse – defensiv sehr gut für einen Außenbahnspieler. Desweiteren kann er auf beiden Flügeln auflaufen und als Mittelstürmer agieren.

In gewisser Weise ist Son ein Spieler, der in der englischen Liga aufblühen sollte. Dort sind die Spiele viel mehr Hin und Her, definieren sich weniger über Pressing und Gegenpressing, dafür über viele weiträumige Läufe und offene Räume vor den Strafräumen zum Abschluss, insbesondere in den Halbräumen sowie zwischen den Linien.

Diese Aktionen sollten in England eher anzubringen sein als in Deutschland – und Sons Stärken befinden sich in diesen Bereichen. Wenn Son mit einem Gegenspieler in einem 1-gegen-1 isoliert und nicht gedoppelt wird, ist er eine Waffe. In England wird das Defensivspiel in puncto Unterstützung und Absicherung oft individueller gehandhabt, was Son entgegenkommen sollte.

Sobald sich Son an seinem Gegenspieler durchgesetzt hat, sollten sich zwischen den Linien ebenfalls größere Räume vorfinden als in der Champions League oder in den Topspielen der Bundesliga. Diese offenen Räume in diesen Zonen sind für Son hervorragend, weil er sich nicht über seine Aktionen innerhalb des Strafraums, sondern direkt außerhalb dessen definiert. Insofern könnte Son für Tottenham wirklich zu einem Topspieler werden; seine Dribblings, Schnelligkeit und Abschlussstärke sollten in England für viele Mannschaften problematisch sein.

Das ist besonders der Fall, wenn Son als Flügelstürmer mit Eriksen und Lamela im 4-2-3-1 die offensive Dreierreihe oder gar in einem 4-4-2 hinter N’Jie und Kane agiert. In beiden Fällen sollte er genug Anspielstationen und Unterstützung haben, um nach vorne zu kommen und den Ball in den relevanten Zonen zu erhalten.

Auch bei Kampl sollte es eine Win-Win-Situation sein.

Passenderer Systemspieler

Kampl ist zwar zwei Jahre älter, doch im Vergleich zu Son dürfte er deutlich besser in das System Roger Schmidts passen. Beim BVB wurde er nicht ganz warm; das dürfte auch daran liegen, dass die Konkurrenz auf seinen Positionen an der Weltklasse kratzt (Mkhitaryan, Reus) und er erst ein halbes Jahr dort war. Mit längerer Akklimatisierungszeit hätte er sich womöglich zumindest vereinzelt in die Mannschaft gespielt, doch insbesondere jetzt unter Thomas Tuchel ist das System nicht ganz seines.

Beim BVB wird zurzeit eine Variante des spanischen Positionsspiel praktiziert, dessen grundlegendes Prinzip das Halten von bestimmten Abständen zueinander ist, um innerhalb der gegnerischen Formation Raum füreinander zu generieren. Kampl ist jedoch ein Akteur, dessen größte Stärken sein überdurchschnittliches Verhalten in (zu) engen Räumen ist. Er kann sich auch gegen zwei oder drei Gegenspieler durchsetzen, benötigt aber in unmittelbarer Nähe 2-3 Spieler, um seine Dribblings anbringen und während seiner Dribblings Kurzpasskombinationen und Lochpässe spielen zu können.

Dies war bei Red Bull Salzburg der Fall, wo Kampl brillierte und darum auch den Dortmundern 12 Millionen wert war. Bei seiner Rückkehr zu Schmidt sollte er dies wieder vorfinden. Leverkusens 4-2-2-2 passt perfekt zu Kampl, weil er mit den beiden Sechsern hinter sich, dem zweiten Zehner neben sich und den zwei Stürmern vor sich immer viele Anspielstationen auf engem Raum hat sowie seine tollen Fähigkeiten in der Arbeit gegen den Ball voll einbringen kann.

Rosige Zukunft für Bayer?

Vermutlich dürfte Kampl schon in den nächsten Wochen in Richtung Stammelf rücken. Generell ist der Kader der Leverkusener durch den Kauf Kampls und Chicharitos auf fast jeder Position – mit Ausnahme der Doppelsechs wegen Aranguiz‘ Verletzung – hochwertig und tief besetzt. Chicharito, Kießling, Mehmedi, Calhanoglu und Brandt sind Optionen für die zwei Positionen ganz vorne; Mehmedi, Calhanoglu und Brandt können außerdem auch als Zehner dahinter spielen, ebenso wie Bellarabi und eben Kampl.

Damit kann man sich flexibel an die Gegner anpassen, ohne an der Grundstruktur rütteln zu müssen; für das System Schmidt die ideale Vorgehensweise. In manchen Spielen kann z.B. mit Kießling und Chicharito für Strafraum- und Luftpräsenz gesorgt werden, gegen andere Gegner wird dann ohne Kießling der Fokus eher auf die Kombinationsstärke gelegt. Theoretisch könnten Brandt, Chicharito, Kampl und Bellarabi gemeinsam als extrem dynamische und flexible Offensivreihe agieren – in einzelnen Partien womöglich sogar noch mit Mehmedi anstatt Chicharito.

Trotz des bisher eher mäßigen Saisonstarts sind die Zeichen bei Leverkusen positiv. Mit diesem Kader und Trainer sollte es in den nächsten Monaten nach oben gehen – und womöglich wieder in die Champions League.

Rene Maric

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