Seit 2005 hat Arsenal nur einen Titel geholt; den FA-Cup in der vergangenen Saison. Lange Zeit wurden Wenger mangelnde Investitionen vorgeworfen. Gleichzeitig wurde von... Arsenal in der Krise (2) – Die Transfers der letzten beiden Jahre

Arsene Wenger (FC Arsenal)Seit 2005 hat Arsenal nur einen Titel geholt; den FA-Cup in der vergangenen Saison. Lange Zeit wurden Wenger mangelnde Investitionen vorgeworfen. Gleichzeitig wurde von seinen Anhängern entgegengehalten, dass dieser Sparkurs benötigt sei, um das neue Stadion und weitere infrastrukturelle Projekte zu finanzieren. Das hat sich allerdings in den letzten zwei Jahren verändert: 102 und 52 Millionen wurden in den vergangenen zwei Jahren ausgegeben, das für ein Minus von ungefähr 130 Millionen Euro auf dem Transfermarkt sorgte; somit erwirtschaftete man deutlich weniger mit Abgängen als in den Jahren zuvor und gab extrem viel aus.

Deswegen sind die kritischen Stimmen gegenüber Arsene Wenger in dieser Saison aber nicht leiser geworden. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand – seit Jahren. Dieser Artikel soll diese Kritiken nochmal analysieren und näher betrachten. Im ersten und zweiten Teil geht es vorrangig um die Transfers der vergangenen vier Saisons mit einem Fokus auf die relevanten Wechsel und die taktischen Konsequenzen davon; auch wird eine generelle Kaderbetrachtung angeschnitten. Der dritte, vierte und fünfte Teil beschäftigen sich mit konkreten taktischen Problemen und den Lösungsmöglichkeiten.

Die Sommer 2013 und 2014 asymmetrisieren die Flügel und die Mitte unpassend

Yaya Sanogo wurde als Mittelstürmer wurde geholt; trotz großem Talent hat er ähnliche Probleme wie Giroud und ist außerdem (noch) nicht gut genug, um sofort zu helfen. Mathieu Flamini fällt in die Kategorie „Spartransfer“; auf dem Papier ist er eigentlich eine sehr gute Option. Für die Bank reicht seine Qualität trotz einer schwierigen Zeit beim AC Mailand aus, er ist Premier-League-erfahren, kennt das Umfeld Arsenals und kann als technisch solider Zerstörer genutzt werden. Doch häufig hat Flamini Probleme in schnellen und komplexeren Spielen; seine Ballverteilung ist unsauber, er begeht Fehler im Herausrücken und kann das Mittelfeld nicht wie gewünscht stabilisieren. Solche Probleme hat auch Arteta, wodurch Arsenal in dynamischen Spielen oder gegen kompakte Gegner kaum passende Spielertypen auf der enorm wichtigen Sechserposition hat. Die Kurzverpflichtung Kim Källströms in diesem Jahr sollte hier keine Abhilfe schaffen.

Durch Artetas mangelnde Vertikalität und Flaminis technischen und strategischen Mängel auf höchstem Niveau müssen die beiden Spieler davor andere Aufgaben übernehmen; neben Jack Wilshere und Aaron Ramsey auf der Acht im 4-1-4-1 muss auch der Zehner im 4-2-3-1 oftmals zurückkommen und das Spiel aus der Tiefe gestalten. Dies raubt ihnen aber die Präsenz ganz vorne. Mesut Özil wurde in diesem Sommer ebenfalls verpflichtet, um dies wohl auszugleichen. Für 50 Millionen Euro kam ein Spieler, der es nicht gewohnt ist diese Aufbaulast und ein so weiträumiges Spiel zu meistern.

Özil ist zwar ein Zehner, aber kein Spielmacher im buchstäblichen Sinne. Es gab einige Spiele, wo er sich aus der zentralen Offensive zurückfallen ließ und das Spiel aufbaute, aber sich daraufhin meist auf simple Pässe konzentrierte; die strategische Ader eines Xavi geht ihm ab, das Wissen um die Effekte von bestimmten Staffelungen, positionellen Bewegungen und Folgewirkungen bestimmter Pässe im Sechserraum fehlt ihm. Er ist dafür aber herausragend im Öffnen von Räumen im letzten Drittel, beim direkten Weiterleiten von Kombinationen, dem Annehmen schwierig zu verarbeitender Bälle und beim Spielen von tödlichen Pässen.

Das wird jedoch häufig nicht genutzt; wegen Özils Verpflichtung wurde Cazorla auf die linke Seite verschoben, meist wurde Walcott, wenn fit, auf rechts eingesetzt und Giroud ganz vorne. Dadurch ist eigentlich fast nur Walcott eine wirklich passende Unterstützung Özils, der die Läufe für dessen Pässe macht und die von ihm geöffneten Räume zum Tor hin attackiert. Cazorla hingegen überlädt die Mitte, wodurch sie zwar dort mehr Präsenz haben, aber auch leichter zu isolieren sind. Auch WIlshere spielte oftmals in dieser Rolle als einrückender Linksaußen.

Die Abgänge von Gervinho und Arshavin in der gleichen Transferphase (Sommer 2013) waren ebenfalls nachteilig, obwohl Arshavin natürlich nicht mehr die Leistungen aus seiner ersten Saison abrufen konnte. Chamakh, Santos und Denilson Neves wechselten ebenfalls, diese Verluste hingegen schmerzten auf dem Feld kaum. Was schmerzte, waren die Verletzungen Girouds; in zahlreichen Partien spielten drei oder gar vier aus Özil, Rosicky, Cazorla, Wilshere und Ramsey zusammen im Mittelfeld hinter Giroud und vor einem oder mit Flamini und Arteta gar zwei Sechsern. Ballkontrolle ja, Spielkontrolle nein, obwohl häufig zwischen 4-1-4-1 und 4-2-3-1 variiert und unterschiedlichen Besetzungen der Positionen variiert wurde.

Darum wurden in diesem Sommer weitere Neuzugänge gesucht. Vorab jedoch: Es kam weder ein neuer hochklassiger Sechser noch wurde ein spielmachender und gleichzeitig die Defensive stabilisierender Achter geholt. Zwei der vielen Problemstellen wurden also nicht besetzt, obgleich dies ansatzweise verständlich ist.

Qual der Wahl führt zu schwacher Rollenverteilung

Mit Jack Wilshere und Aaron Ramsey hat man zwei sehr junge und hochtalentierte Spieler im Zentrum, denen man niemanden vor die Nase setzen möchte. Nichtsdestotrotz ergänzen sie sich nicht gemeinsam mit Flamini oder Arteta; es gibt keinen strategisch kompletten Aufbauspieler auf der Sechs, Wilshere und Ramsey werden darum häufig zu dieser Aufgabe gezwungen, wodurch Wilsheres Fähigkeiten als dynamischer Nadelspieler und Ramseys Torgefahr geringer werden. Sie können dieses Problem trotzdem nicht lösen.

Wenger versucht außerdem diese Spielerkombination im Zentrum häufig einzusetzen, wodurch Özil sehr oft als linker Flügelstürmer agiert; im System Arsenals ohne strategischen Lenker und mit unpassender Flügelbesetzung sowie einigen Defensivproblemen eine eher kontraproduktive Rolle für die Mannschaft und eine äußerst undankbare für Özil. Hier hat Wenger also wieder einen sehr guten Spieler geholt, bindet ihn aber eher suboptimal ein. Die Verpflichtungen des Franzosen in der Defensive und Offensive waren in dieser Saison allerdings überaus gut.

Mit Calum Chambers kam ein junger und talentierter Defensivallrounder, der sowohl als Innen- als auch als Außenverteidiger auflaufen kann. Mathieu Debuchy ist ein sehr offensivpräsenter rechter Außenverteidiger und die beiden kompensieren den Abgang von Vermaelen zum FC Barcelona ziemlich gut, obgleich Vermaelen als Linksfuß eher die andere Seite besetzte. Für die Offensive wurden mit Danny Welbeck und Alexis Sanchez zwei Offensivallrounder geholt, wobei Sanchez aktuell als rechter Flügelstürmer agiert und Welbeck als Mittelstürmer aufläuft.

Zwar ist dies vom Rhythmus ebenfalls nicht optimal, doch Sanchez ist ein Weltklassespieler und Welbeck ein sehr kompletter Akteur.

Problematisch ist aber die Besetzung der Mitte und die Einbindung der beiden Offensivspieler; Özil auf links ist zu weit weg und von seinen Sichtfeldern her unpassend zu Welbecks Läufen und Sanchez‘ Position aufgestellt, Ramsey und Wilshere behindern sich zentral etwas, haben eine unpassende Aufteilung, während die Probleme auf der Sechs nach wie vor gegeben sind. Die Abwehr ist relativ stabil, obgleich die Flügelverteidigung generell (insbesondere auf links mit Gibbs/Monreal hinter Özil) etwas anfällig ist und es defensivtaktische Probleme in der Kompaktheit und der Harmonie der Pressingbewegungen gibt (dem widmen wir uns im dritten und vierten Teil).

Ein besonders großes Problem ist aber, dass die vielen starken Spieler im Kader häufig verletzt sind und dadurch Wengers taktische wie spielerische Möglichkeiten limitiert sind. Doch wer ist daran Schuld? Diese Frage nimmt den Anfang im nächsten Teil ein.

Rene Maric

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