Normalerweise sind Kicker froh, wenn einmal ein paar Wochen keine Trainingseinheiten, Laktattests und Konkurrenzkampf auf dem täglichen Programm stehen. Weil es jedoch immer wieder... Das Phänomen Teilzeit-Urlauber

Normalerweise sind Kicker froh, wenn einmal ein paar Wochen keine Trainingseinheiten, Laktattests und Konkurrenzkampf auf dem täglichen Programm stehen. Weil es jedoch immer wieder unverbesserlich (fußball-)verrückte Exemplare gibt, bedient sich die englische Premier League immer öfter an den Teilzeiturlaubern aus den USA. Zuletzt sorgten prominente Beispiele für Furore.

Verschiedene Strukturen als Chance

Möglich gemacht werden die Kurzzeit-Engagements einiger Stars erst durch die verschiedenen Strukturen in den USA und Europa. Während die Top-Ligen Europas im Februar erst in die Rückrunde und somit in die entscheidende Phase der Saison gehen, herrscht in den USA Pause am Sektor des runden Leders. Zu dieser Jahreszeit dominieren in den Staaten andere Sportarten. Die Konkurrenz ist riesig, trotz Top-Stars wie David Beckham hat die Major Soccer League gegen Eishockey, American Football oder Basketball praktisch keine Chance im Kampf um Aufmerksamkeit, Zuschauerzahlen und Einschaltquoten. Die fußballfreie Zeit im Frühjahr kommt allerdings sowohl Spielern, als auch den Klubs entgegen. Denn mittlerweile ist es nicht mehr ungewöhnlich, dass ein in den USA unter Vertrag stehender Spieler die Pause von Oktober bis März für einen Europa-Trip nutzt. Dabei steht seit einigen Jahren nicht mehr das Sightseeing im Mittelpunkt, sondern die Leistung.

Vorreiter Beckham

Erst richtig in Mode kam das Modell der Teilzeitlegionäre durch David Beckham. Der Engländer entschied sich nach seiner Karriere bei Real Madrid für eine Übersiedlung nach Los Angeles, wo seine Frau Victoria bessere Karrierechancen für sich sah. Da durch die lange Winterpause in der MLS die Spielpraxis völlig verloren geht und der AC Milan im Jänner 2009 dringend einen neuen Leader im Mittelfeld brauchte, fädelte der Vizepräsident der Rossoneri, Adriano Galliani einen Deal ein, der in der Folge Nachahmer am laufenden Band produzieren würde. Unter ihnen Galliani selbst – ein Jahr später, kurz nach dem Jahreswechsel holte Milan den Flankengott erneut nach Mailand. Beckham selbst versprach sich von den Kurzzeitgastspielen bessere Chancen auf einen Platz im Nationalteam. Aus zwei Gründen: einerseits befand sich Beckhams Körper durch das intensive Programm bei Milan in ständigem Trainings- und Spielrhythmus, andererseits stand Becks in Mailand in der perfekten Auslage für den Coach der Three Lions. Vorteile, von denen mittlerweile auch viele andere Spitzenspieler überzeugt werden konnten.

Geschichten, wie sie nur der Fußball schreibt

Auch die Fans kommen beim Modell Teilzeitkicker auf ihre Rechnung. In Mailand herrschte helle Aufregung, wenn David Beckham wieder einmal seine Zelte für ein paar Monate in der italienischen Metropole aufschlug. Auch aus marketing-technischen Gründen war Beckhams Verpflichtung eine goldrichtige Entscheidung. Mit den Erlösen aus verkauften Beckham-Trikots wurde ein großer Teil der finanziellen Belastung (Leihgebühr, Gehalt) für Milan wieder ausgeglichen. In einem anderen Fall gerieten Fans nicht nur aufgrund eines großen Namens in helle Aufregung, sondern feierten eine epochale Rückkehr eines ganz Großen. Thierry Henry, seines Zeichens jahrelang Weltklassestürmer bei Arsenal und dem FC Barcelona, verließ im Sommer 2010 die Katalanen über den großen Teich in Richtung USA. Red-Bull-Chef Didi Mateschitz schaffte es, den Superstar zu seinem Team in New York zu holen. Durch große Verletzungssorgen und Ausfälle wegen des Afrika-Cups fragte Arsene Wenger bei seinem einstigen Lieblingsschüler an, ob sich der Franzose ein kurzfristiges Engagement in London vorstellen könne. Henry überlegte nicht lange und bezeichnete es als „großartig, wieder zu Hause zu sein.“ Henrys erster Einsatz erfolgte im F.A.-Cup gegen Leeds United. Henry wurde von Wenger bei seiner vielumjubelten Rückkehr zu den Gunners nach 68 Minuten eingewechselt, kurze Zeit später brachte er Arsenal in Führung und sicherte seinem Team den Aufstieg. Die Episode reiht sich nahtlos in die Serie der unglaublichen Geschichten ein, die nur der Fußball schreiben kann. Die Leihe soll trotzdem Mitte Februar zu Ende gehen – so steht es zumindest im Vertrag. Englische Medien spekulieren aber nach einem weiteren Henry-Tor in der Meisterschaft mit einer Verlängerung des Leihgeschäfts. Henry selbst wollte allerdings derartige Gespräche und Verhandlungen bisher nicht bestätigen. Nach derzeitigem Stand wäre ohnehin nur eine Verlängerung des London-Trips um zwei weitere Wochen möglich. Im März startet die MLS in die neue Saison.

Viel Prominenz

Nicht nur Henry, auch Robbie Keane überfiel die Sehnsucht nach der Premier League. Der Stürmer, der in den USA bei den Los Angeles Galaxy unter Vertrag steht, schloss sich in der Winterpause Aston Villa an. Aus österreichischer Sicht hat die Verpflichtung des irischen Mittelstürmers jedoch auch einen bitteren Beigeschmack. Andreas Weimann, nach einer langwierigen Verletzung gerade am Weg zurück, bekam mit Keane einen weiteren hochkarätigen Konkurrenten im Sturm von Villa. Und der Ire schlug bei seinem neuen Klub ein wie eine Rakete. In den ersten vier Spielen in der Premier League durfte Keane drei Mal jubeln. Kein Wunder, der 31-Jährige kennt die Liga wie seine Westentasche. Nach Leeds United, Tottenham Hotspur, Liverpool und West Ham ist Aston Villa bereits Keanes fünfter Arbeitgeber in der Premier League. Doch auch dieses Leihgeschäft soll offiziell mit Ende Februar Geschichte sein.

Stars auch in Österreich?

Dem hoffnungsvollen Leser wird sich vielleicht die Frage aufdrängen, ob je ein österreichischer Verein einen solchen Superstar zumindest für ein paar Monate verpflichten können wird. Diese Frage ist natürlich nicht hundertprozentig sicher zu beantworten, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Wechsel nach Österreich reichlich unwahrscheinlich. Die Lebensqualität in Österreich stellt sicher einen großen Vorteil dar, jedoch ist das Gehalt eines Spielers vom Format eines Thierry Henry für keinen rot-weiß-roten Verein auch nur annähernd zu stemmen. Die Hoffnung auf die Verpflichtung eines Top-Stars aus den USA für ein paar Monate wird also aller Voraussicht nach eine Illusion bleiben.

Archimedes, www.abseits.at

Archimedes

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