Darauf hätte wohl niemand auch nur einen Cent gewettet: Nach dem fünften Spieltag kassierte der FC Chelsea mit zwölf Gegentoren die meisten Treffer in... Die meisten Gegentreffer der Liga | Die Gründe für Chelseas Fehlstart in die Premier League

José MourinhoDarauf hätte wohl niemand auch nur einen Cent gewettet: Nach dem fünften Spieltag kassierte der FC Chelsea mit zwölf Gegentoren die meisten Treffer in der englischen Liga. Chelsea gewann im Vorjahr noch souverän die Premier League und ging in 38 Runden nur dreimal als Verlierer vom Platz. Die Anzahl der Niederlagen hat Jose Mourinhos Truppe nun bereits nach dem fünften Spieltag eingestellt. Nach der 3:1-Auswärtsniederlage gegen den FC Everton steht der Klub von Roman Abramovich nur auf dem 17. Tabellenplatz und kann sogar noch auf die Abstiegsplätze rutschen, sollte Newcastle die heutige Partie gegen West Ham United für sich entscheiden.

Fehlstart trotz (fast) unverändertem Personal

Auch heuer ging der Chelsea FC als einer der absoluten Top-Favoriten in die neue Saison. Mourinho musste kaum Leistungsträger abgeben, mit Felipe Luis und Petr Cech verließen lediglich zwei Spieler, die in der vergangenen Saison auf mehrere Einsätze in der Kampfmannschaft kamen, den Verein. Im Gegenzug verstärkten sich die Londoner mit Pedro (FC Barcelona), Abdul Rahman Baba (FC Augsburg), Kenedy (Fluminense), Asmir Begovic (Stoke) und einigen weiteren hoffnungsvollen jungen Talenten. Nach dem Ausfall des Schlussmanns Thibaut Courtois musste Neuzugang Asmir Begovic in die Bresche springen, doch der Ersatzmann ist nicht der Grund, weshalb Chelsea bislang die meisten Gegentore aller Premier-League-Vereine erhielt. Begovic zeigte bisher durchwegs gute Leistungen und verhinderte Schlimmeres.

Mangelndes Selbstvertrauen und individuelle Fehler als Grund für Fehlstart ausgemacht

Jose Mourinho fand neben den seiner Meinung nach unglücklichen Spielverläufen vor allem zwei Faktoren, die den aktuellen Negativtrend begründen. Einerseits spricht er die individuellen Fehlern im Abwehrzentrum an. Er ist nicht zufrieden mit den Leistungen von Terry und Co., was man auch bei der 3:0-Niederlage gegen Manchester City am zweiten Spieltag beobachten konnte, als er das Chelsea-Urgestein zur Pause in der Kabine ließ. Desweiteren klagt er über das verlorengegangene Selbstvertrauen, was er als Hauptgrund für den schwachen Saisonstart angab. Die Spieler müssen wieder Vertrauen in ihre Fähigkeiten bekommen und mit einem Lächeln auf den Platz gehen – dann soll es wieder von selbst laufen.

Verwechslung von Ursache und Folge?

Mit dieser Analyse stellt der Star-Coach die Chelsea-Fans allerdings nicht zufrieden. Dass das Selbstvertrauen angeblich weg ist, ist die Folge der miserablen Leistungen und nicht die Ursache! Die Zweifel in den Köpfen der Spieler machen es jetzt wohl schwieriger wieder auf die Erfolgsspur zu geraten, doch als frischgebackener Meister kann dies nicht der Grund für den Fehlstart sein. Den Spielern könnte es nach einem Meistertitel vielleicht an Motivation fehlen, aber in den erster Runden sollte das Selbstvertrauen vom Meistertitel in die neue Saison herübergerettet und einige Spieltage konserviert werden. Mit den individuellen Abwehrfehlern hat der Coach zwar nicht unrecht, aber die Abwehrreihe ist momentan keineswegs zu beneiden, da die Offensivspieler rund um Fabregas, Hazard und Pedro, kaum bzw. in manchen Situationen auch gar nicht, nach hinten arbeiten und den Gegner durchs Mittelfeld durchspazieren lassen. Einzig Nemanja Matic, der auch das Ehrentor gegen Everton erzielte, bäumte sich im Mittelfeld mit aller Kraft auf, die anderen wirkten, als hätten sie die Order, sich bei gegnerischem Ballbesitz eine Auszeit zu gönnen. Branislav Ivanovic wird von den Fans zu Recht kritisiert, denn der Serbe bringt weder in der Offensive, noch in der Defensive brauchbare Aktionen zustande und läuft seiner Form meilenweit hinterher. Dennoch durfte der Rechtsverteidiger bisher in allen fünf Partien jeweils 90 Minuten durchspielen

Ein kollektives Problem

Auch wenn die Abwehrreihe keineswegs überzeugt, das Problem fängt in der Offensive an. Auch im vergangenen Jahr ließ man beim 6:3-Sieg gegen Everton drei Gegentore zu, mit dem Unterschied, dass die Mannschaft fünf Treffer mehr erzielte. Momentan wirkt die Offensivfraktion überfordert, unkreativ und schlichtweg außer Form. Das Problem ist aber, dass nicht nur das Offensivspiel darunter leidet, sondern auch der Kampf nicht angenommen wird. Cesc Fabregas möchten wir hier als Beispiel anführen: Der Spanier gewann gegen Everton kein einziges Luftduell, machte kein Tackling, beging kein Foul, fing keinen gegnerischen Pass ab und schoss kein einziges Mal aufs gegnerische Tor. Auch Eden Hazard zeigte nicht viel mehr Arbeitseifer, Pedro wirkte etwas bemühter, aber sowohl offensiv, als auch defensiv ineffizient. Mittelstürmer Diego Costa sah man ebenfalls schon weit eifriger bei der Sache, momentan greifen die Räder nicht ineinander und das Team wirkt nicht wie eine Mannschaft, in der die Spieler füreinander laufen und kämpfen.

Mehrere Faktoren für Fehlstart verantwortlich

Insgesamt sind es wohl mehrere Faktoren, die zusammentreffen. Die von Mourinho beklagten unglücklichen Spielverläufe machen dabei jedoch nur einen geringen Anteil aus. Zahlreiche Leistungsträger wie Hazard, Fabregas, Costa und auch die Abwehrreihe befinden sich in einer Unform, die dadurch verstärkt wird, dass das Team nicht wie eine Mannschaft agiert. Es wird zu wenig nach hinten gearbeitet, das Kollektiv, das in den vergangenen Jahren Chelseas größte Stärke war, ging verloren. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen sind viel zu groß, es wirkt ein wenig, als ob die Spieler auch Motivationsprobleme nach dem Erringen des Meistertitels haben. Was dem Coach viele Fans übel nehmen ist, dass er so lange an seinem Stammpersonal festhält. Viele Spieler scheinen zu wenig Druck von der Ersatzbank zu spüren, Neuzugänge wie Abdul Rahman Baba durften bisher noch keine einzige Pflichtspielminute absolvieren.

Einem Trainer vom Kaliber Mourinhos darf man sicherlich zutrauen, dass er den Turnaround schafft, aber auch er spiegelt in den Interviews momentan etwas an Ratlosigkeit wieder, wirkt gereizt und ein wenig ausgelaugt. Es liegt sicher nicht nur am niedrigen Selbstvertrauen und den unglücklichen Spielverläufen, dass Chelsea momentan in den unteren Tabellenregionen zu finden ist. Jede Mannschaft kann einen Fehlstart hinlegen, aber die Ergebnisse der vergangenen Wochen sind kein Zufall, wenn man sich die Art und Weise ansieht, wie sich die Mannschaft präsentiert. Mourinho liegt falsch, wenn er sagt, dass die Ergebnisse nicht die momentanen Leistungen wiederspiegeln. Wir hoffen, dass diese Aussagen nur für die Medien sind und dass sich der Trainer den wahren Problemen innerhalb der Mannschaft widmet:

Stefan Karger, www.abseits.at

Stefan Karger

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