Mario Balotelli durchlebt definitiv eine der wechselhaftesten Fußballerkarrieren auf Topniveau. Von einigen wird er als Weltklassespieler gesehen, so wählte ihn beispielsweise Österreichs Teamkapitän Christian... Transfers erklärt: Darum wechselte Mario Balotelli zum FC Liverpool!

Mario Balotelli - ItalienMario Balotelli durchlebt definitiv eine der wechselhaftesten Fußballerkarrieren auf Topniveau. Von einigen wird er als Weltklassespieler gesehen, so wählte ihn beispielsweise Österreichs Teamkapitän Christian Fuchs bei der Wahl zum Weltfußballer 2012 auf Platz drei hinter Iniesta und Xavi. Von vielen anderen wird sein Talent hervorgehoben, jedoch stehe er sich selbst zu oft im Weg, um sein Potenzial wirklich konstant und voll auszuschöpfen.

Die letzten eineinhalb Jahre verbrachte Balotelli beim AC Milan, trotz seiner starken Torausbeute von 26 Toren und insgesamt 36 Scorerpunkten in 43 Spielen in der Serie A verlief auch diese Karrierestation für den Italiener nicht optimal. Am Fußballfeld erlebte er hierbei den sich fortsetzenden Abwärtstrend beim AC Milan mit, individuell litt er wie die gesamte Offensivabteilung der Rossoneri oftmals unter fehlender Anbindung und mangelnder Unterstützung seiner Kollegen. So konnte er in vielen Situationen recht einfach isoliert und zu oftmals aussichtslosen Einzelaktionen gezwungen werden. Neben dem Rasen wurde er nicht zum ersten Mal in seiner Karriere Opfer rassistischer Beleidigungen von gewissen Fangruppierungen in verschiedenen Stadien Italiens. Weiters wurde er wegen seiner Leistungen einige Male medial übertrieben heftig kritisiert.

Beim vierten Topverein zu konstanter Weltklasse?

Nun wechselt das Enfant terrible des italienischen Fußballs für 20 Mio. € nach England zum traditionsreichen FC Liverpool, der in dieser Saison zum ersten Mal seit 1990 den Meistertitel in der Premiere League wieder an die Mersey zurückbringen will, nachdem die Überraschung in der vorigen Saison knapp misslang. Beim FC Liverpool kam mit ihm nun doch noch der erwartet große Name, der den zum FC Barcelona abgewanderten Superstar Luis Suárez ersetzen soll. Im Sturm hatten sich die Reds bisher erst mit dem bereits 32-jährigen Rickie Lambert, der von Southampton kam, verstärkt. Der Engländer dürfte beim FC Liverpool aber hauptsächlich in gewissen taktikpsychologisch heiklen Situationen wie Schlussphasen bei knapper Führung oder Rückstand und im Zuge der Rotation zum Einsatz kommen und als Rollenspieler einen Plan B darstellen. Der italienische Nationalspieler hingegen wird aller Voraussicht nach der Stammelf aber um einiges näher sein.

Balotelli ist ein sehr athletischer Stürmer mit einer sehr guten Ballbehauptung, guten, jedoch vielfach mit Timingproblemen behafteten Tiefensprints und einem starken Abschluss. Überdies verfügt er über starke Fähigkeiten im Dribbling und ist in einzelnen Situationen auch äußerst kreativ. Seine größte Schwäche dürfte die Entscheidungsfindung sein. Diese äußert sich bei ihm auf eine vielfältige Art und Weise. Am Augenscheinlichsten erscheinen hierbei seine oftmals verfrüht gewählten Abschlüsse aus ungünstigen Positionen unter Druck. In der Saison 2013/14 fanden beispielsweise nur 9,15% seiner Schüsse den Weg ins Tor. Abgesehen davon, dass dieser Wert deutlich geringer ist als jener der meisten anderen Topstürmer wird Brendan Rodgers, der vor allem bei seiner walisischen Trainerstation in Swansea als Verfechter des Ballbesitzspiels galt, wohl versuchen Balotelli qualitativ und quantitativ besser ins Spiel einzubinden als dies den Trainern bei den letzten Stationen des Italieners gelang.

Wie bereits anfangs erwähnt, wird bei Balotelli oft angemerkt, dass er sein Potenzial nicht ausschöpfen könne. Diese Kritik bezieht sich aber meist auf mentale Dinge, seine Einstellung und seine immer wieder kehrenden kleineren Skandale. Aber auch auf dem Platz reduzierte sich der etwas eigenwillige Star in den abgelaufenen Saisons häufig selbst. Er legte sein Spiel zu sehr auf Tiefensprints und Abschlüsse aus und bediente sich seiner weiteren Fähigkeiten zu selten. Darüber hinaus agiert er in einigen gruppentaktischen Situationen zu dominant, visiert falsche Räume an und fügt sich nicht optimal in die strategische Angriffsfortsetzung seiner Mannschaft ein. Bei dieser Kritik muss aber wie bereits oben erwähnt angemerkt werden, dass er unter mangelnder Anbindung an seine Kollegen litt.

Beim FC Liverpool, der für den gerade erst im August 24 Jahre alt gewordenen Balotelli bereits der vierte internationale Topverein ist, trifft der Italiener dabei auf einige Mitspieler, die durchaus ähnliche Probleme in der strategischen Entscheidungsfindung haben wie er, obwohl sich viele von ihnen in dieser Hinsicht gerade in der letzten Saison verbessern konnten. Dennoch sind Gerrard, Sturridge und mit Abstrichen Sterling, Johnson und Henderson anfällig für überhastete tororientierte Aktionen. Liverpool kam darum in der letzten Saison durchaus häufig auch über die Quantität seiner Abschlüsse zu den gewünschten Toren.

Flexibler Stürmer

Balotelli dürfte beim FC Liverpool vorrangig als Mittelstürmer oder seitlicher Mittelstürmer und in vereinzelten Spielphasen im Zuge von Positionsübernahmen als Flügelstürmer eingesetzt werden.

In der Vorsaison nutzte der FC Liverpool unter Brendan Rodgers einige verschiedene Systeme. Neben den gängigen 4-2-3-1 und 4-3-3 Systemen wurde für einige Zeit auch ein 3-5-2 und ein 4-3-3 mit Raute gespielt. Vor allem das 4-3-3 mit Raute scheint für Liverpool eine Option zu sein. In diesem würde Sterling (oder Coutinho, wobei mit dem Brasilianer die Mechanismen unterschiedlich wären) hinter den beiden sich vor allem im Hang zu Tiefensprints ähnelnden Sturridge und Balotelli agieren. Die beiden vordersten Stürmer würden ihre Position etwas nach außen versetzt wählen. Aus dieser seitlichen Grundposition können sie zwischen einer Position im Zentrum und am Flügel wählen und gegebenenfalls in den Halbraum zurückfallen, um sich kurz in das Kombinationsspiel einzufügen. Sturridge hat die Rolle als seitlicher Mittelstürmer bereits in der Vorsaison einige Male sehr erfolgreich gespielt und auch für Balotelli dürfte diese Position kein Problem darstellen, da er auf seine Erfahrungen als Flügelstürmer in (noch) jüngeren Jahren zurückgreifen kann.

Sollte Rodgers aber bei den in der Vorsaison und den ersten beiden Ligaspielen genutzten Varianten im 4-2-3-1 und im 4-3-3 bleiben, so dürfte Balotelli als Mittelstürmer aufgestellt werden, währenddessen Sturridge auf den Flügel (bevorzugt rechts) verschoben wird. Diese beiden könnten je nach Spielsituation miteinander interagieren, rochieren oder alternativ die Position des jeweils anderen über längere Spielphasen übernehmen. Grundsätzlich sollte sich Balotelli als Mittelstürmer ins Kombinationsspiel einfügen, den Ball halten, um seinen Mitspielern die Möglichkeit zu geben, nachzurücken. Gegebenenfalls kann er auch kurz ins Dribbling gehen und im Konter leicht auf die nicht von Sturridge besetzte Seite ausweichen, um seinen Kollegen eine weitere hochwertige Anspielstation in der Tiefe zu geben.

Defensive Schwächen als Chance?

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Liverpool den durchaus überraschenden zweiten Tabellenrang in der Meisterschaft auch einem durchaus ansehnlichen hohen Mittelfeldpressing zu verdanken hat. Obwohl die horizontale Kompaktheit beim ballorientierten Verschieben nicht immer optimal war und somit die Schnittstellen einige Male bespielbar waren, beteiligten sich auch die Stürmer immer wieder engagiert an der Arbeit gegen den Ball. Vor allem in Anbetracht dessen, dass Suarez auch in dieser Disziplin mit seiner kämpferischen Art und seinem individualtaktischen Geschick herausstach, soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Defensivarbeit des nominellen Suarez-Ersatz nicht zu dessen Stärken gehört, obwohl Balotelli unter Mourinho als Flügelstürmer und in einzelnen Partien und Spielphasen danach durchaus anständige Defensivarbeit verrichtete. Dass Rodgers aus Balotelli einen konstant gut mitarbeitenden Pressingstürmer macht, scheint unwahrscheinlich, obwohl Verbesserungen in dessen Defensivarbeit durchaus vorstellbar sind. Die wichtigere Aufgabe Rodgers wird aber wohl jene sein, Balotellis Ruhephasen in der Defensive zu nutzen und seinen neuen Spieler in eine günstige Position bei Balleroberung zu bringen, damit sein Zocken der Offensive im Umschaltmoment mehr bringt als seine Inaktivität in der Defensive schadet.

Fazit

Die Voraussetzungen, dass Balotelli beim FC Liverpool einschlägt, sind gut. Sein Fähigkeitenprofil passt gut zu den Reds und mit Brendan Rodgers hat er einen besonnen wirkenden und intelligenten Trainer, der mit etwas schwierigen Charakteren bisher gut umgehen konnte und zudem die Spieler gut in seine Systeme verpacken konnte. Sollte Balotelli gut und breitflächig eingebunden werden und sich nicht mit seiner Spielweise selbst reduzieren, so könnte er durchaus jene Weltklasse konstant abrufen, die ihm von einigen schon länger nachgesagt wird.

Michael Waldhauser, abseits.at

Michael Waldhauser

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