Der Brite ist für seinen eigenwilligen, oft schwarzen Humor bekannt. Geht es um die englische Fußball Nationalmannschaft und deren Darbietungen bei Großereignissen, vergeht aber... 50 Years of Pain: Geplatzte englische Titelträume seit 1966

England - Flagge_abseits.atDer Brite ist für seinen eigenwilligen, oft schwarzen Humor bekannt. Geht es um die englische Fußball Nationalmannschaft und deren Darbietungen bei Großereignissen, vergeht aber dem Fan der „Three Lions“ allzu oft das Lachen. Seitdem das „Wembley-Tor“ im Finale gegen Deutschland 1966 die WM-Trophäe erst- und bislang einmalig auf die Insel „heim“ brachte, klebt eine Mischung aus Pech, Slapstick und oftmals eigenes Unvermögen an den Fußballstiefeln der Engländer. Die folgenden fünfzig Jahre brachten eigentlich alle Zutaten für eine gute englische Fußballstory, einzig das „Happy End“ fehlt bislang noch. 24 Turniere wurden seit dem Heimtriumph 1966 ausgetragen. 50 Jahre ohne Titel, 50 Jahre ohne Finale für das Mutterland des Fußballs! Wie konnte es dazu kommen? Was ist passiert? Wir schauen uns drei Hauptgründe für die kollektive englische Leidenszeit an!

Erstens: Das eigene Unvermögen

 Nach dem Finalsieg prophezeiten britische Fußballexperten eine goldene Zukunft für das Mutterland des Fußballs. Nach zwei mäßigen Turnieren 1968 und 1970 kam es in der Folge knüppeldick. Bei den sieben großen Turnieren (WM und EM) zwischen 1972 und 1984 scheiterten die „Three Lions“ gleich fünfmal schon in der Qualifikation. Weiters war je einmal in der Vor- bzw. Zwischenrunde Schluss.

Doch auch danach wurde es nicht viel besser. 1988 und 1992 folgte wieder ein frühes EM-Aus in der Vorrunde, 1994 war man dann gar nicht erst für die WM in den Vereinigten Staaten qualifiziert. Zumindest danach legte man die Quali-Schwächen großteils ab und spielte seit der Heim-EM 1996 bei fast allen Turnieren mit. Einzig bei der Alpen-Euro 2008 in Österreich und der Schweiz fehlten die Inselkicker.

Das frühe Vorrunden-Out 2000 darf man ebenfalls in der Kategorie „eigenes Unvermögen“ einstufen. Bei den Weltmeisterschaften 2010 und 2014 setzte man dann mittels Negativrekorden noch eins drauf. In Südafrika stellte ausgerechnet wieder einmal der unbeliebte, große Rivale aus „Germany“ das vorzeitige Heimreise-Ticket im Achtelfinale mit einer 1:4 Packung aus, was gleichzeitig die höchste WM-Niederlage der stolzen Engländer überhaupt bedeutete. In Brasilien scheiterte man dann sogar erstmals seit 56 Jahren bei einer WM wieder in der Vorrunde. Die Fußballgroßmächte aus Costa Rica und Uruguay ließen die „Three Lions“ abermals vorzeitig abreisen.

Zweitens: Lospech und sonstige überirdische Bestimmungen

Doch auch die Losfee meinte es nicht immer so gut mit den Engländern. So spielte man bei Weltmeisterschaften so oft wie kein anderes Team gegen den späteren Weltmeister. Viermal seit Beginn der 50-Jährigen-Horror-Show, insgesamt sogar schon 6x trafen die Inselkicker auf den späteren Titelträger: 1958, 1962, 1970, 1986, 1990, 2002. Außerdem war dreimal war gegen den späteren Europameister Schluss.

Dazu hat sich scheinbar auch der liebe Gott gegen die Männer mit den drei Löwen auf der Brust verschworen. Zum Beispiel damals am 22. Juni 1986 nämlich, als Diego Maradona im Viertelfinale den Ball vor über 114.000 Zuschauern in der 51. Minute regelwidrig über Schlussmann Peter Shilton hob. Der tunesische Schiri sah einen Kopfball statt des Handspiels und wertete das 1:0. Daraufhin rechtfertige der argentinische Superstar das Tor als regulär, „es war die Hand Gottes und der Kopf Maradonas“ die in glorreicher Zweifaltigkeit vereint den Ball über die Linie lenkten. Nicht minder überirdisch dann vier Minuten später das 60-Meter-Solo, als Maradona sechs Engländer zu Slalomstangen degradierte (manche sogar zweimal) und per offiziellem „Fifa Tor des Jahrhunderts“ zur endgültigen Vorentscheidung traf. England schied aus, Argentinien wurde Weltmeister.

Ob man zudem die leidige Sache mit den regelmäßigen Tormann-Schnitzern jetzt in die Kategorie Unvermögen oder Pech steckt, bleibt individuelle Interpretationssache.

Drittens: Die Sache vom Elfmeterpunkt

Dann gibt es noch eine  Konstellation, die bei der englischen Nation für kollektive Schweißausbrüche sorgt. Wenn nämlich bei einem Fußballspiel mit englischer Beteiligung Gleichstand herrscht und sich die Stadionuhr langsam Richtung Minute 120 zählt!

Die Angst vor dem Elfmeterschießen ist nirgends so sehr in die Fußballseele eingebrannt, wie auf der Insel. Nur ein Sieg vom Punkt in sieben Anläufen bedeutet einen absoluten Albtraum-Wert. Nur die Nationalmannschaften von Malawi (7 von 9) und Sambia (13 von 27) haben überhaupt öfters bei Elfmeterschießen verloren – in deutlich mehr Versuchen wohlgemerkt! Insgesamt schied also England sechsmal im Elfmeterschießen aus. Als 1996 ausgerechnet auf eigenem Boden der Fluch mit einem Sieg gegen Spanien scheinbar besiegt wurde, folgte nur vier Tage später der doppelt bittere Reality-Check: Halbfinalniederlage bei der Heim-EM! Natürlich gegen Deutschland – natürlich im Elfmeterschießen!

Erfunden hat’s übrigens, wie könnte es aus englischer Sicht anders sein, ein Deutscher! Karl Wald, ein Schiedsrichter aus Frankfurt hatte Anfang der Siebziger die geistreiche Idee, unentschiedene Spiele schlussendlich doch sportlich zu entscheiden – vom Elfmeter-Punkt. Eine ganz miese Idee, wie man sich in den englischen Pubs unisono einig ist, wenn wiedermal der Frust über ein weiteres, bitteres Penalty-Out runtergespült werden muss!

Eine detaillierte Übersicht zum englischen Elfer-Dilemma gibt’s HIER!

Die Pleitenserie seit 1966 in der Übersicht

1968: Dritter Platz (EM in Italien)
1970: aus im Viertelfinale in der Verlängerung (WM in Mexiko)
1972: nicht qualifiziert (EM in Belgien)
1974: nicht qualifiziert (WM in Deutschland)
1976: aus in der Vorrunde (EM in Italien)
1976: nicht qualifiziert (EM in Jugoslawien)
1978: nicht qualifiziert (WM in Argentinien)
1982: ohne Niederlage in der Zwischenrunde ausgeschieden (WM in Spanien)
1984: nicht qualifiziert (EM in Frankreich)
1986: aus im Viertelfinale – Handtor von Diego Maradona (WM in Mexiko)
1988: aus in der Vorrunde (EM in BR Deutschland)
1990: Halbfinalniederlage im Elfmeterschießen (WM in Italien)
1992: aus in der Vorrunde (EM in Schweden)
1994: nicht qualifiziert (WM in der USA)
1996: Halbfinalniederlage bei der Heim-EM im Elfmeterschießen
1998: aus im Achtelfinale im Elfmeterschießen (WM in Frankreich)
2000: aus in der Vorrunde (EM in Niederlande/Belgien)
2002: aus im Viertelfinale (WM in Südkorea/Japan)
2004: aus im Viertelfinale im Elfmeterschießen (EM in Portgual)
2006: aus im Achtelfinale im Elfmeterschießen (WM in Deutschland)
2008: nicht qualifiziert (EM in Österreich/Schweiz)
2010: aus im Achtelfinale mit höchster WM-Niederlage überhaupt (WM in Südafrika)
2012: im Viertelfinale im Elfmeterschießen gescheitert (EM in Polen/Ukraine)
2014: erstes WM Vorrunden-Aus seit 56 Jahren (WM in Brasilien)

Die Euro 2016 – Wird der Fluch ausgerechnet heuer gebrochen?

Bei der heurigen Euro setzte es bislang nur zwei kleinere, noch tolerierbare Pannen. Da wäre der Last-Minute-Punkteverlust gegen bei diesem Turnier harmlosen Russen und dann „nur“ Rang zwei in der Gruppe ausgerechnet hinter dem kleinen Bruder aus Wales.

Am Montag geht es im Achtelfinale dann gegen Island. Gelingt der Aufstieg, wird die weitere Reise nicht einfacher. In einem möglichen Viertelfinale wird wohl Topfavorit Frankreich (spielen gegen Irland) warten. Danach wäre wahrscheinlich noch Deutschland, Spanien oder Italien aus dem Weg zu räumen, damit der erste Finaleinzug seit 50 Jahren gelingen könnte! Ein harter Weg für die Mannen um Roy Hodgson, doch wer weiß, vielleicht folgt ja genau nach 50 Jahren Leidenszeit das Happy End für die „Three Lions“.

Werner Sonnleitner, abseits.at

Werner Sonnleitner

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