Zu Mittag machten wir uns auf den Weg aus dem südlichen Vorort in die Stadt. Erschwert durch die Streiks der französischen Bus – und... EM-Tagebuch aus Bordeaux (7): Please, don’t take me home

Fußball in Österreich - Flagge_abseits.atZu Mittag machten wir uns auf den Weg aus dem südlichen Vorort in die Stadt. Erschwert durch die Streiks der französischen Bus – und Bahngesellschaften kamen wir mithilfe einiger ungarischer Fans, die uns den Weg ansagten trotzdem relativ problemlos in die Innenstadt, wo wir auch gleich auf einige österreichische Schlachtenbummler trafen. Trotz des immer wieder aufkommenden Regens war die Stimmung bei allen Fans bereits zu Mittag recht gut. Die meisten Schlachtenbummler saßen in Gastgärten bei einem halben Liter Bier zum stolzen Preis von sechs bis acht Euro.

Beim Schlendern durch die wunderschöne und historische Innenstadt von Bordeaux traf man hauptsächlich auf Österreicher, wobei viele Lederhosen trugen, was den Einheimischen recht gut gefiel. Immer wieder wurden wir angehupt oder bejubelt wenn wir wo vorbeigingen. Gegen 14:00 sammelten wir uns mit vielen anderen Rot-Weiß-Roten vor einem Bistro mit recht großem Vorplatz. Von hier aus startete der Mob um 15:00 Richtung Tram-Station. Während am Anfang etwa 150 Fans dabei waren vergrößerte sich der Mob auf über 500 Fans! Vor dem Grand Hotel Bordeaux wurde dann mit größter Leidenschaft die Hymne geschmettert. Einheimische und andere Touristen filmten dieses Spektakel und gaben einen tosenden Applaus! So ging es mit gutem Gefühl in die Tram und ins etwa sieben Kilometer entfernte Stade Atlantique.

Umgeben von Wiesen und alten Firmengeländen stand es also da. Ein optisch von innen und außen wunderschönes Stadion! Wir bezogen unsere Plätze im unteren Rang und es ging auch hier gleich wieder los. Etwa eine Stunde vor Spielbeginn gab es dann das obligatorische Dezibel–Duell. Die österreichische Kurve konnte sich mit 2,4dB Vorsprung durchsetzen, was natürlich die Stimmung unter den Rot-Weiß-Roten noch einmal aufbesserte.

Eine halbe Stunde vor dem Spiel: Andy Marek gibt zum ersten Mal die österreichische Aufstellung durch, danach folgte nur noch Gänsehaut. Bei Fendrichs „I am form Austria“ erheben sich alle österreichischen Fans und singen in einer herrlichen Schalparade aus voller Kehle mit, das neutrale Publikum quittiert es mit Applaus!

Bei den echten Hymnen kochte die Atmosphäre fast über, beide Fanlager wollten sich ständig in der Lautstärke überbieten. Richtig laut wurde es auch gleich nach Anpfiff als Alabas Weitschuss an den ungarischen Pfosten knallte – ein Großteil der Österreicher hat den drin gesehen! Schade dass wir jetzt wieder über das typische „Was wäre wenn“ diskutieren müssen.

Als allerdings unser Team nach der starken Anfangsphase nachließ ebbte auch die Stimmung in unserem Block etwas ab, man merkte einfach dass die Elf nicht das abruft, was sie imstande ist zu leisten. Das Auslassen einiger guter Chancen brachte schon das ungute Gefühl mit sich, dass man möglicherweise nicht gewinnen würde. Angetrieben vom tosenden „RIA – RIA – HUNGARIA“ spielten die Magyaren cleverer als die Österreicher und kamen so auch nicht ganz unverdient zum Sieg. Dass natürlich der Mann in Schwarz auch einen nicht unerheblichen Beitrag dazu geleistet hat, steht außer Frage.

So ging es mit gesenkten Köpfen zurück in die Stadt, während die Ungarn noch im Stadion und dann in der Tram ordentlich Party machten. In einer Sportbar wurde neben dem Portugal–Island Spiel noch über unsere Niederlage sinniert. Nach einigen Flaschen Wein stieg die Stimmung allerdings wieder und wir machten uns auf den Weg in ein Irish Pub, wo wir den Tag mit ungarischen, irischen, französischen und walisischen Fans ausklingen ließen.

Man musste zwar einige Hänseleien der Ungarn aushalten, doch unsere Nachbarn zeigten sich nicht als überheblicher Sieger und man hörte nicht selten, dass sie Österreich gerne im Achtelfinale sehen würden. Mit dem Chant, den uns ein walisisches Fan-Girl anlernte feierten wir bis in die frühen Morgenstunden in einer klassischen Gasse in Bordeaux – „Don’t take me home, please, don’t take me home, I just don’t wanna go to work“ – Ungarn, Iren, Franzosen, Waliser und Österreicher zusammen. So muss Fußball sein! So muss eine EURO sein!

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Michael Preinfalk, abseits.at

Michael Preinfalk

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