Der SK Sturm Graz hat auf dem Weg in die Gruppenphase der UEFA Europa League einen scheinbar großen Brocken in den Weg gelegt bekommen.... Nicht mehr als die Summe der Einzelteile: Schlüsselspieler und Spielweise von Rubin Kazan

Russland - Flagge_abseits.atDer SK Sturm Graz hat auf dem Weg in die Gruppenphase der UEFA Europa League einen scheinbar großen Brocken in den Weg gelegt bekommen. Die Steirer treffen auf Rubin Kazan aus Russland, das am zweithöchsten eingestufte, gesetzte Team im Topf. abseits.at wirft einen detaillierten Blick auf den zweimaligen russischen Meister.

Dass Rubin Kazan in der Europa-League-Qualifikation überhaupt vertreten ist, liegt am Verstoß von Dynamo Moskau gegen das Financial Fairplay. Nominell eigentlich gut aufgestellt verpatzten die Russen den Start in die Liga und liegen nach zwei Niederlagen ohne eigenes Tor am Tabellenende. Doch nicht nur das sollte Sturm Mut machen.

Bekannte Namen werden fehlen

Bei Rubin Kazan stehen aktuell einige interessante und bekannte Namen unter Vertrag, die jedoch nicht gegen Sturm spielen werden. Einer von ihnen ist der 25-jährige Mittelfeldspieler Mubarak Wakaso. Der trickreiche Ghanaer, der in der letzten Saison an Celtic verliehen war, erkrankte an Malaria. Ein weiterer bekannter Spieler, der fehlen wird, ist Yann M’Vila, der bisher 22 Mal im französischen Nationalteam spielte. Der 25-Jährige steht vorm Absprung und wird gegen Sturm nicht dabei sein.

Aus dem gleichen Grund werden auch zwei Stürmer fehlen. Marko Livaja – ehemals als sehr großes kroatisches Talent gehandelt – konnte sich nach seinem Wechsel im letzten Jahr nicht durchsetzen. Ebenfalls keine Zukunft soll der ukrainische Teamstürmer Marko Devic haben. Der 31-Jährige wurde bereits während der letzten Saison nach Katar verliehen. Nicht dabei ist zudem Diniyar Bilyaletdinov – ehemaliger Everton-Legionär und Sohn von Trainer Rinat Bilyaletdinov. Der Wechsel des 30-Jährigen wurde erst letzten Freitag fixiert. Er stand zwar am Wochenende bereits im Kader, wurde für jenen des Duells mit Sturm aber nicht berücksichtigt.

Fehleranfällige Abwehr

In der Defensive setzt Rubin auf einen Mix aus erfahrenen Routiniers und jungen, gut veranlagten Kickern. Im Tor spielt der 34-jährige Sergey Ryzhikov, ein klassischer Shot Stopper ohne großartige Ansätze moderner Torwartfähigkeiten. Rechts hinten haben die Russen in Oleg Kuzmin einen weiteren 34-jährigen Spieler. Der Kapitän ist stets bemüht, zeigt ab und zu interessante Positionierungen im Kombinationsspiel. Andererseits verursachte er im letzten Spiel auch einen Elfmeter als er ungeschickt grätschte. Links gibt es mit dem 20-jährigen Elmir Nabiullin ein junges Talent, das bereits Nationalteamerfahrung hat.

In der Innenverteidigung verlor Rubin mit dem Spanier Cesar Navas viel Routine, weshalb der neue Abwehrchef der 23-jährige Solomon Kvirkvelia sein dürfte. Der Georgier ist mit seinen 1,97m Körpergröße im Zweikampf schwer zu überwinden und zudem ein starker Balleroberer. Andererseits ist seine Spieleröffnung ausbaufähig und er neigt zu individuellen Fehlern. Im letzten Ligaspiel sorgte er für ein Eigentor und flog mit Gelb-Rot vom Platz. Daneben spielte zuletzt Guillermo Cotugno. Der 20-jährige Uruguayer ist allerdings ebenfalls anfällig und agierte letzte Saison noch als Außenverteidiger, war dabei aber kein Stammspieler.

Brasilianischer Individualist und russischer Balancespieler

Eine weitere Möglichkeit für die Innenverteidigung ist Ruslan Kambolov, der allerdings auch für das defensive Mittelfeld in Frage kommt, da er als verlässlicher Spieler gilt und es im Zentrum an adäquaten Optionen mangelt. Gegen Amkar Perm fing der 25-Jährige beispielsweise sechs Bälle ab, war aber auch an fünf Schüssen direkt beteiligt. Die zweite Option ist der weißrussische Teamspieler Sergey Kislyak.

Unabhängig davon wird Magomed Ozdoev gesetzt sein. Der 22-Jährige kam heuer ablösefrei von Lok Moskau und ist aus taktischer Sicht wohl der interessanteste Spieler im Kader. Er bewegt sich im zweiten Drittel extrem viel, positioniert sich gut an den Zuordnungsgrenzen der gegnerischen Spieler, kann als dynamikbringender Nadelspieler am Übergang ins Angriffsdrittel ebenso eingesetzt werden wie als Strippenzieher aus der Tiefe. Er ist derjenige, der die Balance aufrechterhält und wird daher auch gegen Sturm eine entscheidende Rolle spielen.

Der bekannteste verfügbare Spieler dürfte der Brasilianer Carlos Eduardo sein. Er war einst ein wichtiger Baustein im System von Ralf Rangnick bei Hoffenheim und wechselte vor fünf Jahren nach Russland. Der 28-Jährige ist insbesondere wegen seiner individuellen Qualitäten im Dribbling und seiner Dynamikfähigkeit ein Leistungsträger. Andererseits mangelt es ihm an der Konsequenz in der Defensive und phasenweise neigt er dazu, den Ball zu lange zu halten.

Ungleiche Besetzung auf den Flügeln

Am rechten Flügel hat Rubin Kazan in Maksim Kanunnikov einen weiteren russischen Nationalspieler. Der 24-Jährige ist ein zielgerichteter und torgefährlicher Außenspieler, der mit beiden Füßen abziehen kann. Daneben besticht er mit seiner Athletik und hat phasenweise einen höheren Schwerpunkt als der Stürmer. Auf der anderen Seite ist er taktisch nicht überragend, sondern ebenfalls eher ein Individualist, über dessen Seite aber viele Angriffe laufen. Dies liegt einerseits an Hintermann Kuzmin, der die Bewegungen von Kanunnikov gut ergänzt, und andererseits an seinem Gegenüber.

Links spielt nämlich ein gänzlicher anderer Spielertyp: Gökdeniz Karadeniz. Mit 35 Jahren ist der Türke der älteste Spieler im Kader. Mit sieben Toren war er letzte Saison teamintern der zweitbeste Torschütze. Physisch hat Karadeniz bereits einiges eingebüßt und wirkt auch nicht hundertprozentig austrainiert, dennoch ist er nach wie vor gesetzt. Er ist jemand, der Spiel an sich reißen möchte, geht aus diesem Grund auch auf die rechte Seite um sie zu überladen. Selten marschiert er die Linie entlang, vielmehr sucht der Rechtsfuß nach Dribblings in die Mitte den Weg zum Tor. Dabei verpasst er aber manchmal den richtigen Abspielzeitpunkt.

Im Angriff von Rubin Kazan darf man mit Igor Portnyagin rechnen. Der 26-jährige Russe ist ein arbeitsamer Stürmer, der horizontal viel pendelt um Räume zu öffnen und um dann mit Tempo in die Gefahrenzone zu gehen. Im Strafraum kann der 1,91m große Angreifer durchaus unangenehm zu verteidigen sein. Letzte Saison erzielte er elf Tore in der Liga und war damit der torgefährlichste Spieler im Kader. Die zweite Option für die Stürmerposition ist Vladimir Dyadyun, der sich ebenfalls viel bewegt, aber vor dem Tor weniger Gefahr ausstrahlt.

Defensive Einstellung gegen ZSKA

Die Saison begann für Rubin Kazan mit einer 0:1-Niederlage gegen ZSKA Moskau. Im Spiel gegen den Titel-Mitfavorit setzte Trainer Bilyaletdinov überraschend auf eine 5-4-1-Grundformation, wie man im nachstehenden Bild sehen kann. Kambolov gab dabei den zentralen Innenverteidiger und agierte stark antizipativ, während im Mittelfeld neben Ozdoev der unauffällige Kislyak spielte. Links hinten spielte mit Maksim Batov ein offensiv ausgerichteter Flügelverteidiger.

Insgesamt legte Rubin dieses Spiel sehr ängstlich an und hatte nur 30% Ballbesitz. Im Konter lief fast alles über die rechte Seite, was ZSKA aber keine Probleme bereitete. Die Konterversuche versandten oft schon an der Mittellinie. Nur ein Schussversuch ging auf das gegnerische Tor. Dass Rubin trotzdem weniger Balleroberungen als der Gegner hatte, zeigt gemeinsam mit der Tatsache, dass ZSKA 28 Schüsse hatte, wie ineffizient ihr Spiel war.

Im ungewohnten System hatten sie trotz doppelt besetzter Außen und nominell massivem Zentrum kaum Zugriff. In ihrer passiven Stellung wurden sie vom Passspiel des Gegners hin und her geschoben, hatten dabei Probleme in der Rückraumbesetzung wenn ZSKA auf den Außenbahnen durchkam. Außerdem gab es Abstimmungsprobleme zwischen den Innenverteidigern und zentralen Mittelfeldspielern, sodass der Zwischenlinienraum recht groß wurde. Dass das Ergebnis nicht deutlicher ausfiel, lag an Torhüter Ryzhikov.

Wenig Durchschlagskraft gegen Amkar

Im zweiten Ligaspiel gegen Amkar Perm kehrte Rubin dann zum üblichen 4-2-3-1 zurück, verlor aber dennoch mit 0:2. Dieses Spiel hatte eine gänzlich andere Charakteristik. Vor heimischen Publikum hatte man nun selbst 61% Ballbesitz und konnte mehr Schüsse als der Gegner vorweisen. Das bedeutet aber nicht, dass man zwingender als die Gäste war – im Gegenteil. 63% der Schüsse wurden von außerhalb des Strafraums abgegeben, weil spielerisch nicht viel zusammenlief. Die Gegentore fielen nach schweren individuellen Fehlern von Verteidigern.

Im Aufbauspiel griff Rubin oft zu langen Bällen in die Spitze, die aber wirkungslos blieben. Viel hing an den individuellen Fähigkeiten von Carlos Eduardo und Karadeniz, die häufig gemeinsam auf einer Seite zu finden waren. In aller Regel war das die rechte, wo zusätzlich noch Kanunnikov war. Insofern stand man sich mehr selber im Weg als, dass man dadurch effiziente Überladungen zusammenbrachte. Vom Namen her hat Sturm zwar einen durchaus guten Gegner bekommen, die bisher gezeigten Leistungen von Rubin lassen aber darauf schließen, dass die Russen nicht viel mehr als die Summe der Einzelspieler ist.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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