Der Sevilla FC ist der Gewinner der UEFA Europa League 2013/2014. Die Spanier setzten sich im Finale in Turin gegen Benfica im Elfmeterschießen mit... Videoanalyse: Ivan Rakitic, Sevillas strategisches Genie im Europa-League-Finale

FC Sevilla LogoDer Sevilla FC ist der Gewinner der UEFA Europa League 2013/2014. Die Spanier setzten sich im Finale in Turin gegen Benfica im Elfmeterschießen mit 4:2 durch. In den 120 Minuten davor hatten zwar vor allem die Portugiesen die eine oder andere Großchance, im Großen und Ganzen war es jedoch eine Partie auf überschaubarem Niveau. Nur einer stach dabei besonders positiv heraus: Ivan Rakitic. Deshalb widmet sich abseits.at. in diesem Artikel einer Detailanalyse seiner Leistung.

Der 26-Jährige Kroate ist den meisten hierzulande wohl vor allem seit seiner Zeit bei Schalke 04 ein Begriff. Dort überzeugte er vor allem mit seiner Flexibilität, agierte, nachdem er 2007 vom FC Basel kam, zunächst auf den Außenpositionen und wurde dann insbesondere von Felix Magath im Zentrum forciert und lief häufiger auch als Teil einer Doppelsechs auf. Nach einer schwachen Hinrunde 2010 wechselte er im darauffolgenden Winter zu Sevilla.

Rakitics Rolle in Sevillas System

Dort überzeugte Rakitic auf Anhieb, so richtig in den Fokus der Öffentlichkeit rückte er aber erst in den letzten beiden Jahren. 2012/2013 verbuchte er in 34 Einsätzen 18 Scorerpunkte (acht Tore, zehn Assists), in der laufenden Spielzeit hält er bei 24 (je 12 Tore und Assists), ist mittlerweile zum Kapitän aufgestiegen und der wohl wichtigste Spieler für Trainer Unai Emery. Auch gegen Benfica war Rakitic wieder der größte Aktivposten seines Teams, hatte die meisten Ballkontakte am Feld (105) und war an den meisten direkt Schüssen beteiligt (zwei Schüsse, drei Schussvorlagen).

In der 4-2-3-1-Grundformation agierte Rakitic nominell auf der Zehnerposition hinter Solospitze Carlos Bacca. In Wahrheit hatte er aber einen viel größeren Aktionsradius, wie die obige Heatmap bzw. das Passschema verdeutlicht. Besonders auf die linke Seite driftete er immer wieder ab, vor allem im Spielaufbau. Mit Stephane Mbia und Daniel Carrico bot Sevilla auf der Doppelsechs ein defensiv starkes, aber im Passspiel schwaches Duo auf, sodass dieses Abkippen schlüssig erscheint.

Benficas Plan gegen Rakitic

Das grundlegende System von Benfica ist etwas schwieriger zu umreißen, da die Portugiesen nämlich äußerst fluide agierten. Im Offensivspiel ist es im Wesentlichen ein flexibles 4-1-3-2, wobei es dabei immer wieder unorthodoxe Staffelungen gibt. So sieht man phasenweise auch das von der UEFA geführte 4-3-3, indem ein Außenstürmer nach vorne und der andere nach hinten geht, aber auch ein 4-2-3-1 ist möglich. In der Defensive ist die Aufteilung hingegen klarer.

Benfica formierte sich gegen den Ball nämlich in einer 4-4-2-Formation, die sich aber auch den Bewegungen von Sevilla, insbesondere jener von Rakitic, anpasste. Als Beispiel dafür sehen wir uns die unten stehende Szene an. Sevilla will über rechts das Spiel aufbauen und bei Benfica fallen vor allem die beiden Viererketten weit zurück, sodass der Ballführende abdrehen muss. Er spielt auf die andere Seite, Benfica verschiebt schnell und unterbricht die Aktion an der Seitenlinie.

Aus taktischer Sicht ist dabei besonders die Rolle der beiden Sechser interessant. Der ballnahe Sechser lässt sich zunächst in den Raum zurückfallen um diesen abzudecken und das Spiel zu verzögern. Der ballferne Sechser steht dabei noch in etwa auf der gleichen Höhe, läuft nach dem Rückpass aber zügig nach vorne und geht mannorientiert auf Rakitic. Auch der Flügelspieler rückt ein bisschen ein. Damit wollte man den Spielmacher der Spanier isolieren und Zugriff bekommen. Ein weiteres Beispiel sieht man hier.

Raumschaffende Bewegungen

Bei der obenstehenden Aktion erkennt man aber auch das Risiko, das das mannorientierte Verteidigen gegen Rakitic mit sich brachte. Zwar mündet die Aktion in einem Fehlpass des aufrückenden Sevilla-Sechsers, dennoch ergaben sich im Rücken der auf Rakitic gehenden Lissaboner Lücken. Durch intelligente Bewegungen versuchte Rakitic dies auszunützen, indem er noch stärker auf die Seite herauskippte. Man sieht dies im nächsten Video.

Aufgrund der weiten Position von Rakitic wird der rechte Sechser von Benfica aus dem Zentrum gezogen und der zweite Sechser attackiert den Ballführenden. Das reißt ein enorm großes Loch zwischen den Linien, wobei auch andere Sevilla-Spieler dazu beitragen. Der rechte Innenverteidiger positioniert sich außerhalb des Bilds extrem breit und zieht damit Benficas linken Flügelspieler mit. Der Rechtsverteidiger schiebt weit nach vorne und stellt gemeinsam mit dem rechten Mittelfeldspieler gegen Benficas Linksverteidiger eine Überzahlsituation her. Der Flügelspieler rückt in den freien Raum und kann schnell viel Raum überbrücken.

Im Endeffekt wird das Spiel jedoch verschleppt und es ergibt sich keine nennenswerte Torchance. Dass das Verzögern des Spiels nicht notwendigerweise ein negativer Aspekt sein muss, zeigt die nachstehende Szene von Rakitic. Sevilla erobert den Ball und schaltet zunächst schnell um. Rakitic läuft direkt Richtung Tor, dreht dann aber ab.

Warum das in dieser Situation dennoch die richtige Entscheidung ist? Wie gewohnt orientieren sich die Verteidiger stark an den Bewegungen von Rakitic, wodurch aber dessen Mitspielern weniger Beachtung geschenkt wird. Bacca will dies ausnutzen um in die Tiefe zu gehen, bewegt sich aber in den Deckungsschatten eines Abwehrspielers und ist so erst anspielbar als er im Abseits ist. Rakitic erkennt dies und weicht mit dem Ball am Fuß zur Seite aus. Aufgrund des Fokus‘ auf seine Person zieht er damit drei von vier Gegenspielern mit und in der Mitte ergibt sich eine zwei-gegen-eins-Situation für sein Team.

Beschleunigende Dribblings

Rakitic kann das Spiel mit seinen Dribblings aber nicht nur geschickt verzögern, sondern auch sehr gut beschleunigen. Zwei Beispiele wollen wir uns dafür ansehen, beide Male nach Umschaltmomenten. Das interessante dabei ist das perfekte Timing. Er geht beide Male in dem Moment an seinem Gegner vorbei, als dieser außer Balance ist.

In der ersten Szene will Benfica sofort Zugriff über das Gegenpressing bekommen. Dementsprechend offensiv rückt der ballferne Sechser aus der Zentrale heraus und orientiert sich auch der ballnahe nach dem Zuspiel sofort zum Kroaten. Dieser spielt den Ball aber zwischen den beiden durch und kommt in den freien Raum. Entscheidend ist, dass er dies mit dem ersten Ballkontakt macht. Der Herausrückende Sechser befindet sich noch in der Vorwärtsbewegung und kann der Richtung des Balls nicht folgen.

Ähnlich ist es bei der zweiten Szene. Sevilla erobert im Gegenpressing den Ball, Benfica versucht ihn durch selbiges wiederzubekommen. Rakitic wird wieder schnell attackiert, legt sich aber genau in dem Moment, als der Gegenspieler den letzten Schritt zu ihm macht, den Ball vorbei und beschleunigt das Spiel mit einem Vertikalpass.

Beschleunigende Pässe

Wenn man sich die eingangs erwähnte Passgrafik ansieht erkennt man, dass Rakitic in seinem Passspiel überaus variabel ist. Er spielt nicht nur stur in eine Richtung, sondern trifft situationsbedingte Entscheidungen. Das macht es für seine Gegenspieler auch schwer, den nächsten Schritt zu antizipieren bzw. ihn vom Ball zu trennen. Das wichtigste Element in seinem weitreichenden Repertoire sind aber fraglos die raumgreifenden Vertikal- und Diagonalpässe in die Tiefe. Drei davon sehen wir uns genauer an.

Hier sieht man zunächst wieder die breite Position im Aufbauspiel, aufgrund der er zuweilen Räume fand um seine langen Bälle vorzubereiten. Der diagonale Pass kommt zwar beim Rechtsverteidiger nicht an, dennoch ergibt sich aufgrund der nun hohen Dynamik das Potenzial zu einer Torchance. Der gegnerische Verteidiger kann den Ball naturgemäß nicht sofort kontrollieren und der Sevilla-Spieler kann sofort ins Gegenpressing gehen. Dass dabei ein Eckball herauskommt, ist eher für Benfica ein Erfolg als für Sevilla.

In der zweiten Szene ist wieder der aufrückende Rechtsverteidiger der Spieler, der von Rakitic angespielt wird. Die Voraussetzungen sind allerdings andere, denn Rakitic spielt höher und hat mehr Druck. Zudem hat er kein offenes Sichtfeld nach vorne, sondern steht eher diagonal nach hinten. Dass er dennoch den Ball zum Mitspieler bringt, unterstreicht seine hohen technischen Fähigkeiten. Die entstandene Dynamik in dieser Aktion ist vor allem deshalb wichtig, da sie den finalen Pass in den Rückraum der Abwehr, die sich naturgemäß nach hinten orientiert, erlaubt.

Die dritte und letzte Szene behandelt die größte Chance für Sevilla im Finale. Rakitic spielt zunächst einen Doppelpass und beschleunigt das Spiel anschließend extrem spektakulär. Wieder kommt der Pass mit dem ersten Kontakt, noch dazu mit seinem schwächeren linken Fuß. Tempo und Richtung des Zuspiels sind erneut perfekt, der Abschluss von Bacca jedoch nicht und so musste Sevilla im Elfmeterschießen noch um den dritten Europacup-Sieg in acht Jahren zittern.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert