Zwar ist HJK Helsinki finnischer Serienmeister, von großer Qualität zeugt dies aber noch nicht. Die Mannschaft von Trainer Mike Lehkosuo ist relativ gut organisiert... Zielgerichtete Kontermannschaft mit einigen Problemen: Das ist das Team von HJK Helsinki!

Flagge FinnlandZwar ist HJK Helsinki finnischer Serienmeister, von großer Qualität zeugt dies aber noch nicht. Die Mannschaft von Trainer Mike Lehkosuo ist relativ gut organisiert und kann gegen technisch stärkere Gegner eine engmaschige Verteidigungsformation aufbauen, jedoch fehlt es den Finnen an spielerischer Klasse und Kreativität. Unsere Teaminfo über den heutigen Gegner des SK Rapid Wien.

Die Spielanlage von HJK ist nicht sonderlich kreativ, eine besonders innovative Spielphilosophie ist nicht zu erkennen. Man darf davon ausgehen, dass HJK nicht das Spiel macht, sondern sich aufs Verteidigen konzentrieren wird. Das System der Finnen ist ein äußerst defensives 4-2-3-1, das in vielerlei Hinsicht als asymmetrisch zu bezeichnen ist. Im Spielaufbau machen die Innenverteidiger das Spiel breit und einer der beiden Sechser rückt zwischen die Abwehrspieler, um als Aufbauspieler zu fungieren.

Mittelfeldspieler lassen sich „fallen“

Bei gegnerischem Ballbesitz greift HJK auf zwei verschiedene Stilmittel zurück, um die Abwehrkette noch massiver zu machen. Einerseits rückt immer wieder einer der beiden Sechser zwischen die Innenverteidiger, um eine Fünferkette zu kreieren. Der zweite Sechser spielt allerdings auch auf einer sehr tiefen Feldposition, wodurch die Zentralachse quantitativ stark besetzt und demnach sehr eng ist. Die zweite Option ist die sehr defensive Grundausrichtung der äußeren Mittelfeldspieler, die situativ sogar auf einer Höhe mit den Außenverteidigern operieren, die wiederum ein wenig zur Mitte einrücken. Dies ermöglicht HJK in der Defensive die Flügel zu überladen. Diese Defensividee sieht man allerdings nur am aktiven Flügel, während der passive Flügel eher auf Kontergelegenheiten und damit einhergehende weite Pässe wartet.

HJKs Schwächen in der Abwehr

Das Durchkommen durch die finnische Menschenmauer ist also aufgrund der Quantität und der tiefen Feldposition der verteidigenden Spieler durchaus schwierig, allerdings nicht derart hart wie etwa gegen Dila Gori. HJK offenbart nämlich einige Schwächen in der Viererkette.

  • Die Innenverteidiger Moren und Heikkinen haben Abstimmungsschwierigkeiten. Einerseits stehen die beiden Abwehrspieler bei gegnerischem Ballbesitz oft zu eng aneinander, andererseits hat speziell Heikkinen die HJK-Abseitsfalle (vor allem bei Standards!) noch nicht verinnerlicht.
  • Untypisch, aber augenscheinlich: Die Hintermannschaft von HJK ist nicht sonderlich kopfballstark und tut sich bei Flanken aus dem Halbfeld sehr schwer.
  • Zwar bilden die zentralen Mittelfeldspieler in Rückwärtsbewegung die erste Verteidigungslinie, allerdings ist bei HJK nur die Zentralachse so richtig dicht. An den Halbpositionen hat der finnische Meister Probleme in der Raumdeckung, wodurch Schnittstellenpässe in den Strafraum möglich sind. Allerdings sollte man diese nicht erst am Sechzehnmeterraum initiieren, sondern schon etwas früher, zumal der Strafraum stets stark besetzt ist und HJK sehr tief steht.
  • Ein probates Mittel für derartige Schnittstellenpässe stellen auch kurze, hohe Pässe hinter die Abwehr dar. Die zentralen Abwehrspieler der Finnen sind auf den ersten Metern nicht die Schnellsten und haben Probleme, wenn sie zu schnellen Drehungen gezwungen werden. Hinzu kommt, dass der Keeper von HJK, Michael Törnes, nicht ideal mitspielt und es zu Abstimmungsproblemen mit seinen Vorderleuten kommen kann, wenn der Raum zwischen Tormann und Verteidigung bespielt wird. Zumindest im Hinspiel dürfte Törnes allerdings verletzt ausfallen.

Bei defensiven Standardsituationen praktiziert HJK Helsinki Raumdeckung und behält dabei eine wesentlich größere Ordnung, als wenn der Gegner aus dem Spiel heraus zu Flanken kommt. Wenn die Finnen den Ball erobern, geht es sehr schnell nach vorne, wobei die beiden Afrikaner Macoumba Kandji und Demba Savage aufgrund ihrer Durchschlagskraft und Schnelligkeit die Zielspieler sind. Wenn HJK nicht das Spiel macht, wovon gegen Rapid auszugehen ist, wird das Mittelfeld sehr häufig mit langen Bällen überbrückt.

In Nikosia chancenlos

Im Hinspiel gegen APOEL Nikosia hatte HJK gute Momente und beherrschte die erste Halbzeit dank des Durchsetzungsvermögens der groß aufspielenden Kandji und Savage. Nach der gelb-roten Karte für Kandji ruderte APOEL aber zurück und ließ keine Angriffe der Finnen mehr zu. Zwei Kopfballtore stellten schließlich den Endstand von 2:2 her. In Nikosia war HJK über weite Strecken feldüberlegen, nachdem sich APOEL beim Stand von 2:0 zurückzog, gefährlich wurde der finnische Meister aber praktisch nie. Es fehlte am Offensivkonzept und an der Kreativität, sämtliche Offensivbemühungen schienen auf Zufall aufgebaut.

Torhüter

Der dänische Torhüter Michael Törnes ist zwar eigentlich im Kasten von HJK gesetzt, fällt nun aber zumindest für das Hinspiel aus. Daher dürfte der Spanier Toni Doblas, dessen Spielgenehmigung gerade erst eintraf, zu seinem Debüt für HJK kommen. Der 34-jährige Andalusier kam im Sommer vom SSC Napoli nach Helsinki. Doblas stand in den letzten Jahren bei seinen Vereinen in der Kritik, wirkte langsam und machte immer wieder mit seltsam anmutenden Ausflügen auf sich aufmerksam.

Innenverteidigung

In der Innenverteidigung spielen Markus Heikkinen und Valtteri Moren. Über den Ex-Rapidler Heikkinen braucht man nicht im Detail zu informieren. Seine Stärken und Schwächen sind hinlänglich bekannt und der 35-Jährige ist nun endgültig auf die Innenverteidigerposition zurückgerückt, was bei Rapid bekanntlich nie wirklich gut funktionierte. Der 23-jährige Valtteri Moren ist ein im Zweikampf solider Eigenbauspieler, der im Spielaufbau bestenfalls Durchschnitt ist und noch Probleme in seinem Stellungsspiel hat.

Außenverteidigung

Die Außenverteidigerpositionen sind mit Routiniers besetzt. Rechts hinten spielt mit dem 30-jährigen Sebastian Sorsa ein Spieler, der eigentlich aus der Offensive kommt, nun aber zum Außenverteidiger umfunktioniert wurde. Sorsa ist durchaus kampf- und laufstark, lästig im Zweikampf, allerdings technisch keine Koryphäe. Auf der linken Seite spielt mit Veli Lampi ein ehemaliger Ukraine-Legionär. Der 30-jährige Lampi ist wiederum ein solider Techniker, der seine Stärken eindeutig in der Defensive hat, ein guter Kurzpassspieler ist und sich nur selten mit nach vorne einschaltet. Die linke Defensivseite Helsinkis ist mit Sicherheit schwieriger zu bespielen als die rechte.

Optionen in der Abwehr

Tapio Heikkilä (24, Innenverteidiger, FIN – recht athletischer, zweikampfstarker Abwehrspieler)
Gideon Baah (22, linker Verteidiger, GHA – schneller Außenverteidiger, in der Liga gesetzt, im EC eher ein Einwechsler)
Alex Lehtinen (18, linker/rechter Verteidiger, FIN – finnischer U19-Teamspieler, der es aber bisher nur auf Kurzeinsätze brachte)

Ausfälle im zentralen Mittelfeld

Im zentralen Mittelfeld steht HJK vor Problemen, denn die etatmäßige Doppelsechs droht auszufallen. Sicher fehlen wird der routinierte Teemo Tainio, der lange Zeit in England und Frankreich spielte. Der mittlerweile 34-jährige 63-fache Nationalspieler Finnlands verletzte sich beim Rückspiel in Nikosia. Er wäre der Taktgeber und als Kapitän des Teams ein wichtiger Stabilitätsfaktor im Spiel der Finnen gewesen. Und auch Rasmus Schüller dürfte fehlen. Der 23-Jährige machte eine rasante Entwicklung durch, spielte sich über HJK ins Nationalteam und gilt als guter Techniker und wichtiger Umschaltspieler. Zuletzt stagnierte Schüller allerdings ein wenig. Der zentrale Mittelfeldspieler dürfte nur für das Hinspiel ausfallen.

Doppelacht

Aufgrund dieser schmerzenden Ausfälle scheint klar, dass Mika Väyrynen im zentralen Mittelfeld beginnen wird. Der 32-Jährige spielte früher für Heerenveen, PSV Eindhoven und Leeds, gilt als guter Techniker, der im Laufe seiner Karriere vom eher offensiven zum eher defensiven Mittelfeldspieler umfunktioniert wurde und genug Routine mitbringt um Tainio ersetzen zu können.

Neben ihm wird wohl der Heimkehrer Joel Perovuo beginnen. Der 29-Jährige verbrachte zuletzt ein halbes Jahr in Polen, nachdem er schon zuvor 2 ½ Jahre für HJK spielte. Das Gespann Väyrynen-Perovuo ist als Doppelacht zu bezeichnen und es ist unklar, ob die beiden für die voraussichtlich sehr defensive Grundanlage Helsinkis geeignet sind. Alternativen sind auf dieser Position aber nur noch die Talente Fredrik Lassas (17) und Obed Malolo (17).

Offensives Mittelfeld

Davor, auf der „Zehner“-Positon, spielt der 21-jährige Robin Lod, der als recht torgefährlicher Spieler gilt und über einen guten Schuss verfügt. Der finnische U21-Teamspieler ist bei HJK das „Mädchen für alles“ und wird auch gelegentlich im Angriff oder am linken Flügel eingesetzt.

Flügel

Den 26-jährigen Gambier Demba Savage gilt es kaltzustellen. Der torgefährliche Afrikaner kann als Rechtsaußen und Linksaußen gebracht werden, rochiert teilweise auch während der Partie und ist aufgrund seiner Schnelligkeit sehr schwierig zu bändigen. Allerdings kommt bei Savage viel auf die ersten Minuten des Spiels an – wenn er nicht gut in die Partie findet, ist er schon mal das ganze Match unsichtbar. Zudem lebt Savage praktisch nur von seiner Schnelligkeit und seiner Abschlussstärke. Technisch ist der Mann aus Banjul, der in knapp 2 ½ Jahren 30 Ligatore für HJK erzielte, kein außergewöhnlicher Spieler.

Auf der linken Seite machte der 21-jährige Nikolai Alho zuletzt einen merklichen Schritt nach vorne und etablierte sich als durchaus torgefährlicher Flügelspieler. Auch Alho ist schnell und vor allem auf den ersten Metern sehr explosiv, allerdings ist er nicht so effizient wie Savage. Genau wie der Gambier ist aber auch der finnisch-englische Doppelstaatsbürger ein Zielspieler für die schnell vorgetragenen Konterattacken.

Die Rückkehr von Erfan Zeneli macht den Einsatz Alhos allerdings plötzlich wieder unwahrscheinlicher. Der 27-Jährige, nur 169cm große Linksaußen, stammt aus dem HJK-Nachwuchs und kehrte vor wenigen Wochen nach einem glücklosen Halbjahresengagement bei Hapoel Petach Tikva wieder zu HJK zurück. Der kleine Dribbler mit albanischen Wurzeln ist ebenfalls ein sehr explosiver Spieler, der seinem Gegner im 1-gegen-1 wehtun kann. Eine weitere Alternative für beide Flügel ist der 25-jährige Sebastian Mannström.

Angriff

Die auffälligste Figur HJKs ist aber der Angreifer: Macoumba Kandji wurde in Senegal geboren und hält zudem die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Der 29-Jährige spielte neun Jahre als Profi in den USA, ein Jahr in Griechenland und nun seit 2014 bei HJK. Ein wenig steht der 193cm große Angreifer zwar in der Kritik, weil er zu wenige Tore macht, allerdings ist er für das Spiel seiner Mannschaft sehr wichtig. Kandji kann Bälle behaupten und setzt sich mit seinem wuchtigen Körper immer wieder sehr gut durch. Er ist frei von Defensivaufgaben, arbeitet dennoch in der gesamten gegnerischen Hälfte als Antizipativstürmer, der das Spiel gut auf die Flügel verlagern kann. Zudem ist Kandji ein sehr schneller Spieler mit großer Athletik. Einzig an der Effizienz hapert es beim Senegalesen noch extrem.

Auf der Bank verfügt HJK mit Mikael Forssell über einen großen Routinier. Der 33-Jährige, der einst auch mit Rapid in Verbindung gebracht wurde, erzielte in der Vorsaison 14 Tore und hält in der laufenden Spielzeit schon bei sieben Treffern, obwohl er nicht immer gesetzt ist. Auffälliger waren jedoch Forssells Assists seit er wieder bei HJK spielt: Fast jede Torvorbereitung machte der 87-fache Nationalspieler mit der Ferse. Wenn alle Stricke reißen kann HJK auch noch auf den 25-jährigen Ivorer Oussou Konan zurückgreifen. Der bullige Angreifer hat jedoch gegen Kandji und Forssell auf Sicht keine realistische Chance.

Fazit: Mehr als nur machbar

Rapid bekommt es mit einer Mannschaft zu tun, die zwar einige interessante Kicker, aber auch Sorgen hat. Es hapert an der Kreativität, die defensive Stabilität ist bei weitem nicht so hoch, wie man dies aufgrund der massiven Defensivformation vermuten könnte und im Spiel nach vorne ruht viel Verantwortung auf den Schultern einzelner. Die größte Gefahr geht eindeutig von Kontern aus, während Rapid gut beraten wäre, möglichst direkt zu spielen und das (notwendige) Ballbesitzspiel möglichst breit und nicht zu zentrumlastig anzulegen. Wenn sich HJK in der Defensive nicht nur auf die Zentralachse konzentrieren muss, bilden sich zahlreiche Schnittstellen in der asymmetrischen Abwehrkette, die Rapid bespielen kann. Zieht man den Indikator Qualität heran, darf der finnische Meister für den österreichischen Vizemeister definitiv keine Gefahr darstellen.

HJK Helsinki - 21.08.2014

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert