Andrea Pirlo hat so ziemlich alles erreicht, was man sich als Fußballer erträumen kann. Champions League Siege, Meisterschaften und natürlich der Gewinn der Weltmeisterschaft... Der ewige Spielmacher: Juves Andrea Pirlo im Portrait

pirlo1Andrea Pirlo hat so ziemlich alles erreicht, was man sich als Fußballer erträumen kann. Champions League Siege, Meisterschaften und natürlich der Gewinn der Weltmeisterschaft 2006 in Berlin. Und nicht nur kann er sich als Titelträger feiern lassen – nahezu immer gewann er Trophäen als Schlüsselspieler seines Teams. Mittlerweile ist er schon 35 Jahre alt. In den meisten Ecken der Welt eine Eigenschaft, die viele Trainer dazu verleitet, anderen mehr Präsenz zu geben als einem Alt-Star. Nicht so bei der alten Dame. Immer noch ist er der Star des italienischen Serienmeisters, in den letzten beiden Jahren zudem Italiens Fußballer des Jahres.

Jeder US-Amerikaner, würde er dem Fußball so viel Beachtung schenken wie zum Beispiel dem Basketball, würde Pirlo wohl als einen der bedeutendsten „Go-to-Guys“ seiner Zeit kennen. In der Tat läuft so ziemlich jeder Angriff der Bianconeri über ihn. Die komplette Mannschaft ist auf ihn und seine Präferenzen ausgerichtet.

Pirlos Spielstil

Einst von Nationaltrainer Lippi als „stiller Anführer“ beschrieben, kann man das über seine Eigenschaften sprechend auf das Soziale beschränken. Auf dem Feld ist der Mann aus Flero dominant wie kaum ein anderer. Er bewegt sich extrem weiträumig, besonders horizontal. Auch das Spielgerät befördert er gerne in freie Räume weit von ihm entfernt, teils sogar bis hinter die gegnerische Abwehr. Ballschlepper ist er dabei höchst selten, geschickte Drehungen und kurze Haken streut er dennoch allzu gerne ein. Leichtfüßig dirigiert er fast schon nur mit Gesten und Blicken sein Team, ganz besonders natürlich mit dem rechten Fuß. Fußball wird für jeden einfach, der ihn mit solch einem Ausnahmespieler genießen darf.

Akklimatisierung zum Team – taktisch

In der Jugend bei Brescia Calcio vor langer Zeit hieß es des Öfteren: „Gebt Andrea den Ball, den Rest erledigt er schon.“ Dieser Standpunkt seines Trainers hat sich bis heute, all den Änderungen im Profigeschäft zum Trotz, nicht grundlegend verändert. Immer noch ist er die erste Station der Ballzirkulation. In dieser Saison vielleicht noch mehr als zuvor. War Juventus in der Ära Antonio Contes eine kraft- wie, durch Pirlos Eleganz, stilvolle Überfallmannschaft mit großer Durchsetzungsstärke, ist es unter Massimiliano Allegri mehr der Ballbesitz, über den die Schwarz-Weißen in erster Linie kommen. Die vorherige Dreier- wurde zu einer Viererkette. Pirlo genießt hierbei noch mehr Freiheit als zuvor. Sobald die Innenverteidiger weit auffächern hat er extrem viel Freiraum, um den Spielaufbau zu inszenieren. Fast in einer Art Libero-Rolle verteilt er dann die Bälle, hat dabei ähnliche Anspielmöglichkeiten wie einst: Die Außenverteidiger schieben sehr weit vor, es entsteht aus der 4-4-2 Rautenformation grundsätzlich das alte 3-5-2 System. Nur spielt Juves Nummer 21 nun in tieferer Position.

Akklimatisierung zum Team-Kader

Wunderbar ergänzte er sich in Contes Spielstil mit den athletischen und geradlinigen Mittelfeldspielern vor ihm. Besonders in seiner ersten Saison bei der alten Dame ließ er gegnerische Teams an seinen gefühlvoll gechipten Bällen über die Abwehr hinweg verzweifeln. Kaum konnte man ein Mittel gegen die in die hohen Steilpässe hineinspritzenden Spieler wie Vidal oder Marchisio finden. Wenn man es einmal unter Kontrolle zu haben schien, war es schon geschehen: Die Falle schnappte zu. In den meisten Fällen war das für einen Sieg mehr als ausreichend. Typisch italienisch eben. Dieses Szenario tritt immer noch gelegentlich auf, ist aber kaum mehr als gängig anzusehen. Viel mehr haben in der Offensive mittlerweile andere das Zepter vom Altmeister teils übernommen. So zum Beispiel Carlos Tevéz oder das französische Riesentalent Paul Pogba. Natürlich initiiert der Routinier noch immer sehr viele Angriffe, ist jedoch bei finalen Aktionen schlicht weniger präsent als zuvor.

Allheilmittel Standards

Wenn es einmal wirklich nicht zugunsten der Bianconeri laufen mag, tritt der Oldie dann aber doch wieder präsenter in Erscheinung. Generell als ein historisch guter Standardschütze bekannt, gerät ein solches Spiel geradezu zur Bühne für den Feingeist. Unzählige Male hat er den Ball nach einem Pfiff des Unparteiischen punktgenau im Kasten untergebracht und den vielen Fans seiner Vereine doch noch den Tag gerettet. Auch können die Turiner nach Ecken gefährlich sein. Viele Spieler besitzen Gardemaß; Chiellini, Pogba oder auch Llorente sind äußerst kopfballstark und somit gute Abnehmer für Pirlos Flanken.

Das interessante Duell mit dem BVB

Heute geht es für sein Team bekanntlich gegen die Borussia aus Dortmund. Einen Gegner, der ein wirklich interessantes Spiel verspricht. Einen Größenvorteil genießen hierbei sicherlich die Norditaliener. Die intensiv im Mittelfeld pressenden Borussen sind dennoch für das eher zentrumsorientierte Juventus in Rautenformation potenziell sehr gefährlich. Rein nominell müsste der Veteran oft auf Marco Reus oder Shinji Kagawa treffen. Besonders Kagawa ist ein fabelhafter Pressingspieler und könnte Pirlos Nerven ziemlich strapazieren. Interessant wird sein, ob die Schwarz-Gelben ihn wirklich bis in seine tiefe Liberoposition verfolgen oder bis zu einem gewissen Grad gewähren lassen. Auf anderer Seite, ob Juve überhaupt so darauf drängen wird, das Spiel mit typisch großen Abständen zu machen. Schließlich könnten Fehler sofort teuer werden. So oder so, Altmeister Pirlo wird einmal mehr eine Schlüsselrolle einnehmen. Eben wie es schon immer der Fall war.

Lennart Kühl, abseits.at

Lennart Kühl

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