Städte und Familien teilen sich in zwei Lager, neunzig Minuten lang geht es nicht um Sieg, Unentschieden oder Niederlage – es geht um Ruhm... Legendäre Derbys (1) : Derby della Lanterna

HooligansStädte und Familien teilen sich in zwei Lager, neunzig Minuten lang geht es nicht um Sieg, Unentschieden oder Niederlage – es geht um Ruhm und Ehre. Kein Sieg schmeckt süßer als jener im Derby. „Echte“ und historisch bedeutende Derbys sind hierzulande zur Rarität geworden. Doch außerhalb der Grenzen Österreichs ziehen sie die Massen ungebrochen an. Immer wieder bringen überschäumende Leidenschaft und exzessiver Fanatismus aber auch negative Aspekte mit sich, wenn es zu Krawallen und Gewalt zwischen den Fanlagern kommt. Die Hintergründe der Rivalitäten sind vielfältig und oftmals weit in der Geschichte zurückliegend verankert. In unserer neuen Serie beleuchten wir die bedeutendsten Derbys der Welt.

Mit 77 Metern Höhe thront der Leuchtturm von Genua auf einem kleinen Hügel am Hafen der bedeutenden Seefahrerstadt. „La Lanterna di Genova“ dient nicht nur als Navigationshilfe sondern ist als Wahrzeichen der Stadt auch Namensgeber eines der brisantesten Derbys Italiens. Wenn der Genoa CFC auf die Sampdoria trifft, kommt es zum „Derby della Lanterna“.

Wie der Vereinsname schon erahnen lässt, ist der Genoa Cricket and Football Club von Briten aus der Taufe gehoben worden. 1893 hatten sich britische Händler und Diplomaten, die in der Hafenstadt ihren Geschäften nachgingen, auf die Gründung des Vereins geeinigt. Der Genoa CFC trägt seitjeher die englische Flagge im Wappen und ist der älteste noch existierende Fußballverein Italiens. Vier Jahre später, 1897, öffnete der Klub seine Türen auch für Italiener. Bis heute gibt es viele britische Fußballfans, die mit den „Rossoblu“, den Rot-Blauen, sympathisieren.

Auf der anderen Seite steht ein vergleichsweise junger Verein: die Unione Calcio Sampdoria. Die „Blucerchiati“, was so viel wie „die Blauumrahmten“ bedeutet, entstanden aus einer Fusion zwischen Sampierdaranese und Andrea Doria im Jahre 1946. Die Sampdoria-Tifosi werden vorrangig den Vororten und dem Einzugsgebiet rund um die Stadt zugeordnet, während die Anhänger des Erzrivalen traditionell eher aus dem Zentrum der Stadt stammen.

Erfolgreiche Zeiten auf beiden Seiten

Lange bevor „Samp“ überhaupt existierte, feierte der Rivale seine erfolgreichsten Zeiten. Zwischen 1898 und 1924 wurde Genoa gleich neun Mal italienischer Meister. Es waren dies allerdings auch die letzten nennenswerten Errungenschaften in der Vereinsgeschichte, die mit zahlreichen Bestechungs- und Manipulationsskandalen durchzogen ist. Erst 2005 musste der  CFC in die drittklassige Serie C absteigen, da das Entscheidungsspiel um den Aufstieg in die Serie A manipuliert worden war. Der umstrittene Genoa-Präsident Enrico Preziosi konnte sich dennoch bis heute im Amt halten.

Sampdoria kann lediglich auf einen Meistertitel zurückblicken. 1991 feierten die „Blucerchiati“, allen voran mit Gianluca Vialli und Roberto Mancini, die damals ein gefürchtetes Sturmduo bildeten, den Gewinn des Scudettos. Zudem stand Sampdoria zwischen 1989 und 1991 innerhalb von drei Jahren zwei Mal in Europokalendspielen, verlor jedoch beide Male gegen den FC Barcelona. In den Folgejahren konnte nie wieder an die Glanzzeiten angeschlossen werden. Zwischen 1999 und 2003 spielte „Samp“ ebenso nur in der Serie B wie in der Saison 2011/12. Das Derby mit Genoa entfiel in der Vergangenheit aufgrund der unterschiedlichen Ligazugehörigkeit immer wieder, weshalb die Tifosi dem nächsten Duell stets entgegenfiebern.

Kampfbetonte Derbys im gemeinsamen Stadion

Die beiden Kontrahenten eint das Stadio Luigi Ferraris, das der Stadt Genua gehört und beide Vereine für ihre Heimspiele nutzen. Es ist eines der wenigen italienischen Fußballstadien ohne Laufbahn und bietet 36.500 Zuschauern Platz. Die Dachkonstruktion ermöglicht eine beeindruckende Akustik, insbesondere beim „Derby della Lanterna“, das fast immer ausverkauft ist. Die Curva Sud gehört den Ultras Tito Cucchiaroni, die auf Seiten Sampdorias stehen. Auf der Gegenüberseite sind die Ultras Genoani beheimatet, die Ultras des Genoa CFC. Wenn es zum stadtinternen Aufeinandertreffen kommt, erscheint alles andere unwichtig. Da beide Vereine jeweils von einer großen ultrà-orientierten Fanszene unterstützt werden, schaukelt sich die Anspannung hoch, bis sie in einem stimmungsvollen Spektakel gipfelt, das für einen würdigen Rahmen sorgt. Monatelang werden Choreographien für das Derby geplant und gebastelt, der Einsatz von bengalischen Feuern ist selbstverständlich.

Auch am Rasen ging es in der Vergangenheit oft heiß her, wie dieses etwas martialisch anmutende Video vor Augen führt:

Als eines der härtesten Derbys ging jenes vom 7. Dezember 2008 ein: Beim 1:0-Sieg von Genoa wurden gleich elf Spieler verwarnt. Das Duell mit den meisten roten Karten fand in der Rückrunde der selben Saison statt, als mit Thiago Motta und Matteo Ferrari auf Seiten der Rossoblu sowie Hugo Campagnaro von den Blucerchiati des Feldes verwiesen wurden. Das letzte Derby entschied Genoa mit einem 3:0-Triumph am 15. September für sich. Es war der erste Auswärtssieg mit drei Toren Differenz in der Geschichte des Stadtderbys. Das nächste „Derby della Lanterna“ steigt am 2. Februar –die Sampdoria-Tifosi sehnen die Revanche bereits herbei.

Obwohl die beiden Genueser Verein ihre Blütezeiten in völlig verschiedenen Epochen erlebten und einander – sportlich betrachtet – nur selten auf Augenhöhe begegneten, ist das „Derby della Lanterna“ eines der ganz besonderen Duelle im italienischen Fußball.

Statistik:

Erstes Derby:                        3.11.1946      Sampdoria – Genoa CFC 3:0
Torreichstes Spiel:               17.10.1948    Sampdoria –Genoa CFC 5:1
Bilanz nach 89 Spielen:       23 Siege Genoa CFC, 34 Remis, 32 Siege Sampdoria

Benjamin Schacherl, www.abseits.at

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