Perfekter Mix aus Kontertaktik und Angriffspressing – Real nach 3:1 über Barca im Cupfinale
Spanien 27.Februar.2013 Alexander Semeliker 1
Im Rückspiel des Halbfinals der Copa del Rey fügte Real Madrid dem FC Barcelona eine empfindliche Niederlage zu. Nachdem sich die beiden Teams im Hinspiel in Madrid 1:1 trennten, gewann das weiße Ballett das Rückspiel mit 3:1. Für die Gäste trafen zweimal Cristiano Ronaldo und Raphael Varane, Jordi Alba konnte kurz vor Schluss nur mehr verkürzen. Beeindruckender als die Höhe des Siegs an sich und die Tatsache, dass er im Camp Nou eingefahren wurde, war aber die Art und Weise, wie er zustande kam.
Ähnlich wie der AC Milan im Achtelfinalhinspiel der Champions League ließ Real nämlich kaum gefährliche Torchancen zu – 3:8 stand es nach dem Schlusspfiff in der Kategorie „Schüsse auf‘s Tor“. Dass Barcelona mehr Ballbesitz hatte (65:35 Prozent), ist selbstverständlich. Doch wie schon in der Champions League konnten sie daraus keinen Nutzen ziehen. Real zeigte sich im Spiel gegen den Ball nämlich genauso souverän wie variabel.
Barcas Problem mit dem linken Flügel
In Abwesenheit von Tito Vilanova stellte Interimscoach Jordi Roura im Vergleich zu besagter Champions-League-Partie nur auf einer Position um. Im Tor stand Jose Manuel Pinto, was allerdings keine große Überraschung war. Der 37-Jährige kommt nämlich im Cup ständig zum Einsatz. Ansonsten sah man bei den Gastgebern die übliche Formation – mit den üblichen Mängeln. Am augenscheinlichsten ist dabei die Besetzung des linken Flügels. Wie in Mailand begann dort auch in diesem Spiel Andreas Iniesta, während im halblinken Mittelfeld Cesc Fabregas auflief. Wie in Mailand fehlte dadurch die Breite im Angriffsdrittel. Wie in Mailand kam man über diese Seite nicht hinter die Abwehr.
In der Anfangsphase deutete sich zwar eine Besserung an, danach fiel Barca allerdings in alte Muster zurück. Iniesta und Fabregas zeigten zahlreiche schwammige Rotationen, was darin resultierte, dass es unterm Strich weder einen klaren dritten Mittelfeldspieler noch einen linken, breitstehenden Flügelspieler gab. Dadurch beschnitt man sich selbst eines, nominell sogar sehr starken Passdreiecks auf der linken Seite. Dass das einzige Tor über diese fiel, als Jordi Alba vom Flügel reinzog, ist zudem bezeichnend.
„Arbeiter“ Higuain statt „Kombinierer“ Benzema
Dass Barcelona diese Seite vernachlässigte war Real natürlich nicht unrecht. Zwar arbeitete Angel Di Maria fleißig zurück und verfolgte Alba konsequent, allerdings stand hinter ihm mit Alvaro Arbeloa ein zeitweise fehleranfälliger Außenverteidiger. Durch das drucklose Spiel des FC Barcelona kam die mögliche Bruchstelle allerdings nicht zum Vorschein. Neben dem Welt- und Europameister lieferte Raphael Varane einmal mehr eine Talentprobe ab. Das französische Innenverteidigertalent zeigte schon im Hinspiel eine einwandfreie Leistung, als er zum Ausgleich traf. Auf der Doppelsechs sah man die gewohnte Besetzung mit dem lauffreudigen Sami Khedira und Xabi Alonso als passstarken Strategen.
Überdies hinaus nahm der Spanier auch Barca-Superstar Lionel Messi in Manndeckung, wenn sich dieser fallen ließ. Während der Argentinier in dieser Partie bis auf zwei Aktionen äußerst blass blieb, zeigte sein großer Konkurrent Cristiano Ronaldo auf Reals linkem Flügel mit zwei Toren auf. Die einzige, aus taktischer Sicht interessante Entscheidung Jose Mourinhos war es, Gonzalo Higuain als Sturmspitze Karim Benzema vorzuziehen. Der Argentinier fiel zwar in der allgemeinen Wahrnehmung nicht sonderlich auf, schaffte allerdings mit intelligenten Bewegungen Räume für seine Mitspieler und war auch im Pressing sehr aggressiv. Eine Aufstellung von Benzema wäre hingegen ein deutliches Zeichen gewesen, dass man mehr „mitspielen“ wolle.
Hohes Pressing hält Barca vom Strafraum fern
So war der Matchplan der Madrilenen klar dahingehend aufzufassen, dass sie die Katalanen mit Laufarbeit und Zweikampfhärte unter Druck setzen wollten – 13 Fouls und 27 Tacklings kamen dabei heraus. Mit dieser aggressiven Spielweise hielten sie den Gegner weitestgehend von den gefährlichen Zonen fern und erstickten gefährliche Angriffe oft schon in der Anfangsphase.
Nicht zu verwechseln ist hierbei, dass sie nicht die gleiche Strategie wie Milan verfolgten. Die Italiener standen kompakt vorm eigenen Strafraum und nahmen dem FC Barcelona dort die Optionen, Real hingegen übte aktiv Druck auf Ball und Gegner aus, ging dadurch auch ein höheres Risiko ein. Eine beispielhafte und gleichzeitig kuriose Szene sieht man im nebenstehenden Bild. Barcelona, das üblicherweise gerne Freistöße kurz abspielt, bekam im eigenen Strafraum eine solchen zugesprochen. Da Real aber derart hoch stand, mussten sie einen, für sie ungeliebten langen Ball spielen.
Özil, Di Maria und Ronaldo – die perfekten Umschaltspieler
Je länger das Spiel dauerte, umso mehr rückte Real von dieser Taktik ab, streute nur mehr vereinzelte, kurze Pressingwellen ein und verlegte sich auf das gewohnte Konterspiel, das sie beherrschen wie kaum ein anderes Team. So hatten die ersten beiden Tore ihren Ursprung in einem Konter, an denen die drei tragenden Säulen jeweils ihre Qualitäten eindrucksvoll unter Beweis stellten. Der Ausgangspunkt für nahezu jeden Gegenstoß der Hauptstädter ist Mesut Özil.
Der Deutsche kann mit wenigen – meist sind es nicht mehr als zwei – Ballkontakten und selbst unter größter Bedrängnis das Spiel schnell machen und seine Teamkollegen mit präzisen langen Pässen einsetzen. So leitete er beispielsweise nach einer Balleroberung am eigenen Sechzehner mit einem Heber über Alba auf Higuain, der in weiterer Folge Ronaldo schickte, den Elfmeter zum 1:0 entscheidend ein. Eben jener Ronaldo ist aufgrund seiner Schnelligkeit und Athletik ein ebenso wichtiger Baustein für das Konterspiel Reals – gleiches gilt für Di Maria, dessen abgewehrten Schuss der Portugiese zum 2:0 einschob.
Offensichtliche Umstellungen bleiben ohne Erfolg
Dieses Spiel war genauso wie die 0:2-Niederlage in Mailand ein weiteres Indiz dafür, dass bei Barcelona der vielzierte „Plan B“ fehlt. Messi wurde einmal mehr mit einer, mehrere Spieler umfassenden Manndeckung aus dem Spiel genommen, das schnelle Hin- und Herpassen sorgt zwar für eine beeindruckende Pass- und Ballbesitzstatistik, setzt den Gegner aber nicht unter Druck. Zu dieser fehlenden Tiefe kommt hinzu, dass auch die Breite in Spitzenspielen oftmals kaum vorhanden ist. Diesen Problemen wollte Barca-Coach Roura mit logischen Umstellungen entgegenwirken. Zum einen brachte er mit David Villa für Fabregas einen klassischeren Flügelspieler, zum anderen zog er Gerard Pique in die Spitze vor. Für die an diesem Tag hochsichere Real-Defensive war dies allerdings kein Problem.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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