Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive... Transfers erklärt: Darum wechselte Neymar zum FC Barcelona

FC Barcelona Logo 2Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?

Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.

In dieser Ausgabe blicken wir auf den 52-Millionen-Euro-Transfer des womöglich gefragtesten Jungstars der Welt, der zum Dauerfavorit auf den Champions-League-Titel in den letzten Jahren wechselt. Die Rede ist natürlich von Neymar, der eine zusätzliche Dimension in das Tiqui Taca bringen soll – nur welche?

Neymar – Hype oder nicht?

Für viele ist er nur das neue überschätzte Popsternchen am brasilianischen Fußballhimmel. Jungstar Neymar wird von vielen nicht als „neuer Pelé“, sondern als „neuer Robinho“ bezeichnet. Einige trauen ihm nämlich keine herausragenden Leistungen in Europa zu, weil er zu indiszipliniert, körperlich schwach und zu langsam in der Entscheidungsfindung sein soll. Wie bei Robinho zielt die Kritik also darauf ab, dass er in einer “Operettenliga“ seinen Gegenspielern zwar maßlos überlegen ist, aber ein Schönwetterfußballer sein soll. Auf Neudeutsch heißt es dann oft auch  „Youtube-“ oder „Highlight“-Fußballer, bei den Brasilianern gibt es mit „Pizarrero“ gar einen eigenen Begriff für solche Akteure.

Doch Neymar ist nicht nur ein Dribbler und diese pauschalen Beurteilungen werden ihm nicht gerecht. In den letzten 14 Länderspielen erzielte er 11 Tore und gab sechs Vorlagen, was für einen 21-Jährigen ein hervorragender Wert ist. Er ist auch einer von nur acht brasilianischen Spielern, die in ihren ersten 32 Länderspieleinsätzen mehr als 20 Tore erzielten. Mit Tostao, Zico, Leonidas, Ademir, Jair, Pelé und Luis Fabiano befindet er sich hier in namhafter Gesellschaft.

Kein reiner Individualist

Neben seiner Effektivität und seinen Dribbelfähigkeiten, von denen wohl jeder einige Videos gesehen hat, besticht er aber auch durch Spielintelligenz. Im Gegensatz zu Robinho ist er nämlich kein reiner Individualist, der nur mit Ball am Fuß gut ist. Neymar bewegt sich auch in gruppentaktischen Spielzügen sehr gut, erkennt freie Räume, macht sich dynamisch anspielbereit und kann auf engem Raum gut kombinieren. Sein künftiger Trainer Tito Vilanova lobte ihn zusätzlich noch für sein Defensivspiel und seine Laufarbeit.

Mit diesen Fähigkeiten, bei einer besseren Entscheidungsfindung und angepasster Spielweise und Physis könnte Neymar also dem extremen Hype, der um ihn herum existiert, mit der Zeit durchaus gerecht werden. Beim FC Barcelona dürfte er wohl auf dem Flügel als Außenstürmer auflaufen – in der Nationalmannschaft agierte er bisweilen als Zehner, bei Santos gar als falscher Neuner in einer Freirolle. Bei den Katalanen nimmt dieser Rolle Lionel Messi ein, der sein kongenialer Partner werden sollte.

Mögliche Einsatzbereiche für den Neuzugang

Neymar vereint dabei einige herausragende Eigenschaften. Mit seiner Technik könnte er sich in die Kurzpassmaschine des FC Barcelona gut einklinken. Seine Spielintelligenz und Dynamik dürfte dafür sorgen, dass er trotz der Rolle auf dem Flügel viel Torgefahr ausüben kann – dies ging Pedro trotz ähnlicher Fähigkeiten diese Saison ab, Alexis Sanchez zeigte sich vor dem Tor nicht effektiv genug. Womöglich könnte es auch darauf hinauslaufen, dass die Asymmetrie im Spiel des FC Barcelona verschoben wird. Statt der rechtsseitigen Asymmetrie, wo Dani Alves enorm hochschiebt und Alba wie einst Abidal tiefer bleibt, könnte diese linksseitig ausgeübt werden. Dann würde Alba den hohen Part übernehmen und Alves würde tiefer stehen; diese Rolle hat Alves in einzelnen Clásicos vor zwei Jahren auf hohem Niveau gezeigt und dort dann Cristiano Ronaldo hervorragend aus dem Speil genommen.

Alternativ könnte auch Neymar auf dem rechten Flügel spielen und Alexis Sanchez oder Pedro auf die linke Außenbahn rutschen. Hier würde Neymar wohl vorrangig diagonal agieren und sich eventuell mit Messi reiben, andererseits könnte er sich auch bei Messis oft vorkommendem Zurückfallen in den rechten offensiven Halbraum nach vorne bewegen. Mit Neymar gäbe es dann einen extrem schnellen und dribbelstarken Akteur, der die gegnerischen Verteidiger an der Verfolgung Messis hindert. Dieser kann dann auch Lochpässe auf Neymar durchspielen, dessen Geschwindigkeit und starker Torabschluss ideal zum Tragen kämen.

Eine weitere Möglichkeit wäre das Agieren mit zwei offensiven Außenverteidigern, wie es diese Saison über lange Zeit praktiziert wurde. Dann könnte Neymar mit Sanchez (bspw.) auf den Außensturmpositionen sich beim Besetzen des Sturmzentrums, dem Breitegeben und dem Zurückfallen in die Halbräume abwechseln, während Messi sich zentral aufhält und seine Bewegung für sie als Orientierung dient.

Letztlich wäre auch eine Systemumstellung möglich, dürfte aber wohl am unwahrscheinlichsten sein. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel ein 4-3-1-2 mit Iniesta und Xavi in den Halbpositionen, Fabregas als falsche Zehn davor und gleich zwei falschen Neunern in Messi und Neymar davor. Damit könnte sich eine bessere Rolle für Fabregas ergeben, Neymar und Messi könnten jeweils kreativ wirken oder auf die Flügel gehen. Problematisch wäre hier wohl die Breite im Aufbauspiel im letzten Drittel und die mangelnde Dynamik Fabregas‘, welche diese Variante wohl impraktikabel machen. Auch Messi auf der Iniesta-Position und Neymar als falsche Neun erscheint eher wie eine negative statt einer positiven Veränderung.

Fazit

Voraussichtlich dürfte Neymar also auf eine der beiden Flügelstürmer-Positionen gehen und dort als Zuarbeiter für Messi agieren, den man aber wohl mit einem größeren Fokus auf Torabschluss und Kreativität als die bisherigen Flügelstürmer einsetzen wird. Interessant wird sein, wie er sich an den europäischen Fußball anpasst, ob und wie sich seine Entscheidungsfindung verändern wird und ob er sich damit durchsetzen kann. Von allen Topteams scheint Barcelona aktuell aber die wohl beste Wahl für Neymar gewesen zu sein.  Außer, er wird zum neuen Robinho.

Rene Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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