Wie schon in der vergangenen Winterpause gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive... Transfers erklärt: Die vielen taktischen Facetten, die der Bale-Transfer Real Madrid verleiht (3)

Real Madrid Vereinswappen LogoWie schon in der vergangenen Winterpause gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?

Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.

In dieser Ausgabe blicken wir auf den größten Transfer des Sommers – und womöglich aller Zeiten (Zahlen schwanken zwischen 91 Millionen € und 100 Millionen €) –, für den sich Real Madrid verantwortlich zeigt. In einem umstrittenen Transfer holten sie einen Tag vor Transferschluss Gareth Bale und werden versuchen den walisischen Superstar in ihre Mannschaft einzubauen. In dieser dreiteiligen Serie wollen wir Bale und seinen Werdegang vorstellen, dann ihn als Spieler erklären und die Ablöse ein bisschen begründen, während wir im letzten Teil die taktischen Nutzungsmöglichkeiten bei Real darlegen.

Der wichtigste Punkt: Synergie statt Antagonie

Bevor wir die unterschiedlichen Varianten – beziehungsweise eine logisch umsetzbare Teilmenge der unendlichen potenziellen Möglichkeiten – mit Bale bei Real präsentieren, klären wir noch die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung. Carlo Ancelotti, der schon spektakulären Fußball versprochen hat, wird sehen müssen, wie er die Fülle an hervorragenden Einzelspielern (Modric, Isco, Di Maria, aber allen voran eben die sehr präsenten und dominanten Cristiano Ronaldo und Gareth Bale) in eine Mannschaft bringt, ohne dass sie sich gegenseitig auf den Füßen stehen oder andere Basics wie das strategische Herausspielen von Chancen im zweiten Drittel oder die durchgehende Defensivarbeit vernachlässigen.

Interessant ist zum Beispiel, dass Bale und Ronaldo im zweiten und im vorderen Teil des letzten Spielfelddrittels sehr ähnliche Laufwege haben. Allerdings sind sie eher seitenverkehrt aufzustellen, da sie „unterschiedlich-füßig“ sind und sich im Strafraum verschieden bewegen. Werden sie sich also auf den Füßen stehen oder werden sie gar Synergien durch richtiges Driften in die Halbräume erzeugen? Werden sie sich vielleicht sogar eher vertikal statt horizontal aufteilen? Das dürften die wichtigsten Fragen bei diesem Transfer sein – wie ergänzen sich die zwei Superstars? Eine Systemänderung erscheint wahrscheinlich, sie wurde gar schon vor dem Bale-Transfer angedeutet / angekündigt.

4-3-3-Rollenverteilung mit Flügelfreirollen

Bei einer 4-3-3-Rollenverteilung könnten sie beide auf ihrer nominellen Idealposition agieren. Bale würde dann über rechts kommen und in die Mitte und nach vorne driften, während Ronaldo das Gleiche über links macht. Zentral gäbe es dann entweder bei einer 4-2-3-1 einen ausweichenden Zehner wie Isco, der auf die Flügel geht und sich als Anspielstation im Kombinationsspiel anbietet, oder es wird mit einem 4-1-2-3 agiert, wo Benzema vorne ausweicht und eine Doppelacht sich hinter Ronaldo und Bale anbietet, diese mit Pässen versorgt und defensiv absichert. Beide Formationen hätten bei gleicher oder ähnlicher Rollenverteilung unterschiedliche Auswirkungen. Erstere klingt wegen Isco und seiner Spielweise, die Bale und Ronaldo entgegenkommen könnte, wahrscheinlicher.

4-2-2-2

Eine andere Option wäre ein 4-2-2-2, welches Ancelotti teilweise schon bei Paris St. Germain genutzt hat. Hier gäbe es aber zwei unterschiedliche Varianten:

Bale und Ronaldo auf der gleichen Linie

Bei dieser Variante würden Bale und Ronaldo in der gleichen Linie operieren. Beispielsweise wäre Cristiano Ronaldo der halblinke Zehner und Bale der halbrechte Zehner, während davor mit zwei Mittelstürmern agiert wird. Isco und Benzema könnten das machen und immer wieder auf die Flügel ausweichen, obgleich das sehr unwahrscheinlich erscheint, da Isco nicht der Spielertyp dafür ist. Isco sollte außerdem auf der Zehn eingesetzt werden und würde Morata diese Rolle als ausweichender Mittelstürmer einnehmen, wäre es wohl eine zu große individuelle Schwächung. Darum erscheint eher eine andere Herangehensweise sinnvoll.

Bale und Ronaldo auf unterschiedlichen Linien

Stattdessen wäre es sehr gut möglich mit Bale und Ronaldo auf unterschiedlichen Ebenen der Formation zu agieren und die Formation dadurch asymmetrisch auszulegen. Beispielsweise könnten Bale und Isco auf der Doppelzehn spielen und rochieren, während vorne Benzema mit Ronaldo agiert. Der Portugiese wäre damit tornah positioniert, könnte seine Kopfballstärke für gelegentliche Flanken ausspielen und sich auch im letzten Drittel frei bewegen.

Isco und Benzema wären die beiden ausweichenden Spieler und Balancegeber, Ronaldo und Bale könnten voneinander so weit wie möglich entfernt ihre jeweiligen Freirollen ausüben. Ronaldo hatte diese Rolle schon unter Mourinho inne und wird sie auch unter Ancelotti haben. Außerdem wäre durch die Asymmetrie auch eine situative 4-2-3-1 oder 4-1-2-3-Bildung möglich, desweiteren könnten die offensivstarken Marcelo und Carvajal ihre Offensivstärke komplett ausüben. Dahinter wären mit Khedira, Alonso, Illarramendi, Casemiro und Modric unterschiedliche Sechserpaarungen möglich.

Wenn dieses 4-2-2-2 zu offensiv wäre oder es zu wenig Breite beziehungsweise ausreichend Absicherung für die aufrückenden Außenverteidiger gäbe, dann könnte auch ein 4-3-2-1 mit Bale auf der Halbposition gespielt werden. Isco und Bale könnten als Doppelzehn hinter Ronaldo spielen, Modric und Khedira wären entsprechend der Asymmetrie zwischen Isco und Bale eine Doppelachtpaarung mit unterschiedlicher Rollenverteilung und dahinter könnte Alonso auf der Sechs spielen.

4-3-1-2: Bale und Cristiano als Mittelstürmer

Die womöglich taktisch interessanteste Alternative könnte eine flexible Raute sein. Hier wären, auch in Anbetracht der Ermangelung eines unumstrittenen Topstürmers, sowohl Bale als auch Ronaldo Mittelstürmer. Dahinter würde Isco immer wieder auf die Flügel ausweichen, dort die Außenverteidiger unterstützen und die Achter (Khedira und Modric beispielsweise) würden ebenfalls aufrücken. Mit diesem System wäre extreme Flexibilität und guter Support für die beiden Stürmer gewährleistet, außerdem wäre die Spielweise extrem konterstark und auch gut in Ballbesitz. Fraglich wäre lediglich, wie der Angriffsvortrag aussehen würde – mit Xabi Alonso, langen Bällen und Gegenpressing oder mit Illarramendi und Modric als kreative Schaltstation. Generell könnte dies beim Bale-Transfer ebenfalls ein wichtiger Faktor sein.

Rückkehr zur Brechstange?

Unter Mourinho spielten die Madrilenen nämlich phasenweise einen – aus taktischer Sicht – „brutalen“ Fußball. Es wurde viel mit Alonsos langen Bällen operiert, das Mittelfeld wurde von ihm überbrückt und Khedira als zweiter Sechser stieß viel nach vorne, um sich dort im Kampf um die zweiten Bälle zu beteiligen. Dies war auch der Grund, wieso Modric lange Zeit nicht Fuß fassen konnte und generell eher auf der Zehn spielte. Diese Spielweise könnte mit Ronaldo und Bale, zwei sehr athletischen Fußballern, ebenfalls wieder genutzt werden.

Allerdings wäre es im Idealfall eher eine Alternative für die Schlussphase oder bestimmte Spiele (Clásicos), da es mit Modric und Illarramendi sowie auch Isco eher ruhigere Aufbauspieler gibt. Özil war zwar keine (Gegen-)Pressingmaschine, aber konnte die eroberten Bälle enorm schnell in die Schnittstellen der bewegten gegnerischen Formation spielen. Isco kann das zwar ebenfalls, aber nicht so konstant und stark, während er in einem strategischeren und weniger raumgreifenderen Fußball besser aufgehoben wäre, als Özil.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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