Die serbische Liga ist bekannt dafür, dass man fast zur Hälfte aller Auswärtsspiele mit der Straßenbahn anreisen kann – zumindest wenn man Fan eines... Eine Backstube für Talente: Partizan Belgrad wirft heiße Zukunftsaktien ins kalte Wasser – mit Riesenerfolg!

Die serbische Liga ist bekannt dafür, dass man fast zur Hälfte aller Auswärtsspiele mit der Straßenbahn anreisen kann – zumindest wenn man Fan eines Belgrader Klubs ist. Mit Partizan, Roter Stern, OFK, Rad und BSK gibt es fünf Belgrader Klubs in der 16er-Liga, dazu drei Klubs, deren Heimstätten maximal 80 Kilometer von Belgrad entfernt sind. Dennoch ist die serbische Liga international bedeutungslos – einzig Roter Stern Belgrad und der Vorzeigeklub Partizan fungieren als Aushängeschilder für den serbischen Fußball. Letzterer noch viel mehr als Erster.

VOJVODINA NOVI SAD NOCH ZU UNBESTÄNDIG

Vojvodina Novi Sad hatte in den letzten fünf Jahren klar einen Platz hinter den beiden Belgrader Großklubs angemeldet. Vier von fünf Saisonen beendeten die Rot-Weißen aus der Vojvodina unter den Top-3, 2008/09 gelang sogar der Vizemeistertitel. Heuer gab’s das Europacup-Aus gegen den FC Vaduz, vor zwei Jahren gegen die Wiener Austria, vor drei Jahren in der zweiten Runde gegen Hapoel Tel Aviv und im Jahr davor ebenfalls in der zweiten Runde gegen Atletico Madrid. Auch finanziell ist der Klub noch steigerungsfähig: Zwar exportiert Novi Sad zahlreiche Kicker ins Ausland, durchschnittlich liegen die Ablösesummen jedoch unter einer Million Euro. Einzig die Transfers von Gojko Kacar zu Hertha BSC (3 Millionen Euro), Torhüter Damir Kahriman zu Konyaspor (2 Millionen Euro) und Danijel Aleksic zum FC Genua (2,3 Millionen Euro) spülten viel Geld in die Vereinskasse. Doch all diese Transfers sind zwischen zwei und fünf Jahren her und der Verein, der auf derartige Spielerwechsel angewiesen ist, hadert damit, dass es eben nicht jedes Jahr den Top-Jahrgang gibt, den man vergolden könnte.

ROTER STERN „MUSS“ VERKAUFEN

Ähnliche Sorgen hat Roter Stern Belgrad. Das Traditionsteam hat schwere finanzielle Probleme und muss seine Topspieler früher oder später an den Mann bringen, um Bares für sie zu bekommen. Und wenn der Preis nicht stimmt, muss man zumeist auch nachgeben, zumal andere Klubs deutlich mehr Gehalt zahlen können. So kam etwa der vielbesprochene Transfer des Brasilianers Cleo von Roter Stern zu Partizan zustande. Im Laufe der Saison 2006/07 erwirtschaftete Roter Stern fast 20 Millionen Euro aus Transfererlösen. So wurde unter anderem Nikola Zigic um 5 Millionen Euro an Racing Santander verkauft, Aleksandar Lukovic (Udinese Calcio) und Bosko Jankovic (Real Mallorca) brachten zusammen über 6 Millionen Euro ein. Doch seitdem sind auch die rosigen Transferzeiten von Roter Stern vorbei: Der Transfer von Nenad Milijas zu den Wolverhampton Wanderers war bei einer Ablösesumme von 3 Millionen Euro das Teuerste, was Roter Stern in den letzten knapp vier Jahren verkaufen konnte.

PARTIZAN ALS BACKSTUBE FÜR SUPERTALENTE

Kommen wir aber nun zum eigentlichen Phänomen dieser Liga: Obwohl der internationale Stellenwert der Liga gering ist, schafft es Partizan seit vielen Jahren seine Top-Talente um Summen an größere Vereine zu verkaufen, von denen jeder österreichische Klub nur träumen kann. Die Transfererlöse, die seit Sommer 2007 in die Klubkasse der Schwarz-Weißen flossen sind höher als alle Verkäufe aller österreichischen Bundesligaklubs zusammen. 2007/08 verkaufte der Klub unter anderem Milan Smiljanic (Espanyol), Nikola Gulan (Fiorentina), Antonio Rukavina (Dortmund), Ivan Radovanovic (Atalanta) und Marko Lomic (TuS Koblenz) um insgesamt 11 Millionen Euro. In der darauffolgenden Saison bekam Partizan für Stevan Jovetic (Fiorentina) und Zoran Tosic (Manchester United) zusammen 15 Millionen Euro. 2009/10 brachten die Transfers von Adem Ljajic (Fiorentina) und Ivan Obradovic (Real Saragossa)weitere 10,5 Millionen Euro ein. Und 2010/11 bekam Partizan für Cléo (Guangzhou, China), Marko Lomic (Dinamo Moskau) und Lamine Diarra (Al-Shabab Al-Arabi) 7 Millionen Euro. Letzterer wechselte nur ein Jahr später zum Nulltarif nach Belgrad zurück und wird dort mit Sicherheit wieder zum Stamm- und Schlüsselspieler.

17 MILLIONEN AUS FLORENZ, 12 MILLIONEN AUS MANCHESTER

Ein Klub, bei dem alleine Fiorentina innerhalb weniger Jahre über 17 Millionen Euro beim Spieler-Shopping ausgab, genießt ab einem gewissen Zeitpunkt natürlich ein hohes internationales Ansehen. Zahlreiche andere Top-Klubs beginnen nun sämtliche Partizan-Eigenbauspieler mit Argusaugen zu beobachten. Und so gelang es dem Klub seine Transferaktivitäten zur Saison 2011/12 auf ein neues Level zu heben: Die Transfers von Ljubomir Fejsa (Olympiakos Piräus), Matija Nastasic (Fiorentina) und Radosav Petrovic (Blackburn), die Partizan vor der laufenden Saison fast 8 Millionen Euro einbrachten, sind eher als Randnotiz zu vermerken, denn über einen Toptransfer jubelt man dank des 20jährigen Abwehrspielers Stefan Savic. Dieser wechselte nämlich zuletzt um 12 Millionen Euro zu Manchester City, nachdem er im Jahr davor um nur 300.000 Euro von BSK Borca kam. Betrachtet man die gleichzeitigen Transferaufwände von Partizan (in den letzten zehn Jahren verpflichtete Partizan nur zwei Spieler, die mehr als eine Million Euro Ablöse kosteten), kommt man zum Schluss, dass der Klub auf viele Jahre saniert ist.

PARTIZAN LÄSST KLEINE KLUBS LEBEN

Was macht die Transferpolitik der Belgrader so erfolgreich? Zunächst vertraut man bei Partizan auf die eigene Jugend, Eigenbauspieler, weitere Talente aus der Region. Aus dem Ausland werden ausschließlich Stützen zugekauft, Legionäre werden nicht als Füllstoff geholt, sondern nur wenn man von deren Qualitäten überzeugt ist. Partizan bezahlt zudem für viele seiner Neuzugänge moderate Ablösen, meistens in Größenordnungen zwischen 100.000 und 700.000 Euro. Viele dieser Gelder fließen an kleinere serbische Klubs, von denen der Klub seine Talente zukauft und gegebenenfalls auch wieder parken kann. Dadurch, dass Partizan auch kleine Klubs „leben lässt“, kaufen sie auch mittelfristig betrachtet Ausbildungsqualität, ermöglichen ihren fleißigen, externen Talenteschmieden stressfreiere Arbeit und eine bessere Infrastruktur. Die wiederum danken es dem serbischen Serienmeister, indem sie ihn relativ günstig mit Top-Talenten versorgen, die Partizan dann zum Teil sündteuer in den Westen weiterverkauft.

GUTE AKADEMIEN, PERFEKTES NATIONALES SCOUTING

Das Erfolgsrezept der Nachwuchsarbeit: Partizan wurde mehrfach für seine europaweit geschätzte Jugendarbeit gelobt und ausgezeichnet, weil diese eine perfekte Mischung aus verschiedenen Faktoren darstellt. Einerseits gut funktionierende Akademien, in denen absolute Top-Trainer mit den Jungs arbeiten. Partizan hat angesichts seiner verschiedenen Spielerquellen stets die freie Auswahl, könnte alleine aus seinen Akademie-Absolventen jedes Jahr mehrere Mannschaften zusammenstellen. Zudem hat der Klub aber auch das richtige Näschen für nationales Scouting, das Partizan stets einen umfassenden Marktüberblick verschafft. Selbst wenn ausländische Klubs sich bei kleineren serbischen Klubs nach Megatalenten umsehen würden, wäre es für sie schwer sich diese zu angeln. Bei jungen serbischen Kickern gilt: Wenn du was werden willst, versuche bei Partizan unterzukommen. Ein Zwischenstopp beim 23-fachen serbischen Meister ist meist mehr wert als ein direkter Wechsel ins Ausland.

CHANCE FÜR JUNGE KICKER – AB DER ERSTEN MINUTE!

Und auch dies hat einen ganz entscheidenden Grund, in dem Partizan als Vorreiter für viele andere Länder – auch für Österreich – fungieren könnte. Der Verein setzt im extremen Maße auf seine Jugend und scheut sich auch nicht davor einen 16- oder 17-jährigen Fußballer ins kalte Wasser zu werfen, um ihn Erfahrung sammeln zu lassen. Die wertvollsten Abgänge der letzten Jahre sind klassische Beispiele dafür: Stevan Jovetic debütierte 16-jährig für Partizan und erzielte zwei Jahre später 14 Saisontore für die Schwarz-Weißen. Ein Jahr später spielte er bereits für Fiorentina. Adem Ljajic, ebenfalls mittlerweile in Florenz unter Vertrag, machte nicht nur seine erste Partie für Partizan im Alter von 17 Jahren, sondern machte in dieser Saison gleich 28 Spiele mit. Zoran Tosic, mittlerweile Stammspieler bei ZSKA Moskau, kam 2007/08 vom Tabellenachten Banat und durfte auch in Belgrad sofort regelmäßig spielen: Obwohl erst 19 Jahre alt, absolvierte er in seiner ersten Saison für Partizan mehr Spiele (32) als in den beiden Saisonen zuvor, für Banat und Buducnost Bantski Dvor, insgesamt. Das jüngste Beispiel: Innenverteidiger Stefan Savic wechselte Anfang September 2010 von BSK – einem kleinen Hauptstadtklub – zu Partizan und bekam dort wenige Tage nach der Vertragsunterzeichnung seine erste Chance in der Startelf. Nach der Saison 2010/11 konnte er auf 28 Spiele für den amtierenden Meister zurückblicken, davon 25 über die vollen 90 Minuten und vier in der UEFA Champions League. Innerhalb von einem Jahr „erzwang“ Partizan eine rasante Entwicklung und somit Karriere für Savic. Im September wurde er um eine geringe Ablöse geholt, danach kompromisslos forciert und gefordert, ein Jahr später war Partizan dank Savics Wechsel zu Manchester City um 12 Millionen reicher…

AKSENTIJEVIC ALS NÄCHSTER GELDBRINGER

Ein möglicher nächster Star: Der 19jährige Nikola Aksentijevic zeigte in den Champions League Qualifikationsspielen gegen den mazedonischen Vertreter Skendija 79 dynamische, technisch ansprechende Leistungen. Der rechte Verteidiger, dem in den beiden Partien gegen Skendija zwei Assists gelangen, steht schon länger bei Partizan unter Vertrag, wurde zuletzt an Teleoptik Belgrad, einen Zweitligaklub, verliehen, wird aber zum Ligastart am kommenden Wochenende gegen Novi Pazar mit hoher Wahrscheinlichkeit im Team seines Stammklubs stehen. Das kalte Wasser wartet, Aksentijevic darf wohl als nächste heiße Zukunftsaktie eine ganze Saison über zeigen, dass er darin schwimmen kann. Und wenn er entspricht, darf sich Partizan Belgrad bereits über den nächsten Geldregen aus einer Topliga freuen: Aksentijevic besitzt nämlich – wie einige andere seiner Alterskollegen – einen Vertrag bis Sommer 2016…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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