Erinnern Sie sich noch an die Bundesligasaison 2006/07, als Sturm Graz und GAK aufgrund von Konkursen 13 bzw. 28 Punkte abgezogen wurden? Damals war... Punktabzüge und Klageflut: Die Schweizer Super League versinkt im Chaos!

Erinnern Sie sich noch an die Bundesligasaison 2006/07, als Sturm Graz und GAK aufgrund von Konkursen 13 bzw. 28 Punkte abgezogen wurden? Damals war die „Kasperlliga“ ein geflügeltes Wort bei Fans und Medien und das Image der Bundesliga erhielt tiefe Kratzer. Vor einer ähnlichen Situation befindet sich nun auch die Schweizer Super League, da zwei Vereine große Probleme bereiten und es durchaus möglich ist, dass ein noch größeres Chaos entsteht, als hierzulande vor fünf Jahren.

 

Der Fall Sion

Weit über die eidgenössischen Landesgrenzen hinaus bekannt sind mittlerweile die Geschehnisse rund um den FC Sion.

Rückblende: Im Februar des Jahres 2008 verpflichtete der vom exzentrischen Architekten Christian Constantin geleitete Verein den ägyptischen Torhüter Essam El-Hadary. Da es dabei jedoch zu einem Vertragsbruch mit seinem bisherigen Club Al Ahly Kairo gekommen war, trat die FIFA auf den Plan und verhängt neben einer Geldstrafe eine Wechselsperre für zwei Transferzeiten. Da Constantin der Ansicht war, man könne diese Sperre auch absitzen, indem man in einer Hälfte der Transferzeit keine Wechsel vollzieht, wurden im Sommer 2011 wieder Spieler verpflichtet, deren Lizenzierung die Schweizer Fußballliga (SFL) jedoch verweigerte. Daraufhin reichte Sion mehrere Klagen ein und schickte seine sechs Neuverpflichtungen zum Bezirksgericht von Martigny, wo sie gegen ein Arbeitsverbot klagten und Recht bekamen, so dass das Gericht eine superprovisorische Verfügung erließ, die besagte, dass die SFL die neuen Spieler antreten lassen müsse. Dies wurde von der Konkurrenz erwartungsgemäß nicht akzeptiert und diese trat in weiterer Folge in den Spielen gegen Sion nur noch unter Protest an.

Ende August verlagerte sich der Fall auf die europäische Fußballbühne, da Sion im Playoff zur Europa League Celtic Glasgow ausgeschaltet hatte, dabei allerdings die fragwürdigen Spieler zum Einsatz kamen. Celtic legte Protest ein, erhielt Recht und nahm Sions Platz in der Gruppenphase ein.

Neben einem Einspruch vor dem internationalen Sportsgerichtshof CAS klagte Constantin auch beim Kantonsgericht Waadt, das die UEFA dazu aufforderte, Sion an der Europa League teilnehmen zu lassen, wogegen sich der europäische Fußballverband jedoch weigerte. Zudem reichte Constantin auch Klage gegen UEFA-Präsident Michel Platini ein.

Im Oktober wandelte das Bezirksgericht Martigny die superprovisorische Verfügung, dank der die sechs Neuzugänge in der Super League spielen durften, in eine provisorische um, die SFL erhob dagegen Einspruch.

Zwischenzeitlich verlangte der CAS von der UEFA mehrere Szenarien, die es im Falle eines Urteils pro Sion ermöglichen sollten, den Walliser Club in die laufende Europa League zu integrieren.

Am 18. November hob das Walliser Kantonsgericht die provisorische Verfügung des Gerichts Martigny auf, so dass die sechs Neuzugänge ab sofort nicht mehr spielberechtigt waren. Am 15. Dezember entschied der CAS schlussendlich zugunsten der UEFA, so dass Sions Traum von der Europa League endgültig geplatzt war.

Doch es sollte noch schlimmer kommen, denn die FIFA trat auf den Plan und forderte den Schweizer Fußballverband (SFV) auf, Sion für den unrechtmäßigen Einsatz der strittigen Spieler mit Punktabzügen zu bestrafen und drohte damit, den SFV zu suspendieren, was unterem anderem den FC Basel um das Champions League Achtelfinale gegen Bayern München hätte bringen können.

Wenige Tage nach Weihnachten wurde das Strafausmaß verkündet, Sion wurden insgesamt 36 Punkte abgezogen, je drei pro Spiel, in dem ein nicht lizenzierter Spieler zum Einsatz gekommen war (zwei davon im Cup). Damit liegt Sion momentan mit -5 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz, mit 16 Zählern Abstand zum Vorletzten Lausanne. Dabei könnte es noch schlimmer kommen, denn Thun und Luzern haben Protest gegen die Wertung ihrer Spiele gegen Sion eingelegt, was zu weiteren Punktabzügen führen könnte.

Dass Constantin dies nicht auf sich sitzen lassen würde, kam wenig überraschend und so kündigte er Millionenklagen gegen Verband und Liga an. Zudem ist es durchaus fraglich, ob das Urteil dem Einspruch vor dem CAS standhalten wird, denn auch Schweizer Rechtsexperten sind der Ansicht, dass die hohe Strafe, die unter dem Druck der FIFA ausgesprochen wurde, auf tönernen Beinen steht.

Sollt es beim Punktabzug bleiben, könnte Sion der Sturz in die Zweitklassigkeit dennoch erspart bleiben, da es mit Neuchâtel Xamax ein zweites großes Problemkind in der Super League gibt.

 

Der Fall Xamax

Der Verein wurde im Frühjahr des vergangenen Jahres vom vermögenden tschetschenischen Geschäftsmann Bulat Tschagajew übernommen, der die Neuenburger an die nationale und internationale Spitze führen wollte. Um diese hehren Ziele zu realisieren, wurden zahlreiche Stars wie Kalu Uche und Gabri verpflichtet. Da der Saisonstart jedoch misslang, wurde mehrfach die sportliche Führung ausgewechselt, zudem kam es zu einem Zerwürfnis mit den Fans, die gegen die totalitäre Vereinsführung des Oligarchen aufbegehrten, der den Verein vor allem dazu instrumentalisierte, um in seiner tschetschenischen Heimat Werbung in eigener Sache zu betreiben.

So kam es, dass sich nur mehr selten mehr als 3.000 Zuschauer im Stade Stade de la Maladière einfanden, was jedoch das geringste Problem darstellte. Wesentlich schwerer zum Tragen kam, dass Tschagajew mehrfach Gehälter schuldig blieb, was die Schweizer Medien an seinem angeblichen Reichtum zweifeln ließ und zahlreiche Gläubiger, die auf ihr Geld warteten, auf den Plan rief.

Einer Aufforderung der SFL, Nachweise über die Zahlungsfähigkeit vorzulegen, kam Xamax mehrfach nicht nach, so dass dem Verein, der sich sportlich mittlerweile konsolidiert hat, insgesamt acht Punkte abgezogen wurden.

Heinrich Schifferle, frischgebackener Präsident der SFL, gab dieser Tage in einem Interview mit dem Blick zu Protokoll, dass er davon ausgehe, dass Xamax entweder Konkurs gehen oder die Lizenz verlieren werde, und somit gar nicht mehr an der im Februar startenden Rückrunde teilnehmen wird. Wenn schon der höchste Ligafunktionär solche Worte findet, weiß man, welche Stunde es wohl geschlagen hat.

Aktueller Stand ist, dass die Mannschaft sowohl Trainingsauftakt als auch Trainingslager bestreiken will. Zudem wurde bekannt, dass vier Spieler entlassen wurden, darunter das Sturmduo Javier Arizmendi und Haris Seferovic.

Dass Xamax sich mit dem FC Sion auf seiner Interpräsenz solidarisch erklärte, verwundert angesichts der Vorkommnisse wohl kaum jemanden…

 

Der Fall Servette (?)

Zu den beiden bekannten Fällen könnte auch noch ein drittes Sorgenkind stoßen, denn Servette Genf, dem der in Österreich alles andere als gut in Erinnerung gebliebene Iraner Majid Pishyar als Präsident vorsteht, befindet sich offenbar in finanziellen Problemen. Wie die Tribune de Genève berichtet, kann Servette seit August die Wasser- und Stromrechnungen nicht begleichen und ist seinen Spielern auch noch die Löhne für den November schuldig. Und auch den Fans dürfte die Sache nicht mehr ganz koscher vorkommen, denn so strömten im Sommer zum Relegationsspiel gegen Bellinzona noch über 20.000 Fans ins schmucke Stade de Genève, zum Rückrundenabschluss fanden sich gegen Zürich hingegen nur mehr 4.700 ein.

 

Aktueller Tabellenstand

Basel: 38

Luzern: 31

Young Boys: 27

Servette: 24

Thun: 23

Zürich: 21

Grasshoppers: 19

Xamax: 18 (-8)

Lausanne: 11

Sion: -5 (-36)

 

Der Tabellenletzte steigt direkt ab, der Vorletzte tritt in der Relegation gegen den Zweiten der zweiten Liga an.

Wie auch vor fünf Jahren in Österreich, werden sich die Schweizer Ligabosse vermutlich sehnlich wünschen, dass diese unsägliche Saison bald vorüber ist und der Schaden am Schweizer Fußball möglichst gering gehalten werden kann.

OoK_PS, abseits.at

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