Was Versprechen noch wert sind: Weltmeisterschaft 2022, Winterspiele in Katar?
Gesellschaft & Ethik 8.Oktober.2012 Stefan Karger 0
Am 02. Dezember 2010 gab die FIFA bekannt, dass die Weltmeisterschaft 2022 in Katar ausgetragen wird. Diese Entscheidung ist bis heute selbst bei bestem Willen nur schwer nachvollziehbar und zum wiederholten Male wurde die Intransparenz bei der Abstimmung kritisiert und Korruption in den Raum gestellt. Nun stellt sich heraus, dass der zukünftige Gastgeber aller Voraussicht nach ein Versprechen nicht halten wird können, dass bei der Vergabe eine zentrale Rolle spielte.
Wenn man eine Fußballweltmeisterschaft in Katar organisiert, dann ist die größte Herausforderung, wie man die Spieler und Fans vor der extremen Hitze schützen kann. Wenn man die Wärme dort nicht selbst erlebte, dann kann man sich die Temperaturen in den Sommermonaten in Katar nur schwer vorstellen. Das Quecksilber im Thermometer klettert schon mal über die 50 Grad und aufgrund der Nähe zum persischen Golf muss man auch mit einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 80% rechnen. Ärzte warnen, dass die Gesundheit der Spieler bei solchen Temperaturen in Gefahr sei und dass die Erholungsphasen nach den Partien weitaus länger sein müssen. Selbst der Emir von Abu Dhabi verlässt in den heißesten Monaten das Land und erledigt seine Regierungsgeschäfte mehr als 3000 Kilometer entfernt von seinem Palast auf den Seychellen.
Doch genau für dieses Problem schien das kleine Land, das noch nie an einer Weltmeisterschaft teilnahm, eine ideale Lösung gefunden zu haben. Einen Tag nach der Vergabe wurde auf CNN erklärt, wie es funktionieren soll:
Was versprochen wurde
Hassan al-Thawadi war für die Bewerbung Katars verantwortlich und sagte mehrfach, dass die Temperaturen keine Rolle spielen werden. Mittels einer neuen Technologie soll die Temperatur im Stadion für die Fans und die Spieler von 50 auf 23-27 Grad gesenkt werden. Es sollen Solarmodule verwendet werden, die mittels einer Absorptionskältemaschine Wasser unterhalb des Stadions extrem stark kühlen. Dadurch soll eine kalte Luft entstehen, die direkt beim Zuschauersitz entweicht und die Spielstätte angenehm kühl hält. Das Problem dabei ist allerdings, dass Fußball unter freiem Himmel gespielt wird und es nicht einfach ist, die kühle Luft im Stadion zu halten.
Was gehalten wird
So wie es nun aussieht waren diese Versprechungen nicht mehr wert als die heiße Luft, die in Katar ohne Zweifel massenhaft vorhanden ist. UEFA-Präsident Michel Platini schlug nun, nicht als erster Funktionär, vor, dass die Weltmeisterschaft in Katar in den Wintermonaten ausgetragen werden sollte, da die klimatischen Bedingungen für die Spieler und Fans besser seien. Er verlor kein Wort mehr über die revolutionäre Technologie, die doch die Lösung aller Hitzeprobleme darstellte. Man darf nicht vergessen, dass dieses Versprechen Katars ein ganz zentraler Punkt bei der Vergabe war und dass von einer Terminverschiebung keine Rede war. Auch die Mitbewerber (USA, Australien, Japan und Südkorea) erhielten nicht die Chance einen anderen, für sie günstigeren Zeitpunkt vorzuschlagen. Die Vergabe der Weltmeisterschaft wurde also aufgrund eines Versprechens erteilt, dass voraussichtlich nicht gehalten wird.
Was gegen eine Weltmeisterschaft in den Wintermonaten spricht
Zuallererst ist es eine Sache des Prinzips: Katar bekam auf Basis dieser versprochenen Technologie den Zuspruch und sollte sich an die selbst entworfenen Vorgaben halten müssen. Sollte sich herausstellen, dass diese Technologie, die noch nie in einem Stadion getestet wurde, nicht funktioniert, dann sollte fairerweise ein anderes Land die Weltmeisterschaft austragen dürfen. Es sind noch zehn Jahre Zeit bis zu dieser Endrunde und es gibt zahlreiche Nationen die in der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie wunderbare Gastgeber sind. Abgesehen davon würde die Verschiebung zu einem Terminchaos führen. Michel Platini will wegen der Überschneidung mit den Olympischen Winterspielen nicht im Januar spielen, sondern in den November- und Dezembermonaten, sodass die meisten Ligen ihren Spielplan völlig umgestalten müssten. Die jeweiligen Liga-Sponsoren wären von dieser langen Unterbrechung wohl auch wenig begeistert.
Was ansonsten bis zum Himmel stinkt…
In Artikel 3 der FIFA-Statuten steht: “Discrimination of any kind against a country, private person or group of people on account of ethnic origin, gender, language, religion, politics or any other reason is strictly prohibited and punishable by suspension or expulsion.”
Es stellt sich die Frage wie die FIFA die Vergabe an ein Land, in dem Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, mit ihren Statuten in Einklang bringen kann. Es ist die eine Sache wenn der Weltfußballverband Länder aufgrund schwerer Menschenrechtsverletzungen nicht ausschließt – sie mit einer WM-Endrunde zu belohnen ist jedoch absolut nicht nachvollziehbar.
Ausländische Arbeitsmigranten, die auch die neuen Stadien bauen werden, stellen 80% der Bevölkerung dar und werden nicht nur ausgebeutet, sondern regelmäßig körperlich misshandelt. Recht auf freie Meinungsäußerung existiert nicht, man sollte beim Fluchen besser aufpassen, sonst kann man schon mal wegen Blasphemie hinter Gitter landen. So erging es einem libanesischen Staatsbürger, der verletzt auf der Bahre liegend, auf dem Weg zum Krankenwagen „blasphemische Worte“ äußerte. Insgesamt wurden 2010 sechs ausländische Staatsbürger wegen Blasphemie verurteilt, vier davon bekamen die Höchststrafe von sieben Jahren. Jedes Jahr werden zudem an die 100 Menschen wegen „unerlaubter sexueller Beziehungen“ eingesperrt. Homosexualität steht unter Strafe und kann bis zu fünf Jahren Haft nach sich ziehen. Religionsaustritt gilt als ein Kapitalverbrechen auf das zumindest theoretisch die Todesstrafe steht, Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit ist streng verboten und auch ausländische Staatsbürger können für dieses Vergehen Peitschenhiebe bekommen.
Kombiniert man die Menschenrechtsverletzungen mit der nicht existenten Technologie, dann kann man der FIFA zu dieser Vergabe wirklich nur gratulieren. UEFA-Präsident Michel Platini, der nun für die Winterspiele plädiert, stimmte im Jahr 2010 ebenfalls für Katar. Es spielte sicherlich keine Rolle, dass sein Sohn Laurent Platini einen Monat nach der Vergabe an Katar einen absoluten Top-Job bei Qatar Sports Investments zugeschanzt bekam, oder?
Stefan Karger, www.abseits.at
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