Während Pressesprecher und Vereinsverantwortliche ihre Worte stets bedacht wählen müssen, dürfen Fans ungeschönt über ihren Klub reden. Deshalb baten wir Fußballfans aus der ganzen... Fans und ihre Vereine (9) | Interview mit Orlando-Pirates-Fan Alex (27)

suedafrika, südafrikaWährend Pressesprecher und Vereinsverantwortliche ihre Worte stets bedacht wählen müssen, dürfen Fans ungeschönt über ihren Klub reden. Deshalb baten wir Fußballfans aus der ganzen Welt ein wenig über sich und ihren Verein zu erzählen. Im neunten Teil unserer Serie erzählt uns Orlando-Pirates-Fan Alex unter anderem, weshalb das südafrikanische Derby gegen die Kaizer Chiefs oft außerhalb Johannesburgs ausgetragen wird und wer der beste Fußballer aller Zeiten war, der nie in Europa oder Südafrika spielte.

Von welchem Verein bist du Fan und wie kam es dazu?

Ich bin ein Fan der Orlando Pirates. Ich lebe in Johannesburg und die Stadt wird mehr oder weniger von drei Teams dominiert, den Orlando Pirates, Kaizer Chiefs und Moroko Swallows. Während meiner Jugendzeit waren das die großen Mannschaften im Land, wobei bei den Pirates immer die taktischen Aspekte im Vordergrund standen. Es waren taktische Genies am Werk, das Passspiel war atemberaubend und die Schlüsselspieler des Gegners wurden durch konsequente Manndeckung aus dem Spiel genommen. Die Swallows waren immer das Team, das am härtesten arbeitete, die dir die Beine wegtreten, bis dein Tormann weinend in der Ecke kauert und die Feldspieler aufs Attackieren verzichten. Die Kaizer Chiefs sind das jüngste Team, sie wurden von dem ehemaligen Pirates-Spieler Kaizer Motaung gegründet, der bei meinem Verein einer der Schlüsselspieler war, dann aber über den Rest der Mannschaft hinauswuchs und schließlich sein eigenes Team gründete. Sie spielten schnell, setzten auf geradlinige Konter und veränderten so den Fußball in Südafrika über viele Jahre hinweg.

Als ich nach Südafrika zog besuchte ich ein Freundschaftsspiel zwischen den Hotspurs und den Pirates. Ich wurde ursprünglich in Großbritannien geboren und war ein Chelsea-Fan, weshalb ich jede Mannschaft unterstützte, die gegen einen Rivalen aus London spielt. Ich war überwältigt von den Pirates-Fans, wir hatten so viel Spaß, dass ich nachher entschloss mir auch weitere Partien des Teams anzusehen.

Erinnerst du dich an dein erstes Spiel? Wie lief es ab

Das allererste Spiel war die Begegnung zwischen Fulham und Middlesbrough im Jänner 2002. Ich glaube Fulham gewann 2:1 und Saha erzielte einen Treffer. Es war ein typisches englisches Spiel und die Fans waren ein wenig unruhig, da sie nach einem guten Start in die Saison viermal hintereinander verloren und die Partie davor nur aufgrund eines Eigentors für sich entschieden. Als Saha dann traf war es überwältigend zu sehen, wie die Last der Fans mit einem Schlag abfiel und der Lärm war ohrenbetäubend.

Das erste Spiel in Südafrika war wie oben erwähnt ein Freundschaftsspiel der Pirates gegen die Hotspurs. Ich erinnere mich gut an meinen ersten Kontakt mit den Vuvuzelas. Ein Typ neben mir schenkte mir eine und ich muss sagen, es macht Spaß hineinzublasen, nur der Ton ist halt nicht wirklich angenehm, besonders wenn man es falsch macht.

Wie läuft ein typischer Spieltag für dich ab?

Wir schauen uns jedes Match der Pirates in Johannesburg und Pretoria an, wobei die beiden Städte mittlerweile eigentlich so gut wie zusammengehören. Im Normalfall treffen wir uns vorher auf ein paar Getränke und fahren dann ins Stadion. Während der normalen Saison sind die Stadien nur etwa zu 30% ausgelastet, man erhält also ohne Probleme eine Eintrittskarte. Wenn es aber zum Derby zwischen den Pirates und den Chiefs kommt, was eines der hitzigsten Spiele der Welt ist, dann sieht es ganz anders aus. Das Derby ist so groß, dass es immer woanders ausgetragen wird. Städte bezahlen dafür, dass sie dieses Spiel veranstalten dürfen und die Partie ist immer nach wenigen Minuten ausverkauft. Am besten ist es, wenn die Partie in Johannesberg stattfindet, dann erlebt man 97.000 fanatische Fans, mit ebenso vielen Vuvuzelas.

Wie viel bezahlst du für eine Karte, bzw. wie viel kostet ein Abo bei deinem Klub?

Bei den Abos bin ich mir nicht sicher, aber eine Eintrittskarte kostet umgerechnet etwa fünf Euro.

Wie viel musst du im Stadion für ein Bier bezahlen?

Ein Bier kostet etwa 1,5 Euro.

Kannst du uns etwas über die momentane Situation bei deinem Klub erzählen?

Der Klub ist gerade dabei sich neu aufzubauen. Wir hatten unglaubliche Jahre zuletzt, in denen wir dreimal national alles gewannen und in der afrikanischen Champions League ins Finale kamen – wir sind übrigens das einzige Team im Land, das die Champions League einmal für sich entscheiden konnte. Leider wurden unsere Spieler immer älter und der Trainer wurde ohne guten Grund entlassen. Dazu kam dann noch der tragische Mord an unserem Stammtormann, der auch Nationalspieler war, was dem Team natürlich einen Schlag versetzte.

Welches Spiel, oder welche Szene zählt zu deinen schönsten Erinnerungen?

Ganz eindeutig als ich zum afrikanischen Champions-League-Finale 2013 nach Ägypten reiste. Es war genau zu der Zeit des arabischen Frühlings und ich atmete die Kultur des Landes in mich ein. Unser Gegner al Ahly ist zudem das erfolgreichste Team des Kontinents und es war ein Erlebnis unser Team gegen diese Mannschaft zu sehen. Wir trafen schon in der Gruppenphase auf diesen Gegner und entschieden die Partie für uns, also machten wir uns Hoffnungen auf den Gewinn, auch da wir im Semifinale einen favorisierten Gegner schlugen.

Was würdest du am liebsten verdrängen?

Dass wir das oben beschriebene Champions-League-Finale schlussendlich dann doch mit 2:0 verloren haben. Ich war im Stadion und dachte wirklich, dass wir gewinnen würden. Immerhin lernte ich sehr gute neue ägyptische Freunde kennen.

Wer ist deine persönliche Klub-Legende und weshalb?

Da gibt es viele, die es verdient hätten, aber ich entscheide mich für Senzo Meyiwa, den Tormann, der ermordet wurde. Er hat immer so unglaublich hart für seinen Erfolg gearbeitet. Er war die meiste Zeit nur der dritte Torhüter des Vereins, aber trainierte härter als alle anderen, bis er seine Chance bekam und Stammkeeper wurde. Er rettete uns so viele Punkte und war der geborene Leader, der dann auch schnell die Kapitänsschleife erhielt. Er brachte auch die Nationalmannschaft ein Level weiter und kümmerte sich stets um die Nachwuchsgoalies, da er nicht wollte, dass sie dieselben Fehler wie er früher machten. Er war eine echte Legende.

Wer ist der stärkste Spieler, den du jemals gegen deinen Klub spielen gesehen hast?

Mohamed Aboutrika. Einer der besten Spieler, die in ihrer Karriere niemals in Europa gespielt haben. Er war ein Stürmer bei Al Ahly und war so etwas wie der ägyptische Raúl. Er war nicht schnell, aber stand immer dort, wo er was holen konnte und konnte auch gut seine Gegenspieler „verschleppen“, um Räume für seine Mitspieler zu öffnen. Er ist wohl der beste Fußballer der Welt, der ein Universitätsdiplom in Philosophie besitzt. Er ist außerdem ziemlich sicher der beste Fußballer, der niemals in Europa oder Südafrika tätig war. Macht ihn die Tatsache, dass er in Ägypten blieb zu einem faulen, nicht ambitionierten Spieler? Oder sollte er nicht eher dafür bewundert werden, dass er loyal zu seinem Klub und zu seinem Land stand und einfach glücklich war mit dem, was er dort erreichte, ohne dem Traum der Premier League oder der Primera Division nachzujagen?

Was war das Verrückteste, das du jemals mit deinem Verein erlebt hast?

Das ist einfach. Nachdem wir 2012 die Meisterschaft gewannen stürmten die Fans den Platz und versuchten alles mitzunehmen, was sie später an diesen Moment erinnern könnte. Dem Trainer wurden sogar die Brillen gestohlen – traurig, aber auch irgendwie lustig.

Was würdest du ändern, wenn du morgen zum Präsidenten deines Vereins gewählt wirst?

Ich glaube ich würde mich ein wenig mehr auf die zweite Mannschaft und die Jugend konzentrieren. In Südafrika gibt es meist keine guten Reserve-Teams, weshalb die Kampfmannschaft mit Talenten vollgespickt ist, die keine Chance bekommen, sich zu beweisen. Hier wird so viel Talent verschwendet!

Was würdest du ändern, wenn du über Nacht der neue FIFA-Präsident wärst?

Ich würde die Organisation transparenter machen, was ja eigentlich auf der Hand liegt. Ich würde den FIFA-Präsidenten von den Kapitänen der Nationalmannschaft, Trainern und Verbandspräsidenten wählen lassen. Ich glaube das wäre am besten für alle. Außerdem würde ich mir Cristiano Ronaldos Autogramm organisieren und Leeds aus allen Bewerben ausschließen, bis das Managment und die Fans ihr Leben wieder auf die Reihe bekommen.

Stefan Karger, www.abseits.at

Stefan Karger

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