Wales soll es also sein, nicht zum 40., sondern als 40. 39 Länderpunkte standen bisher zu Buche, die runde Nummer 40 konnte in Wales... Groundhopper’s Diary | Olympischer Fußball in Cardiff

Wales soll es also sein, nicht zum 40., sondern als 40. 39 Länderpunkte standen bisher zu Buche, die runde Nummer 40 konnte in Wales gefeiert werden. Olympischer Fußball ist angesagt im Millennium Stadium zu Cardiff, im Rahmen des Frauenturniers treffen Brasilien auf Neuseeland und die Gastgeberinnen aus Großbritannien auf Kamerun. Die zweistündige Anfahrt von London Paddington zeigt bei sonnigem Wetter und milden Temperaturen eine aus Österreich bekannte Landschaft: sanfte Hügel, grüne Wiesen, Äcker und dort und da ein paar Kühe oder Schafe auf der Weide. Einzig an der Architektur der vorbeiziehenden Dörfer erkennt man, dass man nicht auf der Westbahnstrecke unterwegs ist.

Fußballstimmung kommt noch keine auf im Zug, wo sind die Schlachtenbummler, wo die reisefreudigen Fans des Gastgebers? Muss wohl an der verhältnismäßig bescheidenen Begeisterung für Frauenfußball liegen. Am Bahnhof in Cardiff dann die erste Überraschung: alles zweisprachig angeschrieben, Kärnten lässt grüßen. Die Innenstadt von Cardiff (auf kymrisch: Caerdydd) zeigt sich als sehr kompakt, sauber, Blumen geschmückt und äußerst charmant. Größter Pluspunkt für Groundhopper: das Stadion mit einer Kapazität von 74.500 Besuchern liegt keine 5 Minuten von Bahnhof und City Center entfernt am River Taff, direkt daneben auch noch der Cardiff Arms Park, das kleinere Rugbystadion der Cardiff Blues.

Direkt vor Ort ist dann schon mehr von der olympischen Begeisterung, die seit Wochen durch das Land schwappt, zu spüren. Die Straßen rund ums Stadion sind schon seit Stunden für den Autoverkehr gesperrt, vor allem Familien mit Kindern, Schulklassen, aber auch eine Menge Studenten sind unterwegs. Beim Ticketkauf wird die Kreditkarte zum Verhängnis: „We only take Visa or Cash.“ No Visa, no cash, only Mastercard, also ab zum nächsten Bankomaten und wieder hinten anstellen, zum Glück ist der Andrang überschaubar. Die Karte gibt es zum Preis von 20 Pfund für beide Partien, das ist für Olympia fast ein Schnäppchen. Nach den ersten Fotos vom Stadion geht es dann mal weiter Richtung Zentrum. Das beeindruckende Cardiff Castle, eine mittelalterliche Burg, zeugt vom prachtvollen historischen Erbe der Stadt. Auf dem Platz vor dem Rathaus wurden überdimensional die olympischen Ringe platziert, auf den Grünflächen rund um die Burg genießen die Leute bei Picknick und Musik den Sonnenschein. Zeit für die Mittagspause mit (natürlich) walisischem Bier und Sandwiches.

Eine Stunde bis zum Anpfiff, das Ticket zeigt dritter Rang, Reihe 33, Platz 1. Weiter rauf geht’s nimmer, ich sitze direkt unter dem Dach mit einem sensationellen Blick hinunter auf den Rasen. Eine tolle Architektur vermengt sich mit einer beeindruckenden Akustik, obwohl sich nur ca. 25.000 Zuschauer eingefunden haben, ist der Lärm ohrenbetäubend, als die Stadionsprecherin nach der Stimmung fragt. Bei einem ausverkauften Rugbyspiel, wie es zum Beispiel 2009 zwischen Wales und den All Blacks aus Neuseeland hier stattfand, versteht man wohl sein eigenes Wort nicht mehr.

Zum Spiel selbst: Brasilien dominierte fast über die gesamte Spielzeit vor allem aufgrund der deutlich höheren technischen Fähigkeiten. Was hier teilweise an Tricks, Haken und Dribblings gezeigt wurde, ist mit Männerfußball durchaus vergleichbar, manch ein Holzhackerteam aus Österreich ist technisch auch nicht versierter. Die großen Unterschiede zu den Herren liegen im Spieltempo und in der Passpräzision sowie der Schusskraft. Manch gute Torschussgelegenheit von der Strafraumgrenze geriet zu einem besseren Rückpass für die Torhüterin. Schnelle Pässe in die Tiefe oder kraftvolle Flankenläufe fanden de facto nicht statt.

Auch taktisch waren beide Mannschaften sehr diszipliniert: Neuseeland spielte ein klassisches 4-4-2, bei Ballbesitz teilweise auch ein 3-5-2, aufgrund der Stärke der Brasilianerinnen mit zwei defensiven „6erinnen“ vor der Abwehr. Es gelang auch sehr gut, die Südamerikanerinnen vom Strafraum fernzuhalten, vor allem Superstar Marta wurde gut aus dem Spiel genommen. Sie musste immer wieder auf die Seiten ausweichen und kam somit nicht zur gewohnten Entfaltung. Brasilien hat sich aufgrund der technischen Überlegenheit wohl etwas von Barcelona abgeschaut: am ehesten zu beschreiben als ein 3-4-3, bei Ballbesitz sogar ein 2-5-3, nur die extrem hoch stehenden Innenverteidigerinnen blieben in der eigenen Hälfte gegen die neuseeländischen Stürmerinnen. Eine solche Formation wäre bei den Männern aufgrund des deutlich höheren Tempos wohl ein Harakiriunterfangen. Das riskante Defensivspiel wurde gegen Ende der ersten Halbzeit auch fast bestraft, als die Kiwis zwei sehr gute Tormöglichkeiten vorfanden, aber scheiterten.

Die Brasilianerinnen hatten ebenfalls einige sehr gute Möglichkeiten, waren aber teilweise zu verspielt im Abschluss oder fanden in der Torhüterin von Neuseeland ihre Meisterin. Ein Trend wurde schlussendlich auch hier fortgesetzt: im Frauenfußball fallen verhältnismäßig viele Tore aus Standards. 10 Minuten vor Schluss aus einem von Marta getretenen Freistoss war es dann soweit. Der Ball wurde mit dem Kopf weitergeleitet, die neuseeländische Keeperin irrte im Strafraum umher und wurde mittels eines gefühlvollen Hebers aus 10 Metern bezwungen, der sich genau unter die Latte senkte. Technisch wunderschön gemacht, ein tolles Tor.

Auf die zweite Partie musste aufgrund der langen Rückreise verzichtet werden, Die Gastgeberinnen schlugen Kamerun souverän mit 3:0, auf BBC war vor alles zweite Tor Gesprächsthema: Pass von rechts in den Strafraum, eine englische Stürmerin leitet den Ball mit der Ferse weiter, die andere verwertet direkt mit einem Schuss ins lange Eck – ebenfalls absolut sehenswert, indeed.

Christian Ditz, abseits.at

Christian Ditz

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