Relativ angenehme 25 Grad im Schatten, zwei ambitionierte Teams, deren Spiel etwa 15 Zuschauer, inklusive dreier Österreicher sehen wollten und eine Kuh, die einsam... Groundhopper’s Diary | Und dann wurde der Routinier eingewechselt… das holprige Drittligaspiel in Nicaragua

Relativ angenehme 25 Grad im Schatten, zwei ambitionierte Teams, deren Spiel etwa 15 Zuschauer, inklusive dreier Österreicher sehen wollten und eine Kuh, die einsam am Rand des „Stadions“ der Kleinstadt Condega graste. An diesem Sonntag-Vormittag stand der spontane Besuch einer nicaraguanischen Dritt- bzw. Regionalligapartie auf dem Programm.

Um acht Uhr wurden wir vom Hahn geweckt. So wie jeden Tag, denn das Stadtviertel, in dem unsere Gastfamilie und wir wohnten, ist weithin als „Dort, wo der Hahn kräht“ bekannt. Und das kann schon mal fünf Uhr morgens starten. Zum Frühstück stärkten wir uns mit dem nicaraguanischen Nationalgericht „Gallopinto“. Dieses Gericht gibt es in zwei verschiedenen Variationen: Entweder du bekommst Bohnen mit Reis oder Reis mit Bohnen. „Muy rico“, also sehr reichhaltig – und obendrein wird’s zu jeder Tageszeit serviert. Irgendwann gewöhnt man sich dran.

Wir hatten an diesem Tag noch nichts vor, also suchten wir uns ein lauschiges Plätzchen, wo man den Einheimischen auf die Fußballschuhe schauen konnte. Der Sportplatz in Condega, direkt hinter dem Busbahnhof gelegen, verdient diesen Namen kaum. Der Rasen ist holprig, mit Schlaglöchern übersät und die Tore haben keine Netze. Ok, sie haben etwas rudimentäres Netzähnliches. Aber einer 100 km/h-Granate des linken Flügelstürmers wären sie nicht gewachsen gewesen. Das macht aber nichts, denn die Kicker dachten nicht daran, einen derartigen Schuss loszulassen. Stattdessen sahen wir einen lauen Sommerkick im Februar, bei dem Tore Mangelware waren. Endstand: 0:0.

Wie die beiden Teams hießen erschloss sich uns nicht. Die eine hatte jedenfalls immerhin eigene Dressen, hellblau, mit dem Vermerk „Condega“ und dem einen oder anderen Spielernamen auf dem Buckel. Die andere Mannschaft war alles in allem das gefährlichere Team und sah irgendwie trotz fehlender Trikots professioneller aus als die Heimmannschaft. Immerhin trugen die Akteure hübsche Replika-Trikots von Real Madrid, Barcelona, AC Milan und Inter Mailand. Vor allem der etwas beleibtere Spielmacher der Gäste – er trug ein Dress von Inter Mailand – hatte es uns angetan. Sein Bewegungsradius beschränkte sich auf ein paar Grasbüschel und mit jeder Ballberührung tat er was fürs Publikum. Nämlich immer einen Haken zu viel, gefolgt von Schimpftiraden über sein eigenes Unvermögen. Er konnte einem irgendwie leidtun, aber dennoch war er als unfreiwilliger Entertainer mit ein Grund, dass uns das sehr gute nicaraguanische Bier Toña gleich noch besser schmeckte.

Der Trainer der Heimmannschaft erkannte in der zweiten Halbzeit die Zeichen des Spiels und sorgte gegen das agilere Gästeteam für Stabilität, indem er seinen Routinier einwechselte. Auch dessen Bäuchlein sah schon bessere Zeiten und er war mindestens 45 Jahre alt. Unbestätigten Gerüchten zu Folge, ist er auch Mitglied der Basketball- und Volleyballmannschaften der Stadt. Er war einer der Spieler, die den Sinn von Kommunikation am Fußballplatz verinnerlichten. Viele Bälle sah der gute Mann nicht, aber er war für seine jungen Kollegen dennoch eine Art Dirigent – auf der Position des klassischen rechten Außenprackers in einem sehr flüssigen, um nicht zu sagen lustigen Spielsystem.

Ein Fußballspiel kam hier eigentlich nicht zustande. Der Rasen war in einem zu miserablen Zustand und der Ball hoppelte willkürlich umher. Kurzpassspiel wäre hier nicht mal aufzuziehen gewesen, wenn die Spieler dazu technisch im Stande gewesen wären. Die Frage, wie hier ein Spiel zwischen einer halbwegs professionellen Holzhackerelf und dem FC Barcelona enden würde, kam unweigerlich auf. Noch dazu wurde die zerfahrene Partie immer wieder für längere Zeit unterbrochen: Einerseits weil der sehr autoritäre Schiedsrichter eine gelbe Karte nach der anderen verteilte, andererseits weil die zahlreichen Fehlschüsse in Richtung Tor den Ball dazu veranlassten das Gelände zu verlassen, woraufhin der Torhüter über oder unter Zäune klettern musste, um das Spielgerät von den benachbarten Grundstücken wiederzuholen. Uns machte es Spaß und auch die anderen Zuschauer ließen eine kleine Prise Galgenhumor ob der dürftigen Darbietungen der beiden Mannschaften nicht im Verborgenen.

Also, merke: Wenn du eines Tages in einem exotischen Land bist, dessen Nationalteam jenseits des 150.Platzes der FIFA-Weltrangliste angesiedelt ist, such‘ dir nicht das beste Spiel aus, das du finden kannst. Such‘ dir eher das schlechteste aus, dann erlebt man eine Cancha im Meisterschaftsbetrieb, kultige Routiniers, eine ganze Menge unfreiwilliger Alleinunterhalter und im Idealfall – so wie es in diesem Fall war – eine richtig hübsche kleine Tribüne, die man nicht unbedingt in der nicaraguanischen Pampa erwartet hätte.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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