Der Senat 1 der österreichischen Bundesliga verdonnerte den SK Rapid Wien und den FK Austria Wien nach den Ausschreitungen beim Wiener Derby zu beinharten... Keine Gästefans bei den nächsten Derbies: Strafen gegen die Wiener Großklubs und Probleme in der Umsetzung

Fans und PyrotechnikDer Senat 1 der österreichischen Bundesliga verdonnerte den SK Rapid Wien und den FK Austria Wien nach den Ausschreitungen beim Wiener Derby zu beinharten Strafen. Die Fans der Wiener Großklubs werden „pauschal“ und nicht gerade durchdacht bestraft, den Heimblöcken für die restliche Saison die Rute ins Fenster gestellt. Von den saftigen Geldstrafen, die den Vereinen aber nur kurzfristig schaden, mal abgesehen.

Beide Klubs waren sich nach der Urteilsverkündung des Senat 1 vorerst einig. Da die Urteilsbegründung noch aussteht, wollen sowohl Rapid, als auch die Austria auf ebendiese warten, bevor man in eine etwaige Berufung gehen möchte.

Die Stellungnahmen

Austrias AG-Vorstand Markus Kraetschmer dazu: „Das ist ein sehr hartes Urteil aus unserer Sicht. Wir werden schnellstmöglich die Urteilsbegründung anfordern und uns dann mögliche Rechtsmittel überlegen. Für uns sind jedenfalls noch einige Fragen offen.“ In der ersten Stellungnahme Rapids heißt es: „Der SK Rapid nimmt dieses harte Urteil vorerst zur Kenntnis, fordert allerdings die derzeit dem Klub noch nicht bekannte Begründung des Beschlusses an, bevor weitere mögliche Rechtsmittel ergriffen werden könnten. Sobald diese dann schriftlich vorliegt, wird bezüglich der weiteren Vorgehensweise gerne weiter informiert, möglicherweise werden durch die schriftliche und detaillierte Begründung derzeit noch offene Fragen geklärt.

Große Chancen auf eine Milderung des Urteils bestehen wohl nicht. Zu schwerwiegend waren die Verstöße gegen die „Veranstaltungsbestimmungen“. Auch die „missbräuchliche Verwendung von Pyrotechnik“ wurde dezidiert als Grund angegeben. Beim Wiener Derby vor knapp zwei Wochen wurden zahlreiche Böller gezündet und aus dem Austria-Sektor wurden Leuchtstifte in Richtung Familientribüne abgefeuert.

Kampagnen lösen das Böllerproblem nicht

Böller sind aktuell einer der problematischsten Auswüchse in Fußballstadien. Die Kracher sind vor allem laut und gefährlich, tragen aber keineswegs zu guter Stimmung bei, wie es etwa bei kontrollierter Pyrotechnik – etwa mit Rauchtöpfen oder bengalischen Feuern im klaren Rahmen und unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften – der Fall sein kann. Es gibt zahlreiche Beispiele für unbeteiligte Fans in Fußballstadien, die durch Böller verletzt wurden. Vereinsseitige Kampagnen gegen Böller per se sind zwar lobenswert, ändern aber kaum etwas an der fortschreitenden bzw. eher wiederkehrenden Radikalisierung der Täter.

Strengere Kontrollen sind ein logistisches Problem

Die Eingangskontrollen beim Derby waren weitgehend lasch. Nachdem viele Fans das Stadion auf den Längsseiten betraten, wurde noch gewitzelt, dass man „heute wohl alles mit hinein nehmen könnte“. Strengere bis strengste Kontrollen würden das Problem wohl in den Griff bekommen, sind aber praktisch nicht umsetzbar. Der deutsche Fanforscher und Soziologe Gunter A. Pilz erklärte zur Frage nach strengeren Eingangskontrollen in einem Interview: „Wie soll man das ausschließen? Dafür benötigt man ja einen Bodyscanner und man muss zusätzlich alle Körperöffnungen prüfen. Wenn das bei einer Partie mit 20000 Besuchern passieren würde, müssten die Eingangskontrollen schon am Vorabend beginnen.

Gefährliche Feuerwerkskörper

Klar sind diesbezüglich die Vereine gefragt. Aber wie Pilz erläuterte, ist der Böller-Schmuggel praktisch nicht in den Griff zu bekommen. Leider muss etwas passieren, bevor etwas passiert. Und wie gefährlich so manche im Stadion verwendete Pyrotechnikartikel sein können, wird einerseits in diesem Artikel, andererseits in folgendem Video aufgezeigt.

Die Urteile gegen die Wiener Großklubs lauten wie folgt:

  • 35.000€ Geldstrafe für den FK Austria Wien
  • 25.000€ Geldstrafe für den SK Rapid Wien
  • Keine Gästefans bei den nächsten beiden Wiener Derbies
  • Der Heimfansektor beider Klubs wird für ein Spiel gesperrt, sofern der jeweilige Klub eine Sanktion wegen Verletzung von § 116a der ÖFB-Rechtspflegeordnung bis zum Ende der Saison 2014/15 erhält.

Die Strafen sind hart und von der Bundesliga „gut gemeint“, allerdings muss man sich ernsthafte Gedanken über die praktische Umsetzung machen. Die Problemfans werden sich letztlich „inkognito“ in den neutralen Sektoren breitmachen, was dem Wohlbefinden der gemäßigten Stadionbesucher garantiert nicht zuträglich ist. Auch wenn die Konsequenzen durch die Bundesliga deftig anmuten, sind sie eher „nicht Fisch, nicht Fleisch“.

Was ändert’s?

Andern werden die Strafen zudem am Hauptproblem nichts. Die Fangruppen werden der Bundesliga bei nächster Gelegenheit „mitteilen“, was sie von diesen Strafen halten. Gefragt sind die Vereine und die Fankurven selbst: Die Klubs müssen mit einer Nulltoleranzpolitik aufwarten und die Täter aus dem Stadion verbannen. Dies erwirkt zwar in gewissem Maße eine märtyrerhafte Solidarisierung innerhalb der Fantribünen mit den Tätern, wäre aber die einzig vernünftige Reaktion. Jeder weiß das, jeder spricht davon und trotzdem unternehmen die Klubs proaktiv viel zu wenig. Mit ein paar hübschen Drucksorten und abgelutschten Statements ist es nun mal längst noch nicht getan. Es ist Zeit den übermäßigen Respekt vor den Fanstrukturen abzulegen und aktiv zu werden. „No one is bigger than the club“ sollte nicht nur stolz gedacht, sondern auch gelebt werden.

Selbstreinigungsprozess?

Noch stärker gefragt sind nun aber die Fankurven selbst, denn in den meisten Fällen konnte die Gesamtsituation nur dann nachhaltig verändert werden, wenn ein Selbstreinigungsprozess „aus der Kurve heraus“ initiiert wurde. Dass dies aber selbst für couragierte Menschen nicht immer leicht ist, steht natürlich außer Frage. Es besteht das Risiko einer internen Zerrissenheit, die dem gemäßigten Fan, der aus einfachen Gründen der Stimmung eine Fantribüne besucht, weitere Stadionbesuche mehr als nur vermiesen würde.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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