Seit der Fußballweltverband FIFA 1938 die 17 Grundregeln des Kicks auf das Leder festgelegt hat, wird Fußball weitgehend gleich gespielt. Seitdem wurden zwar durchaus... Kommentar | Braucht der Fußball eine Regelreform, Teil 2: Antwort – NEIN!

Seit der Fußballweltverband FIFA 1938 die 17 Grundregeln des Kicks auf das Leder festgelegt hat, wird Fußball weitgehend gleich gespielt. Seitdem wurden zwar durchaus einige Änderung vorgenommen, wie beispielsweise das Elfmeterschießen, die Anzahl der Einwechselspieler, die Rückpassregel, aber im Endeffekt spielen 22 Frauen oder Männer auf einem Platz, der innerhalb einer 400-Meter-Laufbahn Platz hat, auf zwei Tore. Gewinner ist die Mannschaft, die zumindest ein Tor mehr als die andere erzielt.

Mit der Einführung der Champions League, dem Bosman-Urteil und der TV-Vermarktung durch Private hat sich das Rundherum um das Spiel in den letzten gut 20 Jahren sehr verändert. Die Wissenschaft und die Technologie, die sich mit dem Fußball befasst, wurde immer weiter ausgebaut. Kein Wunder, war und ist doch genug Geld dafür da. Dadurch wurde das Spiel immer schneller und scheint immer wieder die Spielleiter zu überfordern. Darum wird von vielen Seiten immer wieder die Nutzung von Technologie gefordert, um das Spiel „fairer“ zu machen. Einige Grundannahmen sind aber falsch.

Eine Fehlentscheidung kostet Millionen

Das ist eine beliebte Annahme der Verfechter von Hawk Eye oder Chip-im-Ball-Technologien. Der Ball knallt an die Latte, dann auf oder hinter die Linie und springt raus. Tor, oder nicht Tor? Sieg, oder Niederlage? Das legendäre Wembley-Tor von Geoff Hurst im Weltmeisterschaftsfinale 1966 ist sozusagen archetypisch für dutzende Entscheidungen. Fakt ist: Studien zufolge war der Ball nie hinter der Linie. Fakt ist aber auch, dass der Schiedsrichter Gottfried Dienst auf Tor entschieden hatte. Eine Tatsache also, wie sie sehr oft im Spiel vorkommt. Die Dynamik innerhalb der 90 Minuten ist auch das, was gegen eingangs erwähnte Technik spricht. Beginnen die Offiziellen fragwürdige Torszenen so zu analysieren, warum dann nicht auch Zweikämpfe im Mittelfeld? Oder die Fouls während der Ausführung eines Eckballs?

Challenges?

Die Fans und Berichterstatter müssten sich darauf einstellen immer wieder einige Minuten zu warten, bis das Spiel fortgesetzt wird. Denn wenn schon Torszenen ganz genau unter die Lupe genommen werden, dann aber auch Fouls, Handspiele und Out-Entscheidungen. Die Partie würde komplett auseinander gerissen werden und Fußball wäre am besten Weg, American Football zu werden. Dies wiederum widerspricht der Philosophie des Kicks auf den runden Ball. Immerhin nehmen ja nicht nur der FC Barcelona und Chelsea FC an dem gesamten Fußballbetrieb teil, sondern auch der SV Hall und der Rennweger SV. Ein Lösungsvorschlag wäre, es so wie im Tennis zu halten. Großartige Technologie bei großen Turnieren. Ansonsten bleibt die Schmalspurvariante. Doch das widerspricht wiederum der Idee, dass Fußball ein bis in die Gebietsligen immer wieder reproduzierbares Ereignis von 22 Spielern plus Schiedsrichter ist. Ab wann würde so ein System eingesetzt werden? Ab welcher Spielklasse macht das Sinn?

Falsches Bild des Fußballs

Klar, der Schiedsrichter kann daneben liegen. So wie Statistiken beweisen, dass die Intuition der Tennisspieler bei Bällen, die in oder out sind, nur bei etwa 50 Prozent der Fälle richtig ist. Aber wieso schieben alle immer den Pfeifenmännern den schwarzen Peter zu? Es entsteht ein komplett falsches Bild des Spiels. Abseitsentscheidungen (Wer kennt den Satz „Das Tor hätte eigentlich nicht zählen dürfen!“ nicht?) werden immer als Fehler des Schiedsrichters angesehen. Aber der Passgeber und der Empfänger sollten doch die wahren Helden sein, denn das Timing war perfekt. Dabei darf die 25. Superzeitlupe, welche beweist, dass das Knie einen halben Millimeter weiter vorne war, gerne vergessen werden! Wie oft raunzen Trainer nach Punkteverlusten über nicht gegebene Elfmeter, obwohl die eigene Mannschaft 20 Torschüsse abgab, drei hundertprozentige Chancen nicht nutzte und 60 Prozent Ballbesitz hatte?

Mit dem Chip soll alles gut werden?

Wird ein Fußballspiel durch technische Hilfsmittel wirklich fairer? Was passiert, wenn eine Challenge negativ ist? Was passiert bei Fouls? Was macht der englische Schiedsrichter, der eine ruppigere Gangart spielen lässt, wenn er ein Spiel mit fragilen Spielern pfeift? Auch eine Reform des Regelwerks kann nie und nimmer alle strittigen Fragen klären. Und, so ehrlich muss man sein, der Fußball lebt von der Kontroverse, der Diskussion über Foul oder nicht Foul im Strafraum, dem ewigen Geheimnis des Wembley Goals, dem Mythos. Fußballer verdienen Millionen, sind für die Fans immer weniger zugänglich – fallen die Spekulationen über fragwürdige Entscheidungen auch noch weg, raubt dies den Zusehern möglicherweise den letzten Reiz des Spiels.

Wer sich vor Augen führt, was mitunter auf sich genommen werden muss, ein Fußballspiel zu sehen, der giert quasi nach der Diskussion um Strittiges, selbst Gesehenes. Es fühlt sich in Wahrheit doch echt an, wenn gewisse Dinge im Auge des Betrachters liegen.

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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