Da saß ich nun auf der Tribüne des Wiener Ernst-Happel-Stadions und traute meinen Augen nicht. Was da auf dem Feld geschah spottete jeder Beschreibung.... Kommentar | Not gegen Elend im Wiener Derby – und zufrieden ist man auch noch!

Da saß ich nun auf der Tribüne des Wiener Ernst-Happel-Stadions und traute meinen Augen nicht. Was da auf dem Feld geschah spottete jeder Beschreibung. Links und rechts neben mir: Weitere abseits.at-Redakteure. Der Eine quittierte das Dargebotene mit einem schlichten „A Waunsinn“, der Andere brachte es etwas detailgetreuer auf den Punkt: „Wenn das eine Landesligapartie wäre und ich würde sie mir anschauen, würde ich danach sagen, dass ich nie wieder eine Landesligapartie sehen will…“

Zustimmung meinerseits. Rapid fabrizierte offensichtliche taktische Fehler, die Austria wollte nicht mehr machen – und auch am Können haperte es. Kein einziger Akteur auf dem Platz machte den Eindruck, dass er die technischen und taktischen Unzulänglichkeiten ausbessern möchte. Niemand wurde initiativ, niemand fasste sich ein Herz. Unterm Strich steht eines der schlechtesten Derbies aller Zeiten, ein fades 0:0 und eine spielerische Darbietung bei der sich die Fans gedanklich irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und Galgenhumor bewegten.

Bereits im Laufe der Partie schmiedete ich im Hinterkopf diesen Artikel. Von zwei Mannschaften die Meister werden wollen, muss mehr kommen. Understatement ist in Zeiten, in denen der Weg zum Meistertitel jedes Jahr über Red Bull Salzburg führt, nicht schlecht. Aber auch nur wenn dieses Stilmittel angebracht ist. Eine fast schon abgedroschene Phrase, die sich über die letzten Jahre in den Fanszenen der Bundesliga verbreitete lautet: „Es war nie leichter Meister zu werden“. Betrachtet man jedoch die jüngsten Leistungen von Meister Sturm Graz, Titelfavorit Salzburg, Überraschungsmannschaft Ried und den beiden Wiener Großklubs muss diese Phrase neu gewogen werden. Leichter als heuer war es wahrscheinlich wirklich niemals zuvor.

Der eigentliche Jammer daran: Kaum ein Trainer oder Spieler gibt sich kämpferisch und macht Meisteransprüche deutlich. Peter Schöttel sprach nach der Derbynullnummer vom Erreichen des Minimalziels. Zwar betonte der Rapid-Trainer auch, dass er mit der Leistung seiner Mannschaft nicht zufrieden war und die Austria diesmal zu schaffen gewesen wäre (Schöttel weiß, dass das die schlechteste Austria war, die man seit langer Zeit sah), aber wirklichen Ärger über das maue Spiel sah man weder ihm noch seinen Spielern an. Weder nach dem Spiel, noch auf dem Platz. Von den letzten fünf Spielen des SK Rapid endeten vier 0:0 – die Außendarstellung wird jedoch lieber so gewählt, dass man eh Erster ist, eh wieder einen Punkt auf Gegner XY gut machen konnte. Aber niemand sagt „We are Challengers“, niemand sagt „ja, wir wollen heuer Meister werden und ein 0:0 gegen diese Austria ist eindeutig zu wenig“ oder „wir entschuldigen bei den zahlreichen Fans, die heutige Leistung war schlichtweg Scheisse“. Eine dieser Ansagen wäre Balsam auf den Seelen der Fans, würde neue Euphorie entfachen. Stattdessen wählt man den ruhigeren Weg: Nicht zu laut für den Meistertitel anmelden – weil wenn’s dann doch nichts wird, ist niemand enttäuscht. Gerade im Zuge einer außergewöhnlich schwachen Meisterschaft hat ein breitbrüstiges Team gute Karten. Und ebendiese breite Brust kann man auch mental kreieren, sowohl im Team als auch bei den Fans. Bei Rapid ist man jedoch momentan offensichtlich zu leicht zufrieden – das ist zumindest das, was man dem Normalo-Fan derzeit über die Medien vermittelt.

Noch schlimmer scheint es jedoch um die Ansprüche der Austria bestellt zu sein. Ivica Vastic stellte nach der Partie fest, dass seine Mannschaft „heute sehr gut gespielt hat“. Außerdem sei er „sehr zufrieden mit der Leistung“. Es ist klar, dass die Austria mit dem 0:0 besser leben kann als der Erzrivale, aber diese Worte sind wie Dolchstöße ins Herz jedes Fans, der sich in den letzten Jahren regelmäßig über das attraktive, dynamische Spiel der Wiener Violetten freuen durfte. Ex-Trainer Karl Daxbacher wurde immer wieder kritisiert, weil er den Gegner seines Teams nach einer erfolglosen Partie starkredete und dies nicht selten auf übertriebene Art und Weise tat. Daxbacher war jedoch auch mutig genug zu bemerken, wenn sein Team selbst nicht gut spielte. Die Aussagen von Neo-Coach Ivica Vastic nach dem Derby waren hingegen völlig realitätsfremd. Klar stand die Austria defensiv gut und ließ gegen eine ähnlich schwache Rapid-Elf nichts zu – aber von einer sehr guten Leistung zu sprechen lässt in diesem Fall nur zwei Rückschlüsse zu: Die spielerisch guten Zeiten sind in Wien-Favoriten bis auf weiteres vorbei und Ivica Vastic möchte die schwächste Meisterschaft seit langer Zeit ebenfalls nicht zum Titelgewinn nützen. Ein Top-3-Platz passt schon…

Nach einem Derby der Peinlichkeiten steht Rapid auf Platz 1 und die Austria auf Platz 2. Eigentlich irrsinnig. Den Wiener Großklubs sei nun aber angeraten endlich kämpferischer zu werden, auch nach außen hin. Die Meisterschaft dauert nicht mehr sonderlich lange und es kann 2011/12 wieder einen Wiener Meister geben, aber nicht wenn weiterhin niemand in Grün und Violett „weder riecht noch stinkt“, wie es Austria-Legende Andreas Ogris, als Anspielung auf die zahlreichen Charisma-armen Akteure der beiden Traditionsvereine, vor einiger Zeit treffend formulierte.

(Danny)

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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