Sie sind wieder da. Nach langer Pause schiebe ich heute endlich wieder eine Anekdote aus der österreichischen Bundesliga nach. Österreichische Bundesliga? Nein, heute brechen... Anekdote zum Sonntag (27): Als die Mangold Uwe Seelers Wadl’n traf

zoom_hamburger-svSie sind wieder da. Nach langer Pause schiebe ich heute endlich wieder eine Anekdote aus der österreichischen Bundesliga nach. Österreichische Bundesliga? Nein, heute brechen wir das gewohnte Muster und reisen an die Waterkant. Ins norddeutsche Hamburg der 60er-Jahre. Unseren Österreich-Bezug stellt eine mittlerweile 88-jährige rüstige Dame, die augenscheinlich nicht viel mit Fußball zu tun hat, her: Theater und Film waren ihr Metier seit sie als 19-Jährige erstmals die Bühne des Theaters in der Josefstadt erklommen hatte. In ihrer Freizeit traf man sie nach dem Krieg unter anderem auf der Pfarrwiese an. Rapid-Anhängerin sei sie zwar gewesen – „Als Sozialdemokratin war das eine selbstverständliche Pflicht.“ -, im Grunde genommen scherte sie sich um Niederlagen aber nicht besonders. Später, als sie ihr persönliches Engagement ans Deutsche Schauspielhaus führte, war das ganz anders: Da hatte Erni die Raute wirklich im Herzen. Das lag vor allem am tollen Fußball der Rothosen.

Wir sprechen von der Volksschauspielerin Erni Mangold, die bis heute auf der Bühne steht. Damals, als sie nach Hamburg übersiedelte, ergriff der Zauber des Sportvereines von ihr Besitz: Sooft es ein Heimspiel im Volksparkstadion gab, war die Mangold mit von der Partie und schrie sich die Seele aus dem Leib. Sogar bei den HSV-Trainingseinheiten schaute sie häufig vorbei. Die anwesenden Herren drückten ihr daraufhin das Etikett „Fußballbraut“ auf, waren sie doch überzeugt, dass die Schauspielerin in einen der Kicker schwer verliebt sein musste. In Wahrheit hatte es ihr keiner der Akteure besonders angetan: „Ich stand eigentlich auf alle, ich fand sie großartig.“ Die HSVler dominierten die Oberliga Nord nach Belieben und holten 1959/60 nach mehreren vergeblichen Anläufen endlich die deutsche Meisterschaft. Held dieser Zeit war der bullige Stürmerstar Uwe Seeler, der als gebürtiger Hamburger 1961 sogar ein Angebot Inter Mailands ausschlug um dem HSV die Treue zu halten. Obwohl Erni ja keinen speziellen Liebling hatte, wurde ein Zufallstreffen mit jenem Seeler beinahe zu einer Begegnung der dritten Art für die Österreicherin:

Unaufgeregt besuchte die Mangold ihren Hambruger Hausarzt und harrte im Wartezimmer bis ihr der Herr Doktor Einlass gewährte. Dabei schweifte ihr Blick über die anwesenden Patienten: Plötzlich erblickte sie jene fantastische Rothose, die sie sonst immer nur von der Tribüne aus angefeuert hatte: Uns-Uwe, ein Dreikäsehoch von 168 cm, in Privatkleidung, schüchtern und ruhig. Der Anblick des verehrten Mittelstürmers haute die Mangold nach eigenen Angaben „komplett um“. Zufall war es jedoch keiner: Der vermeintliche Hausarzt war der prominenteste Sportmediziner der Hansestadt. Erni Mangold ließ sich von ihm – auf Empfehlung eines tennisspielenden Schauspielkollegen – Injektionen in den Arm verpassen. Tennis spielte die gebürtige Weinviertlerin zwar nicht, die Schlepperei ihrer schweren Einkäufe hatte aber zu unangenehmen Schmerzen geführt, die so gelindert wurden. Still anhimmelnd und bewundernd betrachtete Mangold nun einen ihrer Helden, der ohne Trikot und Stutzen wenig mit jenem treffsicherem Angreifer gemeinzuhaben schien. Als ihr Blick jedoch auf seine berühmten Beine wanderte, wurde ihr ganz anders: Seeler saß – ganz Fußballer – mit kurzen Hosen und somit entblößten Unterschenkeln da. Seine zu behandelnden Haxen lieferten ein Bild des Grauens: Wie auf einem Schlachtfeld tummelten sich Beulen, Wunden, Narben, offene Stellen und Schnitte unterhalb der Knie. Schon der Anblick war ein Graus und Mangold fragte sich „ wie dieser Mann überhaupt gehen konnte?“ Er konnte noch viel mehr.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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