Rapid bleibt in der Saison 2011/12 zu Hause gegen Mattersburg ohne Sieg. Trainer Peter Schöttel sprach nach dem Spiel von großer Enttäuschung und großem... 1:1 – Rapids „Pech“ gegen Mattersburg hieß Staffelung, Spielaufbau, Antizipation und Positionsspiel.

Rapid bleibt in der Saison 2011/12 zu Hause gegen Mattersburg ohne Sieg. Trainer Peter Schöttel sprach nach dem Spiel von großer Enttäuschung und großem Pech – womit der Rapid-Coach auch Recht hat. Sonnleitner und Trimmel vergaben je zwei Chancen, auch Drazan, Hofmann, Nuhiu, Pichler und Schimpelsberger feuerten aufs gegnerische Tor und trotz einer augenscheinlichen Feldüberlegenheit war Rapids Hauptproblem nicht das Pech, sondern die Schlampigkeit im Spielaufbau und die bekannten Schwächen im Herausarbeiten effektiver Torchancen.

Rapid erarbeitete sich gegen Mattersburg mehr Torchancen als in jeder anderen Frühjahrspartie. Mit Betonung auf „erarbeitete“, denn erspielen konnte sich Rapid nur eine Torgelegenheit: Nach einem Zusammenspiel von Drazan und Grozurek stieg Heikkinen über den Ball, ließ für Hofmann durch, doch dessen Schuss wurde von Martin Rodler zum Eckball abgelenkt. Alle anderen Chancen Rapids resultierten aus Standardsituationen oder Distanzschüssen. Pech hin oder her: Rapid muss sich in einem Heimspiel mehr Torchancen erarbeiten, ganz egal wie der Gegner auf nationaler Ebene heißt.

Pech, auch. Aber hauptsächlich schwerste taktische Verfehlungen…

Die Gründe, warum dies nicht gelang sind durchaus bekannt. Als einfachste Ausrede wird gerne die dicht gestaffelte Mattersburg-Abwehr hergezogen, aber das alleine machte Rapid an diesem Abend nicht rat- und ideenlos. Die Hauptprobleme im Überblick:

  • Rapids Abwehr tut sich beim Herausspielen sehr schwer
  • Rapid verfügt über keinen „Box-to-Box-Midfielder“, der Steffen Hofmann entlasten könnte
  • Die Passpräzision auf längere Distanzen ist zum Teil katastrophal
  • Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen sind deutlich zu groß
  • Die Spielintelligenz einzelner Akteure im offensiven Antizipationsspiel ist sehr gering

Mario Sonnleitner und Harald Pichler sind technisch wahrlich keine Koryphäen. Vor allem Sonnleitners Leistung im Aufbauspiel war am Samstag ausnehmend schwach. Jedoch sah man in einzelnen Szenen welch großen Unterschied es macht, wenn einer der zentral-defensiven Spieler (zu denen auch Heikkinen zu zählen ist, der nur unwesentlich mehr zum Offensivspiel beiträgt als Sonnleitner und Pichler) seine Räume nutzt und aktiv am Aufbauspiel teilnimmt. Christopher Drazan kam in der zweiten Halbzeit zu seiner besten Torchance, weil Pichler sich zum ersten und einzigen Mal traute, abseits einer Standardsituation, seine Grundposition zu verlassen und einen kurzen, intensiven Lauf in Richtung gegnerischen Strafraum zu wagte.

Biedere Defensivspieler statt eines starken Box-to-Box-Midfielders

Es hat schon seine Gründe, warum Innenverteidiger wie Lucio, Vidic, Hummels oder Piqué zu den Besten der Welt zählen. Sie verlagern sich im Sinne des modernen Fußballs nicht nur auf ihre Defensivaufgaben, sondern sind praktisch die „ersten“ Spielmacher (wenn man das Spielfeld vom eigenen Tor weg liest). Mattersburg stand tief, Mattersburg stand kompakt – aber gerade diese starre Ordnung, die sich speziell auf die effektiv angreifenden Rapid-Spieler beschränkte (Flügelspieler, Angreifer und Hofmann), ließe sich durcheinander bringen, wenn einer der defensiveren Akteure für einen Überraschungsmoment sorgte. Früher war bei Rapid Branko Boskovic für diesen Part vorgesehen. Gegen Ende seiner Rapid-Karriere oft kritisiert, war er dennoch der Spieler, der durchschnittlich zwischen 11 und 12 Kilometern pro Partie lief und den Innenverteidigern und defensiven Mittelfeldspielern den unangenehmen Part des Spielaufbaus abnahm. Statt des montenegrinischen Primgeigers müssen jedoch in der aktuellen Rapid-Elf brave Verteidiger, aber biedere Fußballer diese wichtige Facette des modernen Spiels übernehmen. Das Resultat dessen ist das Rapid-Unwort der letzten Jahre: „Entlastung für Steffen Hofmann“ – und eben die gibt es derzeit nicht. Rapid hat keinen Box-to-Box-Midfielder (ein Mittelfeldspieler dessen Aktionsraum zwischen den beiden Strafräumen liegt) mit Qualität, der für echte Hofmann-Entlastung sorgen könnte.

Es ist nicht kuschelig genug im Rapid-Mittelfeld

Doch es gesellen sich weitere Probleme hinzu, die ein geordnetes und vor allem gemeinsames Offensivspiel sehr schwierig machen: Wenn selbst der sonst passsichere und solide Michael Schimpelsberger einfache Abspielfehler macht, kann auch rund um den technisch guten 21-Jährigen einiges nicht stimmen. Zentral haben Pichler und Sonnleitner (meistens) kaum Anspielstationen, also gibt es zwei (häufige) Möglichkeiten das Spiel zu eröffnen: Entweder mit einem weiten Ball nach vorne oder mit einem Pass auf die Außenverteidiger. Die Außenverteidiger stoßen jedoch auf ähnliche Probleme, unmittelbare Anspielstationen sind Mangelware – die Dreieckbildung im Mittelfeld funktioniert nicht. Der Grund dafür ist der, dass die nächsten Mitspieler zu weit vom Ballführenden entfernt sind. Dies zwingt den Ballführenden zu einem Rückpass oder einem Pass über größere Distanz. Da weite Pässe naturgemäß schwieriger zu spielen sind als kurze, passieren gezwungenermaßen Fehler.

Änderung der Staffelung dringend notwendig

Rapids unpräzises Passspiel ist ein direktes Ergebnis der völlig falschen, zum Teil fast schon abstrakten Raumaufteilung im Sinne des Zonenfußballs. Die weiten Abstände verkomplizieren außerdem das Umschaltspiel der Grün-Weißen, was man beim Matchball durch Michael Mörz beobachten konnte. Das Spielfeld im Gerhard-Hanappi-Stadion ist 105 Meter lang. Nach etwa einer Stunde, beim Stand von 1:0 für Mattersburg, konnten wir eine Situation beobachten, in der der ballführende Mario Sonnleitner vom ballfernsten Rapid-Spieler Atdhe Nuhiu gemessene 58 Meter (ideal wären im Sinne des kompakten Angreifens 35 Meter) entfernt war. Es sei dahin gestellt, ob die Spieler auf dem Platz nicht umsetzen, was Schöttel vorgibt, oder ob es der Rapid-Trainer ist, der das Positions- und Antizipationsspiel seiner Mannschaft nicht als großes Problem betrachtet – aber wenn Pech die Hauptursache für das Remis der Hütteldorfer gegen Mattersburg war und nicht die völlig ziellose Kollektivleistung im läuferischen und taktischen Bereich, dann sollte sich Rapid in den verbleibenden elf Runden darauf konzentrieren in gute Schusspositionen zu kommen und Freistöße oder Eckbälle herauszuholen. Denn wenn sich am Positionsspiel der gesamten Mannschaft nichts ändert, wird man bei unentschiedenen Spielständen oder gar Rückständen auch weiterhin keine Rapid-Elf sehen, die im Stande ist, sich Torchancen zu erspielen. Und dann hilft es auch nichts, dass man gleich mehrere Spieler besitzt, die mehrere offensive Positionen bekleiden können. Flexibilität ist schön und gut, aber nur wenn die Mannschafts- und Gruppentaktik ein sichtbares Konzept verfolgt.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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