Schon wieder 1:0 – Joker Grünwald schießt Austria Wien in Ried auf Platz zwei
Bundesliga 20.August.2012 Alexander Semeliker 0
Der FK Austria Wien bewahrt seine weiße Weste in Auswärtsspielen. Der 1:0-Sieg bei der SV Ried war der dritte Auswärtssieg in dieser Saison und der ebensovielte ohne Gegentor. Matchwinner war der eingewechselte Alexander Grünwald, der in der 84. Minute das Goldtor erzielte. Mit diesem Erfolg zogen die Wiener mit Stadtrivalen Rapid gleich, müssen sich aufgrund des schlechteren Torverhältnisses vorerst hinten anstellen.
Verantwortlich dafür ist vor allem die Masse an 1:0-Siegen; drei der vier Saisonerfolge feierten die Veilchen mit dem bescheidensten aller Siegergebnisse. „Wenn ein Siegtor so spät fällt, ist das immer glücklich“, so FAK-Coach Peter Stöger. Sein Kollege sieht das ähnlich: „Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen. So ist der Fußball“, so Heinz Fuchsbichler, für den diese Niederlage dennoch „völlig unnötig“ war.
Punktuell veränderte Startformationen
Der 44-Jährige strebt eine Abkehr vom lange praktizierten 3-3-3-1-System an und so begann Ried auch gegen die Austria mit einer 4-2-3-1-Formation. Schon in der Europa-League-Qualifikation kam diese zum Einsatz und charakterisierte sich dadurch, dass im zentralen offensiven Mittelfeld kein typischer Spielmacher agierte. Gegen Legia Warschau war es zum Beispiel mit Reiter ein nomineller Defensivspieler, gestern mit Zulj ein gelernter Stürmer. Den ÖFB-Nachwuchsteamspieler zeichnet eher sein Tordrang als seine spielerische Kreativität aus. Weiters überraschte die Nominierung Schreiners als linker Flügelspieler. Für den 23-Jährigen wich Meilinger auf die rechte Außenbahn aus.
Stöger machte einmal mehr von seinem ausgeglichenen Kader Gebrauch, indem er in der Innenverteidigung Rogulj durch Margreitter ersetzte. Auch Stankovic kam als rechter Flügelspieler neu in die Mannschaft, da Gorgon verletzungsbedingt passen musste. Aber selbst wenn dieser dabei gewesen wäre, betonte Stöger, hätte man sich Gedanken um eine Eingliederung von Stankovic gemacht, da sich der 26-Jährige zuletzt aufgedrängt hatte.
Kameranahe Seite bevorzugt
Das Spiel begann so wie man es sich im Groben vorgestellt hatte. Beide Mannschaften versuchten selbst das Heft in die Hand zu nehmen, taten dies vor allem über die Seite, auf der die TV-Kamera platziert war – bei Ried die rechte, bei der Austria die linke. Hinum und Suttner drängten stark nach vorne, was hinter ihnen jeweils Räume für Gegenstöße bot. Außerdem vernahm man kaum Seitenverlagerungen, da auch die ballfernen Spieler einrückten und ihre Seite verwaisen ließen anstatt die Breite zu halten. Bei Ried eilte zudem Zulj aus der Mitte immer wieder auf die Seite um dort mit den Außenspielern zu kombinieren und anschließend im Sturmzentrum auf Hereingaben zu warten. Kurioserweise drehte sich dieses Verhalten nach der Halbzeitpause, als Schicker und Schreiner mutiger wurden und auch Dilaver aufseiten der Austria seinen Vordermann mehr unterstützte.
Rieds Überangebot an Linksfüßen
Während Ried auf der linken Seite mit Schicker und Schreiner zwei Spieler hatte, die die Linie entlang marschierten um zu flanken, übernahm diese Aufgaben auf der gegenüberliegenden Seite ausschließlich Außenverteidiger Hinum, der einzige Rechtsfuß auf den Außenbahnen. Vor ihm zog Meilinger als inverser Flügelspieler mit Diagonal- und Horizontalläufen meist nach innen um den Abschluss zu suchen und schlug Flanken lediglich aus dem Halbfeld. Eine dieser Hereingaben sorgte auch beinahe für die Führung, als Schreiner am langen Pfosten für Zulj ablegte, dieser den Ball aber über die Latte hämmerte. Auch nach Hinum-Flanken vergab selbiger zwei weitere Möglichkeiten, nachdem Meilinger mit Läufen in die Mitte den Raum öffnete.
Austrias flexible Offensivreihe
Die Austria legte ihr Offensivpiel variabler an. Anders als bei den Innviertlern, deren Doppelsechs nur zaghafte Vorstöße unternahm, waren es vor allem die Zentralspieler, die für Gefahr sorgten – nicht zuletzt weil Grünwald als Achter das entscheidende Tor erzielte. Den größten Aktionsradius hatte dabei Simkovic. Zu Spielbeginn rochierte er immer wieder mit Jun, der auch sonst stark ins Zentrum drängte, nach Grünwalds Einwechslung beackerte er den rechten Flügel. Zwischendurch stürmte er ein ums andere Mal in den Strafraum vor, vergab beispielsweise in der 42. Minute eine Topchance, oder beteiligte sich in der Tiefe am Spielaufbau. Auch Solospitze Kienast tat dies mit Fortschreiten der Spieluhr, da die Unterstützung seiner hinteren Mitspieler zusehends nachließ. So war er kurz vor seiner Auswechslung ein ums andere Mal hinter der offensiven Mittelfeldkette zu finden, während Jun das Angriffszentrum besetzte.
Vrsic erneut unauffällig
Als einziger der violetten Offensivspieler fiel lediglich Vrsic – und mit Abstrichen Stankovic – ab. Der Slowene, der ursprünglich als entscheidender Taktgeber geholt wurde, kam lediglich auf 47 Ballkontakte und war meist weit entfernt von den Hot Spots. Beim tiefen Spielaufbau wollte er zwar vor der situativ erschienenen Dreierkette, die von Margreitter, Ortlechner und dem abkippenden Holland gebildet wurde, Verantwortung übernehmen, wurde aber oftmals zugunsten seines Nebenmanns Simkovic ignoriert. Die Laufwege des 27-Jährigen waren zudem sehr absonderlich. Zeitweise steht er ungünstig, im Extremfall sogar in der Schussbahn des Mitspielers, manchmal wissen seine Bewegungen ohne Ball sehr zu gefallen. Wie im Derby positionierte er sich im ballfernen Halbraum manchmal intelligent zwischen den Linien um den dortigen Raum ausnutzen zu können, allerdings wurde er dann von seinen Mitspielern häufig nicht beachtet bzw. übersehen.
Bombensichere Austria-Defensive
Auf der anderen Seite des Spielfelds hatte Austrias Hintermannschaft kaum ernsthafte Probleme mit Rieds Offensivabteilung, zum einen weil die Oberösterreicher zu ausrechenbar agierten, zum anderen weil das Innenverteidiger-Duo eine bärenstarke Partie ablieferte. Margreitter gewann bei nur einem Foul beachtliche elf Zweikämpfe, verlor aber nur deren sechs. Darüber hinaus kam er auf 52 Ballkontakte und brachte rund 92% seiner Zuspiele an den Mann. Ähnliche Werte schreibt die Statistik auch seinem Nebenmann zu: elf zu sieben gewonnene Zweikämpfe und 91,3. Allerdings verzeichnete Ortlechner (91,3% angekommene Pässe) nur 36 Ballkontakte, was die Aufgabenverteilung beim Herausspielen klar herausstreicht. Auch Reifeltshammer und Reiter hinterließen im Allgemeinen einen guten Eindruck, leisteten sich aber hie und da individuelle Fehler – zum Beispiel beim 0:1.
Hitze als Ursache für individuelle Fehler
Beim spielentscheidenden Gegentor stand zudem Ziegl zu weit weg von Grünwald. Dass Rieds Nummer vier dem Antritt des Austrianers nicht folgen konnte, hatte aber auch Fitnessgründe. Grünwald hatte als Einwechselspieler naturgemäß frischere Kräfte als jemand, der seinen Körper bei brütender Hitze bereits lange Zeit über das Feld schleppen musste. Das Spiel wurde zusehends zur Hitzeschlacht, was sich auch im Tempo niederschlug. Dass individuelle Aktionen die Entscheidung bringen würden, zeichnete sich früh ab. Beide Mannschaften zogen sich daher ab ca. Mitte der zweiten Halbzeit weiter zurück bzw. verlagerten den Fokus auf die Kompaktheit gegen den Ball – daran änderten auch die Trinkpausen nichts, die die FIFA ab einem WBGT-Index von 31°C erwägt.
Alexander Semeliker, abseits.at
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