Retro ist in. In Deutschland grassiert die Ostalgie, im Zuge derer sich mehr oder weniger Prominente in diversen Sendungen an die schönen Seiten der... Sowjet-Liga: Genialer Schachzug oder Schnapsidee?

Retro ist in. In Deutschland grassiert die Ostalgie, im Zuge derer sich mehr oder weniger Prominente in diversen Sendungen an die schönen Seiten der DDR erinnern dürfen und auch im Fußball besinnt man sich offenbar auf vergangene Zeiten, wenn auch aus reinem Selbstinteresse. Osteuropäische Spitzenvereine arbeiten momentan an einem Konzept für die Etablierung einer transnationalen Liga, an der Mannschaften aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion teilnehmen sollen.

Neu ist diese Idee freilich nicht, denn in regelmäßigen Abständen gibt es immer wieder Bestrebungen, nationale Ligen zusammenzuführen, um die Konkurrenzfähigkeit zu steigern. So wurde etwa in Österreich und der Schweiz vor rund zehn Jahren intensiv über die Alpenliga diskutiert und auch in Tschechien und der Slowakei laufen Gespräche über einen sportlichen Zusammenschluss, um an einstige ČSSR -Zeiten anschließen zu können.

Fehlende Konkurrenzfähigkeit im Europacup

Das Motiv der vornehmlich russischen und ukrainischen Funktionäre ist klar: Trotz enormer Summen, die die hinter den Clubs stehenden Oligarchen zur Verfügung stellen, ist der Output auf internationaler Ebene bisher äußerst mager, darüber können auch Erfolge in der Europa League (früher UEFA-Cup) nicht hinwegtrösten, denn diese Bewerbe werden von den meisten Topnationen ohnehin lediglich belächelt.

Der einzige Bewerb, der wirklich zählt, ist die Champions League – und diese ist für die osteuropäischen Vertreter bisweilen noch zumindest eine Stufe zu hoch. Zenit St. Petersburg investierte im Sommer unglaubliche 100 Millionen Euro, erreichte in der Gruppenphase mit viel Mühe aber gerade einmal den dritten Rang, womit es wieder in der Europa League weitergeht. Spartak Moskau blieb sogar ganz auf der Strecke und musste sich hinter Manchester United, Benfica und Celtic einordnen. Auch Dynamo Kiew und BATE Borisow mussten verfrüht die Segel streichen, sodass Shakhtar Donezk der einzige noch im Bewerb verbliebene Vertreter Osteuropas ist.

Was liegt daher näher, als die Kräfte zu bündeln und eine Eliteliga aus der Taufe zu heben, in der die finanziell potentesten Vereine unter sich sind und demnach deutlich stärker als in ihren nationalen Championaten gefordert werden? Neben der größeren sportlichen Herausforderung, die sich in weiterer Folge auch im Europacup widerspiegeln soll, würden freilich auch die Einnahmen durch Ticketverkäufe und Fernsehgelder wesentlich üppiger als bisher ausfallen. Zudem wäre es unter Umständen  tatsächlich möglich, absolute Weltstars an Land zu ziehen, die sich bisweilen noch immer davor sträuben, von West- und Mitteleuropa in den Osten zu wechseln.

Tiefschlag für die restlichen Vereine

Wo viel Licht, dort gibt es naturgemäß aber auch viel Schatten. Lösen sich die Topvereine aus ihren Ligen los, würden das für die dort verbliebenen Clubs einen enormen Tiefschlag bedeuten, kämen doch somit sämtliche Zugpferde für Zuschauer, Sponsoren und TV-Stationen abhanden. Zudem wäre es für diese Vereine fortan vermutlich nahezu unmöglich, eine Europacupteilnahme zu erreichen, da die internationalen Startplätze wohl über die neue transnationale Meisterschaft ausgespielt werden würden.

Folglich würde die Schere zwischen arm und reich noch weiter auseinandergehen, was der UEFA zumindest offiziell missfallen dürfte und ohne den Sanctus der europäischen Bewerbshüter ist es kaum möglich, eine neue Liga zu ins Leben zu rufen. Hinter vorgehaltener Hand ist der eine oder andere UEFA-Vertreter jedoch vermutlich gar nicht so unglücklich über die Pläne, die derzeit im fernen Russland geschmiedet werden.

Der Europacup ist in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren durch den Fall des Eisernen Vorhangs und die dadurch neu entstandenen souveränen Staaten enorm aufgedunsen. Zählt die UEFA heute 53 Verbände, waren es in der Saison 1989/90 lediglich 32. Die Auswirkungen sind bekannt: Die Qualifikationsrunden zu Champions League und Europa League gleichen mittlerweile einem hochsommerlichen Marathon, da die vielen für das internationale Geschäft qualifizierten Clubs auf ein gesundes Maß reduziert werden muss, um die Gruppenphasen nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen.

Platinis Planspiele

Hinzu kommt, dass UEFA-Präsident Michel Platini bestrebt ist, die Europa League einzustampfen und die Champions League auf 64 Teams aufzustocken – das würde 16 Mannschaften weniger als zum gegenwärtigen Zeitpunkt in den Gruppenphasen bedeuten. Gäbe es weniger Meisterschaften, die ihre Vereine nach Europa entsenden, wäre es wohl auch einfacher, dieses neue Modell auf Schiene zu bekommen, da die einzelnen Ligen dann deutlich weniger Abstriche machen müssten, als dies derzeit der Fall wäre.

Andererseits bleibt abzuwarten, wie groß das Interesse der osteuropäischen Vereine an einer neuen Liga tatasächlich ist, wenn die bis dato mehr oder weniger garantierten Europacupteilnahmen abhandenkommen, denn dass in einer solchen Meisterschaft mehr internationale Plätze als üblich ausgespielt werden, darf als unwahrscheinlich angenommen werden.

Es wird wohl noch etwas Wasser die Wolga hinunterfließen, ehe sich Vereine aus Russland, der Ukraine, Weißrussland oder Aserbaidschan in einer neu geschaffenen Liga duellieren, doch spannend sind diese Überlegungen allemal, da sie weit größere Auswirkungen haben könnten, als dies auf den ersten Blick erscheinen mag.

OoK_PS, abseits.at

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