Massimo Moratti wird sich bei der Trainersuche wohl wie ein Kind gefühlt haben, das nicht das Spielzeug bekommt, welches es haben will. Kein Fabio... Ein Platzhalter für "la grande Inter"

Massimo Moratti wird sich bei der Trainersuche wohl wie ein Kind gefühlt haben, das nicht das Spielzeug bekommt, welches es haben will. Kein Fabio Capello, kein André Villas-Boas – die bleiben oder gehen ins Mutterland des Fußballs und José Mourinho, der mit seiner Defensivtaktik so gut zu Inter passt, will auch nicht. Also kommt mit dem ehemaligen Genua-Coach Gian Piero Gasperini nicht Plan A oder B, wohl eher G, H, I oder J. Interessant ist der Coach aber allemal, wandelt er doch vor allem taktisch abseits des Mainstreans.

Der 53-jährige Gasperini ist nicht der große Kracher, den sich die Medien von Inter Mailand erwartet haben. Seine Erfolge sind – für Mailänder Verhältnisse – relativ überschaubar, er führte Crotone in die Serie B und Genoa in die Serie A, über die sich der älteste Fußballclub Italiens auch gleich mit einem fünften Platz 2008 für den UEFA-Cup qualifizierte. Dies war auch Balsam auf den Wunden der Fans, die ja 2005 den Zwangsabstieg in die Serie C1 wegen manipulierter Spiele hinnehmen mussten. Nichtsdestoweniger wurde Gasperini Anfang November in der abgelaufenen Spielzeit wegen mangelnden sportlichen Erfolgs entlassen. Für die Arbeit des bei den Fans als Platzhalters bezeichneten Gasperini gibt es drei Kernpunkte, die seine Zeit in Mailand begrenzen.

Das System 3-4-3

In den meisten Spielen ließ Gasperini seine Spieler in einem im modernen Fußball anachronistischen System auflaufen. Das 3-4-3 wird nur noch selten gespielt, es gilt als schwierig, da man über die Außenbahnen sehr anfällig ist. Ein prominentes Beispiel ist derzeit bei der Fußball-WM der Frauen zu beobachten. Der brasilianische Coach Lima lässt seine Frauen mit einer Dreierkette spielen. Im Gegensatz zu Lima, der noch konservativer mit Libero und Vorstoppern spielt, ließ Gasperini meist mit drei Center Backs spielen. Im Mittelfeld steht eine flache Viererkette, die über die holländisch-offensiven Außenspieler einen klassischen Mittelstürmer, bei Genoa zuletzt Luca Toni, bedienen soll. Umgelegt auf den Kader von Inter funktioniert dieses Defensivkonzept nicht, da man dort unter Mourinho und Leonardo mit einer klassischen Viererkette spielte und der Kader auch darauf ausgelegt ist. Noch mehr Probleme bereitet Gasperinis Lieblingskonzept aber in der Offensive. Er stellte durchaus des öfteren eine Viererkette auf, offensiv blieb er aber bei dem Dreiersturm. Sowohl im 3-4-3 als auch im 4-3-3 gibt es aber eine Position nicht, die in Mailand mit einem Namen stark verbunden ist: Der Zehner Wesley Sneijder. Der quirlige Holländer, der das Offensivspiel der Norditaliener in den letzten Spielzeiten maßgeblich beeinflusste, ist körperlich zu klein und zu fragil, um auf der zentralen Acht des Systems „Gasperini“ zu spielen. Der neue Trainer muss also sein Grundkonzept gehörig umbauen, um dem Kader von Inter gerecht zu werden.

Das Starensemble

Julio Cesar, Lucio, Maicon, Zanetti, Stankovic, Sneijder, Milito, Pandev, Eto’o – Im Kader der Mailänder stehen fasst ausschließlich Spieler, die in jedem anderen Team der Welt unumstrittene Stammspieler wären. Gasperini hat so gut wie keine Erfahrung im Umgang mit solchen Weltstars und betritt damit Neuland. Zwar waren bei Genoa auch Spieler wie Toni oder Rafinha unter Vertrag, aber nicht in so geballter Form. Die Begehrlichkeiten der Stars sind zu beachten und diese sitzen, als großteils Triple-Sieger 2010, am längeren Ast. Gasperini muss die Spieler mit Samthandschuhen an sein Training und seine Spielphilosophie gewöhnen, es sind schon weitaus größere Trainer an ihren Spielern gescheitert, ein Blick nach München lässt hierbei einen Vergleich zu. Wenn die Stimmung nicht gut ist, da sich plötzlich für die Akteure einiges ändert, reicht schon eine Kleinigkeit im Training aus und die Mannschaft stellt sich gegen den Coach, bringt ihre Leistung nicht mehr. Moratti wird unter allen Umständen eher Gasperini vor die Tür setzen, bevor seine Millionen schweren Stars diszipliniert werden.

Massimo Moratti

Der mächtige Öl-Tycoon führt mit einer zweijährigen Unterbrechung von 2004 bis 2006 den Club als Präsident seit 1995 mit eisener Hand, der Einfluss war aber auch in diesen zwei Jahren groß. Moratti ist ein Macher und investiert viel Geld in den Verein, böse Zungen behaupten, er möchte seinen Vater, der von 1955 bis 68 Präsident war, mit allen Mitteln übertrumpfen. Diese Zeit gilt als erfolgreichste der Mailänder. Und unrecht haben die Kritiker damit nicht. Seit 1995 arbeiteten vierzehn verschiedene Trainer für Internazionale und darunter zweimal Roy Hodgson, Marcello Lippi, Hector Cuper, Rafa Benitez oder Roberto Mancini. Drei Scudettos in Folge waren bei Mancini nicht genug, als Mourinho 2008 geholt wurde. Und von dieser Vorgehensweise kann man auch bei Gasperini ausgehen. Selbst wenn der Erfolg stimmen sollte, wird Moratti am Trainermarkt aktiv werden und einen größeren Namen holen. Der Präsident macht nicht, weil er muss, sondern weil er kann.

Die Zeit von Gian Piero Gasperini bei Inter Mailand ist mehr als begrenzt. Ein Jahr und eine Option auf ein weiteres klingen nicht sehr nach großem Vertrauen. Die Fans freuen sich zwar auf den neuen Trainer, lange wird seine Amtszeit bei Inter aber nicht dauern, Vertrag hin oder her.

Georg Sander, abseits.at

Stefan Karger

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