Mehr als ein Dauerläufer – wie stark unterschätzt ist Kevin Großkreutz?
Deutschland 10.Februar.2013 Alexander Semeliker 1
Im Schatten der zahlreichen Gerüchte um einen Transfer von Borussia Dortmunds Torjäger Robert Lewandowski gab der Verein am vergangenen Dienstag bekannt, dass Kevin Großkreutz seinen Vertrag um zwei weitere Jahre verlängert hat. Von vielen Fans wird der Dortmunder Junge oft belächelt – meist aufgrund verschiedenster, nicht-fußballrelevanten Dinge. Dabei ist er ein Paradebeispiel dafür, dass sich erfolgreicher Fußball nicht nur bei spektakulärem Spiel einstellt.
Kevin Großkreutz ist im Dortmunder Arbeiterstadtteil Eving aufgewachsen und spielte sich über drei kleinere Dortmunder Klubs in die Jugendabteilung des Ballspielvereins, ehe er 2002 aussortiert wurde. Wie Marco Reus wurde er von den Nachwuchs-Verantwortlichen für nicht robust genug befunden und wechselte zu Rot-Weiß Ahlen. Zur Saison 2009/2010 kehrte er schließlich zu seinem Herzensverein zurück und war ein essentieller Baustein für die zuletzt errungenen Titel.
Mehr als ein Dauerläufer
Landläufig wird Großkreutz gerne auf seine Laufbereitschaft, seine Leidenschaft und seinen Kämpferherz reduziert. Ohne übermäßig aufzufallen gehört er meistens zu den Spielern, die während eines Spiels die größte Distanz zurücklegen. In Ballbesitz ist der 24-Jährige ein Verfechter des einfachen Spiels. Von ihm sieht man kaum spektakuläre Dribblings oder lange Steilpässe. Dennoch gehörte Großkreutz trotz Spielern, die in der allgemeinen Wahrnehmung einen höheren Stellenwert genießen, zum absoluten Stammpersonal beim besten deutschen Team der letzten beiden Jahre.
In Simon Kupers und Stefan Szymanskis Buch „Soccernomics“ heißt es: „Im Durchschnitt besitzt der Spieler in jedem Spiel etwa zwei Minuten, daher ist es seine Hauptaufgabe in den übrigen 88 Minuten, die richtige Position einzunehmen.“ Und diese Aufgabe erfüllt Goßkreutz bravourös, was ein wichtiger Grund dafür ist, dass er in seinen ersten drei Spielzeiten beim BVB kaum ein Spiel versäumte, neben 20 Toren auch 17 Vorlagen zum Erfolg seines Teams beisteuerte und sich obendrein in die deutsche Nationalmannschaft spielte.
Kombinationsstark und spielintelligent
Für manche mag es aufgrund Großkreutz‘ begrenzter technischer Fähigkeiten, die sich vor allem im Dribbling zeigen, etwas komisch klingen, aber im Grunde genommen ist er ein sehr kombinationsstarker Spieler. Aufgrund seiner sachlichen Spielweise kommt er beispielsweise auf eine gute, knapp 83-prozentige Passerfolgsquote. Risikobereite und spektakulärere Spieler wie beispielsweise Marko Arnautovic (75,8 Prozent angekommene Pässe) haben in dieser Kategorie in aller Regel schlechtere Werte. Zudem ist Großkreutz ein Spieler, der sich in einem klar vorgegebenen taktischen Konstrukt gut eingliedern kann und aufgrund seiner Laufstärke und Leidenschaft die jeweiligen Aufgaben wie ein Roboter im Rahmen seiner Möglichkeiten zuverlässig abarbeitet.
Genau das ist es, was Jürgen Klopp an Großkreutz so schätzt. Der BVB-Coach erwartet sich keine spielentscheidenden bzw. kreativen Impulse von ihm oder zwängt ihn in eine spielgestalterische Rolle. Vielmehr sind es simple Abläufe und Bewegungen, die richtig und konsequent eingesetzt ein sehr effektives Mittel sein können – eben genau so, wie es Großkreutz tut. Einfache Aufgaben wie Pässe über kurze Distanzen erfüllt er ebenso mit metronomartiger Korrektheit wie Ballannahmen. Hinzu kommen intelligente raumschaffende Bewegungen, wie er sie zum Beispiel bei einem der besten Spielzüge der letzten Saison gegen Bayern München zeigte.
Wenn individuelle Fähigkeiten an Grenzen stoßen
Trotz dieser Zuverlässigkeit ist Großkreutz mittlerweile ins zweite Glied zurückgerückt. Ab einem gewissen Level spielen die individuellen Fähigkeiten nämlich sehr wohl eine entscheidende Rolle. Ivan Perisic konnte der dreimalige deutsche Teamspieler noch in Schach halten, da der Kroate seine Rolle nie mit dergleichen Exaktheit erfüllte wie sein Konkurrent. Der Neo-Wolfsburger ist zwar unbestritten der bessere Individualist, hat aber auch die Ordnung des Dortmunder Pressings oft durcheinandergebracht – etwa beim 3:3 gegen Eintracht Frankfurt – und seine Defensivaufgaben nicht gewissenhaft genug wahrgenommen. So war es für Jürgen Klopp immer eine Balancefrage, in der er sich meistens für den Dortmunder Jungen entschied. Zur neuen Saison wechselte jedoch Reus, Großkreutz‘ ehemaliger Mitspieler aus Aalen-Zeiten, in die Bierstadt, was sich auch in der Einsatzstatistik von Dortmunds Nummer 19 niederschlägt.
Dass Deutschlands amtierender Fußballer des Jahres seinen Platz in der Elf von Jürgen Klopp fix haben würde, war von Beginn an klar. Somit lautet nun Großkreutz’ primärer Konkurrent Jakub Blaszczykowski, auch wenn dieser nicht die idente Position einnimmt. Wie sein Pedant auf dem linken Flügel ist das Spiel von „Kuba“ sehr ausgeglichen, allerdings auch mit Überraschungseffekten versehen, weshalb der Pole, so scheint es, derzeit die Nase leicht vorne hat. Dass Großkreutz dennoch regelmäßig zu Einsätzen kommt, zeigt ebenso wie die Tatsache, dass die Dortmunder Identifikationsfigur mit einem neuen, verbesserten Vertrag ausgestattet wurde, dass man im Ruhrpott dessen Qualitäten schätzt und auf sie in entsprechenden Phasen gerne zurückgreift.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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