Am Mittwoch zog die AS Roma mit einem 3:2-Sieg gegen Inter Mailand ins Finale der Coppa Italia ein. Dort geht es in Rom –... Taktisch flexibler und defensiv sicherer – Andreazzoli verleiht AS Roma Stabilität

AS Roma LogoAm Mittwoch zog die AS Roma mit einem 3:2-Sieg gegen Inter Mailand ins Finale der Coppa Italia ein. Dort geht es in Rom – pikanterweise am Wochenende der Bürgermeisterwahl – gegen Erzrivale Lazio. Eine Europacup-Teilnahme ist für den dreimaligen italienischen Meister in Griffweite, zumal man in der Tabelle auch punktegleich mit dem dafür nötigen, fünften Platz ist. Vor ein paar Wochen schien so eine Situation unrealistisch. Einhergehend mit dem Aufschwung ist die Einstellung von Aurelio Andreazzoli.

Der 59-Jährige beerbte Zdenek Zeman als Cheftrainer nachdem man am 23. Spieltag gegen Abstiegskandidat Cagliari in eine 2:4-Niederlage lief. Unter dem gebürtigen Tschechen glichen die Giallorossi einer Wundertüte. Glanzleistungen, wie zum Beispiel beim Sieg über Milan, wechselten sich mit Schützenfesten, beispielsweise dem 1:4 gegen Napoli, ab. Während Zeman für eine sehr offensive Ausrichtung stand, ist Andreazzoli um Stabilität bemüht. Der Gegentorschnitt wurde um fast 0,5 gesenkt und auch die Bilanz liest sich nach bisher neun Ligaspielen erfreulich: Fünf Siege, nur zwei Niederlagen.

Vom Technik- zum Cheftrainer

Vielen hierzulande wird sein Name unbekannt sein. Kein Wunder, bekleidet er bei der Roma, trotz seines vergleichsweise hohen Alters, erstmals den Posten des Cheftrainers bei einem renommierten Erstligaklub. Davor coachte er lediglich Unterklasseteams mit weniger klingenden Namen wie etwa Massese, Tempio oder Aglianese, ehe er 2003 bei Udinese einen neuen Weg als langjähriger Assistenz- und Techniktrainer bestritt.

Seit 2005 – mit einer kurzen Unterbrechung – ist er bereits bei der Roma tätig. Zusammen mit Luciano Spalletti wechselte er in die Hauptstadt und wurde ein wichtiger Bestandteil des Trainerstabs, der unter anderem das stürmerlose 4-2-3-1 mit Francesco Totti als falschen Neuner ins Leben rief – lange bevor Lionel Messi diese Rolle beim FC Barcelona verfeinerte und in die weite Welt hinaustrug.

Mehr Vertrauen und Nähe

Aufgrund dieser Tatsachen liegt der Eindruck nahe, dass Andreazzoli den Spielern mit mehr Nähe begegnet, was von vielen Seiten bestätigt wird. „Jetzt redet der Trainer mit den Spielern. Jetzt herrscht Harmonie. Zeman sagte kein einziges Wort zu mir während den sechs Monaten“, beklagte sich etwa Abwehrspieler Leandro Castan. „Andreazzoli fragte mich am ersten Tag, was ich gernhabe und was nicht.“ Sein Landsmann Marquinho stößt ins selbe Horn: „Andreazzoli brachte Fröhlichkeit, Lacher, und wir sind immer glücklich.

Bei Zeman schien eine derartige Harmonie undenkbar. Dem stets grimmig dreinschauenden 65-Jährigen dürfte nur ein Grinsen ausgekommen sein, wenn ein Spieler nach dem harten Training kollabierte. Matuzalem, der bei Napoli unter Zemans Fittiche genommen wurde, sagte, noch nie musste er so viel laufen. Obwohl er zum damaligen Zeit frisch von einer Verletzungspause zurückkam, scheuchte ihn Zeman über den Platz.

Personelle Umstellungen und Rotation

Diese zwischenmenschlichen Aspekte finden ihre Fortsetzung in den Einsatzzeiten diverser Spieler. So findet Keeper Maarten Stekelenburg aufgrund des wiedererlangten Vertrauens zu alter Stärke zurück. Als der Niederländer zu den Römern kam zählte er zur erweiterten Weltspitze zwischen den Pfosten. Zwar unterliefen ihm zweifellos auch einige dicke Patzer, oft stand er aber aufgrund der offensiven Ausrichtung auf verlorenem Posten.

Die vielen Gegentore schienen an seinem Selbstvertrauen arg zu nagen und so wurde er mitten in der Saison auf die Bank verbannt. Aber auch Mauro Goicoechea musste reihenweise hinter sich greifen – 24 Gegentreffer in 14 Spielen waren es. Dies zeigte, dass es nicht ausschließlich die individuellen Fähigkeiten waren, die für die negative Wahrnehmung der Roma-Defensive zuständig waren. Andere Baustellen nahm Andreazzoli ebenfalls in Angriff.

So gilt zum Beispiel Daniele De Rossi wieder als unumstrittener Stammspieler, was eigentlich aufgrund seiner fraglos hohen Qualität ohnehin anzunehmen ist. Zeman hatte allerdings mit dem Roma-Urgestein seine Probleme, warf ihm Egoismus und mangelnden Einsatzwillen vor. Das große Vertrauen von Andreazzoli in alle seine Spieler zeigt sich auch in der Zahl an eingesetzten Akteuren. Während es bei Zeman in seiner 25 Spiele umfassenden Amtszeit 23 sind, kommt der Neo-Coach schon nach zehn Spielen auf 22.

Dreierkette und weniger Risiko

Doch nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich zeigen sich Unterschiede zwischen den beiden Trainern, auch ihre Vorstellungen vom erfolgreichen Fußballspiel sind ungleich. Unter Zeman agierten die Giallorossi mit einer Ausnahme ausschließlich in einer 4-3-3-Formation, die zudem auch noch sehr offensiv ausgelegt wurde. Die asymmetrischen Flügelspieler wurden von den Außenverteidigern immer wieder überlaufen und aus dem Zentrum stießen die beiden Achter ebenfalls mit hoher Frequenz nach vorne. Deshalb fehlte bei Ballverlusten oft die Absicherung und man war anfällig auf Konter.

Mit Andreazzoli am Steuer veränderte sich die Ausrichtung grundlegend, denn er stellte auf eine Dreierkette um und folgte damit dem taktischen Trend in Italien. Dadurch hat die Roma auch in Ballbesitz eine höhere Kompaktheit, da man stets mindestens mit vier Spielern – die drei Verteidiger und ein Sechser – hinter dem Ball ist. Der Rest kann den gegnerischen Block nach hinten zwingen. Dabei ist festzuhalten, dass sich die offensive Besetzung durchaus stark ändern kann. Man ging sowohl mit 3-5-2- und 3-5-1-1- als auch mit 3-4-2-1- und 3-4-1-2-Grundordnungen in die Spiele.

Ausgeglichene Spielanlage

Ein weiterer Effekt ist die ausgeglichene Verteilung der Angriffe. Totti drängte als linker Flügelspieler im 4-3-3 stark ins Zentrum, der linke Achter stand im Allgemeinen höher als der rechte und auch der Linksverteidiger war offensiver ausgerichtet als sein Pendant. Rechts hatte man für die Offensive quasi nur Erika Lamela. Das hatte im Aufbauspiel einen starken Linksfokus zur Folge, was die Römer berechenbar machte.

Im neuen taktischen Korsett ist dies anders. Totti ist zwar weiterhin die wichtigste Anspielstation, allerdings kommt er nun auch nominell im Zentrum zu Zug. Gegen Juventus bekleidete er beispielsweise seit langer Zeit wieder die Rolle die Trequartistas und auch als falscher Neuner lief er bereits auf. Ansonsten agiert er in unterstützender Position für den Mittelstürmer. Die Außenverteidigerpositionen besetzt Andreazzoli sehr variabel.

Links wählt er entweder Federico Balzaretti, von dessen Verpflichtung sich viele Romanisti mehr versprochen haben, oder Marquinho, der davor im zentralen Mittelfeld oder als Linksaußen zum Zug kam. Ähnlich verhält es sich auf der gegenüberliegenden Seite, wo es ebenfalls eine sehr offensive Option – Lamela – und eine konservative – Vasilis Torosidis – gibt. Je nach Besetzung verhalten sich dann auch die Abwehr- und Zentrumspieler anders.

Man erkennt dies in der nebenstehenden Grafik von whoscored.com, die die durchschnittlichen Spielerpositionen zeigt. Gegen Juventus (oben) agierte aufgrund der Aufstellung von Marquinho (7) der linke Innenverteidiger (3) tiefer als der rechte (23), da dieser seinen Vordermann nicht so stark absichern, aber offensiv unterstützen musste. Im Zentrum gab es mit De Rossi, Miralem Pjanic und Totti eine klare Sechser-Achter-Zehner-Staffelung.

Gegen Parma (unten) agierte man in der offensiven Variante. Marquinho (7) und Lamela (8) standen sehr hoch, demzufolge fächerte sich die Abwehr stärker auf. Dafür, dass das Zentrum trotzdem dichtgehalten wurde, sorgten die dortigen Spieler. Die nominelle 3-4-2-1-Fomation verschob sich aufgrund des Verhalten der nominellen hängen Spitzen daher extrem stark. Kein Wunder, waren dies mit Alessandro Florenzi (48) und Simone Perrotta (20) gelernte Zentrumspieler – ein weiteres Indiz für die Kompetenz von Andreazzoli.

Eine langfristige Lösung?

Trotz dieser augenscheinlichen Weiterentwicklung liest man in den italienischen Medien immer wieder von einem möglichen Ende der Ära Andreazzoli zum Saisonende. Klingende Namen wie Walter Mazzarri, Massimiliano Allegri, Carlo Ancelotti, Roberto Mancini oder Laurent Blanc werden als Kandidaten gehandelt. Für Andreazzoli kein Grund die Flinte vorzeitig ins Korn zu werfen: „Wenn ich ehrlich bin, denke ich, dass ich es verdiene im Amt bestätigt zu werden.“ Dementsprechend arbeitet er weiterhin gewissenhaft, versucht sein Team noch flexibler und besser machen. In den letzten Spielen schickte er sein Team etwa wieder mit einer Viererkette aufs Feld.

Die Verantwortlichen des Vereins sollten sich jedenfalls hüten, sich einen erneuten Ausrutscher in der Trainerfrage zu leisten und einen ambitionierten Interimstrainer ziehen zu lassen. Das letzte Mal war dies am Ende der Saison 2010/2011 der Fall, als man sich gegen Vincenzo Montella entschied. Aktuell päppelt L’Aeroplanino die Fiorentina auf und kämpft um die Teilnahme an der Champions League. Dorthin soll auch der Weg der Roma führen.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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