Transfers erklärt: Darum wechselte Moritz Leitner zu Stuttgart und Christian Gartner zu Düsseldorf
Deutschland 29.Juni.2013 Alexander Semeliker 0
Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?
Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
In dieser Ausgabe blicken wir auf die Wechsel zweier junger zentraler Mittelfeldspieler mit Österreich-Bezug. Einer wagte den Sprung ins Ausland, für den anderen soll ein Schritt zurück der Anlauf für zwei nach vorne sein.
Moritz Leitner – beim BVB gescheitert?
Obwohl sich der VfB Stuttgart über den DFB-Pokal fürs internationale Geschäft qualifizierte spielte er eine äußerst unauffällige Bundesligasaison, schloss die Saison mit 43 Punkten auf Platz zwölf ab. In ähnlichen Regionen finden sich die Schwaben auch wieder, wenn man auf die markanten statistischen Daten blickt: 49,5% Ballbesitz (10.), 77,7% angekommene Pässe (11.) und 11,3 Schüsse pro Spiel (12.). Dies zeigt, dass sie vor allem im Hinblick auf die spielerischen Elemente Verbesserungspotenzial haben. Ein Blick aufs Personal unterstreicht diese These.
Chefcoach Bruno Labbadia bot sein Team in den meisten Fällen in einer Grundordnung auf, die sich durch drei zentrale Mittelfeldspieler charakterisiert. Im Herbst war es vor allem eine 4-3-3-Formation, in der auch der Österreicher Raphael Holzhauser immer wieder unterkam. Gegen Ende der Saison hin tendierte Labbadia zum weitverbreitenden 4-2-3-1 mit Arthur Boka und Christian Gentner als Doppelsechs sowie Alexandru Maxim in der Rolle des Zehners. Das augenscheinliche aber war, dass das Mittelfeldtrio seine Stärke nicht im Passspiel hatte.
Egal ob Maxim, Gentner, Boka oder Holzhauser; sie alle gehen lieber in freie Räume oder stoßen selbst mit dem Ball vor, anstatt die Angriffe aus der Tiefe heraus zu ordnen. Mit Tamas Hajnal hätte Stuttgart zwar prinzipiell einen Spielmacher im Kader, die tragende Rolle, die er zu Beginn seiner VfB-Zeit schon spielte, konnte der Ungar aber nicht mehr ausfüllen. Mit William Kvist, der ebenfalls schon ein wichtiger Baustein, einst von den Verantwortlichen als Königstransfer angepriesen, plant man in Zukunft nicht, da auch er zu defensiv sei.
Dementsprechend war man auf der Suche nach einem spiel- und passstarken Zentrumsspieler, den man schließlich im Ruhrpott fand. Moritz Leitner kommt für die nächsten zwei Jahre leihweise von Borussia Dortmund. Beim achtfachen deutschen Meister konnte sich der Halb-Österreicher gegen die große Konkurrenz nicht durchsetzen, obwohl es auch dort keinen vergleichbaren Spielertyp gibt. Leitner ist in gewisser Weise ein klassischer Zehner, dessen Aktionsradius verglichen mit einem solchen jedoch größer ist. So zeigte der 20-Jährige auch auf der Doppelsechs ansprechende Spiele. Ein Manko Leitners ist allerdings sein Verhalten ohne Ball.
Besonders in der Defensivbewegung lässt er Räume offen bzw. sichert sie ungenügend ab, was angesichts seiner zentralen Position äußerst schmerzhaft sein kann – gerade wenn man ein derart hohes Pressing der BVB spielt. Die Anforderungen in Stuttgart dürften ihm besser entgegenkommen. Beim VfB wird er eine weniger absichernde Rolle innehaben und vor allem eine tragende Säule im Aufbauspiel sein. Er kann entweder als erste Anspielstation vor der Abwehr dienen, um dann das Spiel von hinten heraus mit seinen präzisen langen Bällen dirigieren, oder in den höheren Zone seine unbestritten guten Fähigkeiten im Dribbling und Torabschluss einsetzen.
Das Risiko, das der VfB Stuttgart mit diesem Transfer eingeht ist überschaubar. Leitners gute Anlangen sind augenscheinlich und er wird dem Team schon kurzfristig helfen können. Der Spieler selbst erhofft sich von diesem Wechsel, in der Bundesliga nach zwei Jahren endlich dauerhaft fußfassen zu können. Es wäre jedoch falsch zu sagen, Leitner gehe den Weg des geringsten Widerstandes, denn er betonte immer, er wolle sich in Dortmund durchsetzen. Dieses Ziel dürfte er auch weiterhin verfolgen, denn bevor er die Schwarzgelben verließ verlängerte er seinen Vertrag bis 2017.
Christian Gartner – reicht es zum Stammplatz?
Von dem Gesagten zu Leitner lässt sich vieles auch auf die Situation von Christian Gartner umlegen. Nachdem der SV Mattersburg in der abgelaufenen Saison überraschend abgestiegen ist wechselt der 19-Jährige zu Fortuna Düsseldorf, das ebenfalls aus der höchsten Spielklasse ausschied. Der Grund dafür war eine miserable Rückrunde, in der man nur neun Punkte zusammenkratzen konnte. Infolge des Abstiegs trennte man sich von Trainer Norbert Meier und installierte Mike Büskens als Nachfolger. Auch am Kader drehten die Rheinländer die eine oder andere Stellschraube.
Im für Gartner relevanten zentralen Mittelfeld tat sich abgesehen vom Abgang von Robert Tesche – er wird nach einer halbjährigen Leihe wieder zum HSV zurückkehren – bisher noch nichts, wenngleich Medien damit spekulieren, dass ein Spielmacher kommen soll. Dennoch gibt es für den jungen Burgenländer keinen Grund sich zu verstecken, denn die aktuelle Konkurrenz punktet weniger mit technischen Fertigkeiten. In der Bundesliga war dies kein Problem, da man in den meisten Spielen der Underdog war und nur selten das Spiel machen musste.
In der zweiten Liga wird dies anders, deshalb ist es wichtig neben Spielern wie Kapitän Andreas Lambertz auch Akteure im Kader zu haben, die die spielerischen Elemente beleben. „Er ist ein talentierter und spielstarker Mittelfeldspieler, der uns unter anderem mit seinem exakten Passspiel und seiner Spieleröffnung überzeugen konnte“, so Chefscout Mark Ulshöfer über Gartner. Hinzu kommt, dass Büskens bei seiner letzten Aufstiegssaison mit der SpVgg Greuther Fürth auf ein herkömmliches Sechser-Achter-Gespann vor der Abwehr setzte.
Wie Leitner ist auch Gartner ein Spieler, der sowohl in tiefen als auch in hohen Zonen das Spiel prägen kann und unter Umständen auch in einem 4-2-3-1 als Zehner eingesetzt werden kann. Vielen stellt sich allerdings die Frage, ob er schon reif für einen derartigen Schritt ist. Klar ist jedenfalls, dass das taktische Niveau auch in der zweiten Bundesliga höher als hierzulande ist. Gerade im Spiel gegen den Ball hatte Gartner Probleme wenn sich der Gegner – wie etwa die Wiener Austria – flexibel zwischen den Linien und in der Horizontalen bewegte.
Nichtsdestotrotz ist auch in diesem Fall das Risiko überschaubar. Die Fortuna füllt mit einem ablösefreien Talent eine wichtige Kaderstelle auf und für Gartner selbst ist es eine gute Möglichkeit um Anlauf auf die Bundesliga zu nehmen und sich vor allem im taktischen Bereich weiterzuentwickeln. „Ich denke, dass dieser Schritt für meine Entwicklung genau der richtige ist. Ich freue mich auf die Aufgabe in Deutschland und denke, dass ich hier als junger Spieler jede Menge lernen kann“, sagte er. Und sollte er daran scheitern ist die Tür zurück zu einem österreichischen Erstligisten sicher nicht geschlossen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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